Krypto-Experte Daniel Diemers (44) im Interview
«Die Angst vor einem Bitcoin-Crash ist unbegründet»

Daniel Diemers erklärt den Hype um die Internetwährung Bitcoin – und welche Chancen das neue Geld bietet.
Publiziert: 04.09.2017 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 23:20 Uhr
Daniel Diemers ist Strategieberater bei PwC Strategy& Schweiz für digitale Finanzdienstleistungen.
Foto: Mirko Ries
Interview: Christian Kolbe

Die Credit Suisse plant, mit der UBS und weiteren Grossbanken eine eigene Kryptowährung zu entwickeln. Wollen sich die Grossen jetzt auch ein Stück von diesem Kuchen abschneiden?
Daniel Diemers:
Das ist ein sehr gutes Zeichen. Die Grossbanken waren noch vor ein paar Jahren eher skeptisch gegenüber Internetwährungen wie Bitcoin. Nun wird dieser Trend zu Cyber- oder Krypto­währungen erwachsen, jetzt reden alle darüber. Kryptowährungen werden ernst genommen. Das ist gut so, denn es gibt dafür unzäh­lige Anwendungsmöglichkeiten.

Was habe ich im Alltag davon, dass es Bitcoin gibt?
Bitcoin ist die im Moment bekannteste Internetwährung. Damit kann man schnell und einfach Geld rund um die Welt schicken, zum Beispiel an die Verwandtschaft in Austra­lien. Nach ein paar Minuten hat der Empfänger sein Geld auf dem PC oder dem Handy.

Aber einen Kaffee kann ich mir mit Bitcoin trotzdem nicht kaufen.
Das stimmt nicht. Es gibt bereits Kreditkarten, die mit einem Bitcoin-Konto verbunden sind, und sogar eine Firma in der Schweiz, die ihre Angestellten mit Bitcoin bezahlt. Es ist ein Bitcoin-Start-up, das damit sein Vertrauen in die Internetwährung und seinen Glauben an die Technologie unterstreichen will, die dahintersteckt.

Bitcoin hat in den letzten Wochen vor allem durch den enormen Kursanstieg Schlagzeilen gemacht. Viele fragen nicht mehr, ob, sondern wann es zum Crash kommt.
Diese Angst spüre ich nicht. Im Gegenteil, viele institutionelle Anleger sind durch die Schlagzeilen und die Wertsteigerung erst auf Bitcoin aufmerksam geworden und steigen nun ein. Das erhöht die Nachfrage und damit den Preis.

Das klingt aber schon etwas nach einer Spekulationsblase, die irgendwann platzen könnte.
Bei jeder Währung kann es zu ­einem Wertverlust kommen, zum Beispiel, wenn ein grosser Investor aussteigt und seine Gewinne mitnimmt. Kursschwankungen gehören zu den Finanzmärkten, langfristig ist es das Kennzeichen eines funktionierenden Markts, dass es rauf- und runtergeht. Die Angst vor einem Bitcoin-Crash ist in meinen Augen unbegründet!

Bitcoin ist ja bei weitem nicht die einzige Internetwährung, es gibt inzwischen über 1300 verschiedene solcher Währungen – und jede Woche kommen neue dazu.
Das Tempo, in dem neue Kryptowährungen entstehen, ist in der Tat beeindruckend. Allein seit August waren es nach unseren Berechnungen mehr als 60 pro Monat. Drei der sechs grössten ICOs (Initial Coin Offerings, also Ausgabe einer neuen Internetwährung – Red.) der letzten Monate gab es übrigens in der Schweiz! Weltweit wurden in diesem Jahr bereits Internetwährungen im Wert von 4,6 Milliarden Dollar geschöpft, also neunzehnmal so viel wie letztes Jahr.

Wozu braucht die Welt Hunderte dieser Internetwährungen?
Es geht nicht nur darum, weitere Zahlungsmittel zu schaffen. Bei ­einem ICO kann es auch darum gehen, die nötigen Mittel für ein Projekt zu finden, zum Beispiel, um ein Musikalbum oder einen Onlineshop zu finanzieren. Das Entscheidende ist, dass eine genügend grosse Anzahl von Menschen Vertrauen in die Währung oder das jeweilige Projekt hat. Nicht alle dieser neuen Internetwährungen werden Bestand haben.

Kryptowährungen können also wieder verschwinden oder kollabieren. Hätte das Folgen für die Realwirtschaft?
Nein, im Moment sicher nicht! Dafür ist die Menge an Geld, die in den betreffenden Währungen im Umlauf ist, noch viel zu klein. Aber die Bedeutung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit stark zunehmen. Ob diese Entwicklung eher eine Chance oder ein ­Risiko für die Realwirtschaft sein wird, das ist noch völlig offen.

Die Region um Zug ist auch als Crypto Valley bekannt. Weshalb hat die Schweiz so eine grosse Bedeutung für die Entstehung und Entwicklung von Internetwährungen?
Das ist zunächst mal ein grosses Kompliment an die Innovationskraft unserer Wirtschaft. Aus dem Ausland kommen viele Firmen nach Zug, weil sie hier gute Rahmenbedingungen und viele krea­tive Köpfe vorfinden. Leute, die bereit sind, etwas Neues zu wagen.

Haben Bitcoin oder andere Kryptowährungen das Potenzial, demnächst den Franken als Hauptzahlungsmittel abzulösen?
Nein, Bitcoin ist in der Schweiz eine Option, aber kein Zwang! Wir haben stabile Banken und eine funktionierende Notenbank – der Franken wird uns noch lange erhalten bleiben!

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