Als Blick zum Ortstermin bei «Tannenbäumli-Studer» in einer Waldlichtung bei Kappel SO aufkreuzt, ist Inhaber George Studer (61) vor lauter Tannen nirgends zu sehen. Er sägt gerade im Wald neben seinem Hof einen Christbaum ab für eine Kundin.
Kurz darauf kommt er mit einem zwei Meter grossen Nadelbaum aus der Christbaum-Plantage auf den Hofplatz zurück und sagt breit grinsend: «Ich bin voll im Tannenbaumstress.» Viele Firmen wollen übergrosse Bäume kaufen, während die vielen Einfamilienhaus-Inhaber der Region Bäume von 2 bis 2,5 Metern Grösse aussuchen. Ein Knochenjob für den Baumverkäufer.
Der frühe Schnee habe den Verkauf angekurbelt, sagt Studer. Dazu steht am Folgetag ein Nachtverkauf an: Da laufe es dann richtig rund und die Kunden verweilen bis spät in die Nacht bei Glühwein und Raclette im «Weihnachtsstübli», das Studer temporär in der Maschinenscheune eingerichtet hat. Die liebevolle Dekoration stammt von Studers Frau Petronilla (61).
«Manchmal vergessen die Kunden vor lauter Feiern ihren Christbaum bei uns», lacht Studer.
Die Details machen den Reiz
Das ist gewiss nicht der Fall bei Emilia (5) und ihrer Mutter Stefanie Grolimund (32) aus dem benachbarten Boningen SO: Sie haben eine buschige Nordmanntanne ausgesucht. «In früheren Jahren haben wir eine Tanne angeschrieben, doch dieses Jahr sind wir zeitlich zu knapp dran und nehmen diese gleich mit», sagt Stefanie Grolimund.
Angeschrieben? Bei Studer dürfen Kunden bereits ab August einen passenden Baum aussuchen und für sich per Anschrift reservieren. Noch ist dies an einigen Bäumen zu sehen. Inzwischen hat Studer den Christbaum der Grolimunds zugeschnitten. Das heisst: Am Stamm waagrecht abgeschnitten, nicht zugespitzt, und die Rinde drangelassen. «Sonst trocknet der Baum viel zu schnell aus», mahnt Studer.
Eine andere Familie schaut sich in der Plantage um und überlegt, ob sie den gewünschten Baum selber fällen soll. Wie meist erledigt dies jedoch Studer selber. «Niemals mit einer Motorsäge, das würde die Stimmung ruinieren», fügt er an.
Nur ein Viertel der Setzlinge wird zum Christbaum
Es sind diese Details, die den Reiz des Christbaumkaufs ab Hof ausmachen. Der Betrieb ist inzwischen überregional bekannt und verfügt weiter unten im Dorf über ein Drive-in, wo es den Christbaum zum schnellen Mitnehmen gibt. «Ein Relikt aus Coronazeiten», sagt Studer.
Sein Geschäft sei dennoch ein «kleiner Fisch» im Schweizer Christbaummarkt. In der Nähe gibt es einen Betrieb mit 20 Hektaren, der Migros und Coop beliefert. Studer hat nur zwei Hektaren mit rund 5000 Bäumen. Dabei setzt er rund 1000 Bäume pro Jahr neu ein und verkauft um die 250 Stück als Christbäume. Der Ausfall wegen Trockenheit, Hagel oder Rehen sei recht hoch. Studer kann zwar preislich mithalten, doch das sei nicht entscheidend: «Uns schätzt man aus anderen Gründen.»
So gibt es zu jedem verkauften Baum einen Glühwein, für die Kinder Schokoküsse. Und seine Bäume «haben Charakter», wiederholt Studer mehrmals. Am beliebtesten seien Nordmann-Tannen, doch auch Blaufichten, Rottannen, Nobilis, Engelmania oder Koreatannen bietet er an. Ein Experiment mit Colorado-Tannen brach Studer ab – «die wurden einfach nicht schön».
Baumkauf ist «Liebe auf den ersten Blick»
Für Studer ist der Christbaumverkauf nur ein Hobby. Eigentlich verkauft er mit zwei Niederlassungen in Zürich und Neuenburg Kreuzfahrten. Das Christbaum-Geschäft kam mit dem Erwerb des Hofs vor 10 Jahren – der in der geografischen Mitte der zwei Kreuzfahrtbüros liegt – eher zufällig dazu.
Von Christbäumen hatte Studer zuvor zwar keine Ahnung, wollte es aber versuchen. Inzwischen ist er ein wahrer Profi und weiss, welcher Baum zu welchem Personentyp passt. So ist etwa die Blaufichte besonders für Katzenhalter geeignet, wegen der stachligen Nadeln, die Haustiere fernhalten.
Ein einträgliches Geschäft seien Christbäume nicht, so Studer: «Aber ein schönes, wo man den Leuten näherkommt und mit diesen den Baum auswählt, was manchmal einer Reaktion wie ‹Liebe auf den ersten Blick› gleichkommt.» Und er versichert, dass er kein Geld drauflege.
Damit er durchkommt, packen die Partner seiner erwachsenen Töchter mit an. Dazu verkauft er auch selbst gebrannten Kirsch oder Süssmost. Seine Kundschaft besteht aus älteren Paaren, vielen Familien und auch vielen Jungen. Echte Christbäume werden weiterhin sehr geschätzt, bilanziert er.
«Ich mache das alles aus purem Idealismus», schliesst Studer. Und packt gleich den nächsten Baum – eine weitere Nordmanntanne für Mia Wyss (8) aus Kappel SO – in die Netzmaschine, während ihn frisch angekommene Kunden beim Vornamen begrüssen.