Der Name Marchionne ist eng mit einem Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte verknüpft: dem Untergang des Traditionsunternehmen Alusuisse. Wer von Sanierer Marchionne (66) spricht, der muss im selben Atemzug auch SVP-Übervater Christoph Blocher (77) und Investor Martin Ebner (72) nennen. Zugetragen hat sich die Geschichte Ende der 1990er-Jahre.
1997 wurde Marchionne zum Chef von Alusuisse berufen – nachdem er überraschend die designierte Chefin Dominique Damon verdrängt hatte. Kurz zuvor war er als Alusuisse-Finanzchef aus Kanada in die Schweiz gekommen. Marchionne arbeitete als Controller bei der kanadischen Verpackungsfirma Lawson Mardon, die 1994 von Alusuisse übernommen wurde.
Die verschmähte Braut Alusuisse
Sein Ziel mit Alusuisse: «Ich mache alles, um den Shareholder-Value zu erhöhen», sagte er bei seinem Amtsantritt. Das gefiel Ebner und Blocher. Sie stiegen im grossen Stil bei Alusuisse ein. Ebner, «der Mann mit der Fliege», besass 1998 schon 11 Prozent, Blocher 5,6 Prozent. Später bauten sie ihre Anteile weiter aus.
Hintergrund des Einstiegs von Blocher und BZ-Banker Ebner: Die Geschäfte von Alusuisse liefen zwar gut. Doch die neue Konkurrenz aus Russland setzte dem Traditionsunternehmen zu. Gegen das billige Aluminium wusste man sich weltweit nur mit Fusionen und Absprachen zu helfen. Alusuisse, das älteste Aluminiumschmelzwerk Europas, stand allerdings alleine da. Die verschmähte Braut wurde so zum leichten Übernahmeopfer.
Der clevere Lonza-Deal
Im Soge der beiden Investoren Ebner und Blocher stiegen die Kurse der mittlerweile in Algroup umbenannten Alusuisse an. Die beiden Grossaktionäre Martin Ebner, mittlerweile auch Algroup-Präsident, und Vize Christoph Blocher bauten den Konzern um. Die Chemiesparte Lonza wurde ausgegliedert. Die hochkarätige Alusuisse-Trojka leitete aber auch fortan die Geschicke von Lonza. Sergio Marchionne wurde zum CEO ernannt.
Nach mehreren gescheiterten Fusionen klappte es im Oktober 2000 mit einem Verkauf. Die kanadische Alcan riss sich die Alusuisse unter den Nagel und liess Ebners und Blochers Kassen klingeln. Laut dem Wirtschaftshistoriker Adrian Knöpfli, der die Geschichte der Alusuisse untersucht hat, haben die beiden mit dem Alusuisse-Deal eine Milliarde Franken kassiert. 2001 trat Blocher auch als Lonza-Verwaltungsrat zurück und wurde kurz darauf Bundesrat.
Agnellis wurden auf Marchionne aufmerksam
Marchionne dagegen wurde 2002 zum Genfer Warenprüfer SGS berufen. Er krempelte den Konzern um und hatte erneut Erfolg mit seinen Methoden. Die Aktien gingen durch die Decke. Das hat auch die schwerreiche italienische Industriellenfamilie Agnelli mitbekommen, die an SGS beteiligt war. Die Fiat-Besitzer wurden auf Marchionne aufmerksam. Und ernannten ihn im Juni 2004 zum Fiat-Boss.
Die Verbindungen Marchionnes zur Schweiz brachen aber nicht ab. 2007 bis 2010 war er Vizepräsident und Verwaltungsrat der UBS. Noch heute ist Marchionne Präsident von SGS.