Landwirtschaft
Hitzige Nationalratsdebatte über Landwirtschaftsinitiativen

Zwei Initiativen wollen die Bauern zu mehr Umweltschutz zwingen. Der Nationalrat hat am Mittwoch die Diskussion über die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative aufgenommen. Die Debatte ist noch nicht abgeschlossen, doch der Ausgang ist absehbar.
Publiziert: 19.06.2019 um 06:04 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2019 um 19:12 Uhr

Die Wirtschaftskommission hat beide Initiativen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Bisher haben sich nur Vertreterinnen und Vertreter von SP und Grünen vorbehaltlos für die Annahme der Trinkwasserinitiative ausgesprochen. Die Initiative, die ein Verbot synthetischer Pestizide fordern, stösst auch bei diesen Fraktionen auf Skepsis. Ein Ja zu einem der beiden Volksbegehren am Donnerstag wäre eine Überraschung.

Ebenso wenig zeichnet sich eine Mehrheit für einen direkten Gegenvorschlag ab. Es liegen zwei verschiedene Varianten vor. Einer davon setzt wie die Trinkwasserinitiative bei den Direktzahlungen an. Die Bauern müssten ebenfalls ökologische Bedingungen erfüllen, um in den Genuss von Subventionen zu kommen. Diese wären aber weniger streng. Dieser Gegenentwurf wird von SP und Grünen unterstützt.

Die zweite Variante will den Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln oder Tiermedikamenten auf ein nachhaltig verträgliches Mass reduzieren. Das Reduktionsziel soll durch Branchenvereinbarungen bis 2030 erreicht werden. Andernfalls soll der Bundesrat konkrete Massnahmen anordnen können. Dieser Gegenentwurf wird von SP, Grünen und GLP unterstützt.

Zusätzlich liegt dem Nationalrat ein Rückweisungsantrag vor. SP und Grüne wollen die Wirtschaftskommission beauftragen, eine Gesetzesänderung vorzubereiten. Ziel wäre es, die Risiken der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zu fördern.

Zudem soll der Schutz vor nachteiligen Einwirkungen durch Pflanzenschutzmittel verbessert und der Fremdstoffeintrag in das Grundwasser gesenkt werden. In der Kommission hatten die FDP-Vertreter dieses Vorgehen unterstützt. Laut Fraktionschef Beat Walti (ZH) wird ein Teil der FDP den Rückweisungsauftrag auch im Rat unterstützen.

Zu den Unterstützern gehört Kurt Fluri, Solothurner Stadtpräsident und Präsident des Schweizerischen Städteverbands. Er erinnerte an die alarmierenden Befunde der Wasserfachleute und Wasserversorger. Angesichts der Popularität des Trinkwassers in der Schweiz sei die Ablehnung der Initiativen ohne Gegenvorschlag eine «Hochrisikostrategie".

«Es braucht konkrete Massnahmen», pflichtete FDP-Fraktionschef Walti bei. Initiativen und Gegenvorschläge sind seiner Meinung nach aber der falsche Weg. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, der Strategie Antibiotikaresistenzen und den im Zusammenhang mit der Agrarpolitik ab 2022 angekündigten Massnahmen habe der Bundesrat den richtigen Weg eingeschlagen.

Die GLP ist anderer Meinung. «Unsere Geduld ist langsam am Ende», sagte Fraktionschefin Tiana Moser (ZH). Gewässerschutz-Grenzwerte würden systematisch überschritten, ganze Gewässerabschnitte seien faktisch tot. Bisher sei viel versprochen und wenig gemacht worden. Jetzt brauche es einen Gegenvorschlag. Es sei unverständlich, weshalb der Bund Milliarden in eine Landwirtschaft investiere, die die Umwelt zerstöre, sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE).

«Wir haben ein Riesenproblem mit teilweise irreversiblen Schäden», warnte SP-Sprecherin Jacqueline Badran (ZH). Fast alle Wasserversorger hätten wegen Giftcocktails im Trinkwasser bereits Wasserfassungen schliessen müssen. Der Bauernverband lehne fast alle Massnahmen ab. «Der Wind hat gedreht. Die Menschen lassen sich nicht mehr mit Versprechen abspeisen», sagte auch Grünen-Präsidentin Regula Rytz (BE).

Das liessen die Bauernvertreter nicht auf sich sitzen. Die Verwendung von Pestiziden und Antibiotika habe in den letzten zehn Jahren markant abgenommen, sagte SVP-Sprecher Andreas Aebi (BE). «Die Landwirtschaft hat erkannt, dass eine Entwicklung notwendig ist.» Er warnte aber davor, die Initiativen anzunehmen. Das würde zu geringeren Erträgen führen, sagte er.

Kommissionssprecher Marcel Dettling (SVP/SZ) sprach von Ernteausfällen von bis zu 40 Prozent. Mehr Lebensmittel müssten importiert werden. Werde die Pestizidverbotsinitiative angenommen, könnten kaum mehr Kakao und Kaffee importiert werden, was in der Verarbeitungsindustrie tausende Arbeitsplätze kosten würde.

Auch Bauernverbandspräsident und CVP-Sprecher Markus Ritter (SG) bezeichnete die Initiativen daher als «extrem wirtschaftsfeindlich". Zudem würden die Konsumentenpreise um 20 bis 40 Prozent steigen. Das würde den Einkaufstourismus fördern und Gastronomie und Hotellerie hart treffen.

Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (SP/TI) unterbrach die Debatte am frühen Abend. Diese wird am Donnerstag fortgesetzt. Rund vierzig Rednerinnen und Redner wollen sich noch zu Wort melden. Gegen Mittag wird der Nationalrat über die Abstimmungsempfehlungen sowie direkte und indirekte Gegenvorschlägen abstimmen.

(SDA)

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