Konsum-Rückgang: Alkohol-Branche leidet
«Es kann fast nicht mehr tiefer gehen»

Alle Statistiken zeigen das gleiche Bild: Die Schweiz reduziert ihren Alkoholkonsum. Weinbauern werden subventioniert, Brauereien reagieren mit Spezialbieren.
Publiziert: 15.07.2018 um 13:04 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2018 um 19:11 Uhr
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Die Brauereien setzen auf feinere, aber auch kostspieligere Biere.
Foto: JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Moritz Kaufmann

Die Statistiken lassen keinen Zweifel. Schweizer können es offenbar auch ohne Alkohol lustig haben. Seit Jahrzehnten sinkt der Konsum von geistigen Getränken. Noch Anfang der 90er-Jahre schluckte ein durchschnittlicher Eidgenosse 71 Liter Bier pro Jahr. Heute sind es 54,3 (siehe Grafik).

Beim Wein zeigt sich das gleiche Bild: Der Gesamtkonsum nahm seit den Neunzigern jährlich um eine halbe Million Hektoliter auf 2,5 Millionen ab – und das bei wachsender Bevölkerung. Heute leert der Statistikschweizer noch 40 Flaschen pro Jahr.

Schweizer werden vernünftiger

Aus diesem Grund kann Ernest Dällenbach, Zen­tralsekretär des Schweizerischen Spirituosenverbands, nichts mit den neuen Richtlinien des BAG anfangen. «Schweizer haben heute einen anderen Lebensstil. Sie sind vernünftiger.»

Für Dällenbach hat die neue Empfehlung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) deshalb «einen religiösen Touch». Wie viel jemand vertrage, hänge von 20 bis 30 Faktoren ab: «Jeder weiss selber, wie viel er trinken kann. Das sind doch Präven­tionsprediger! Pro Person und Jahr werden drei Liter Spirituosen konsumiert. Es kann fast nicht tiefer gehen.»

Die Alkoholbranche hat gelernt, mit dem sinkenden Durst der Konsumenten auf ihre Erzeugnisse umzugehen. Schweizer Bier zum Beispiel konnte sein schlechtes Image weitgehend ablegen. Heute wird es sogar von Gourmets als Wein-Alternative ernst genommen.

Christoph Lienert (32), wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Schweizer Brauerei-Verband: «Die Schweizer Brauereien erreichen mit ihren Bier-Innovationen und -Spezialitäten neue Konsumgruppen.» Der Anteil Spezialbiere – die sich teurer verkaufen lassen als Durchschnitts-Lager – sei in den letzten Jahren konstant gestiegen.

Wein ist klimaabhängig

«Bier ist nicht nur ein Durstlöscher, sondern kann auch zu einem guten Essen oder vor dem Kamin genossen werden.» Beim Wein ist die Situation anders: Nicht die Konsumenten sind ausschlaggebend, sondern das Klima. Letztes Jahr wurde die kleinste Ernte seit 1978 eingefahren. Der Bund musste die Weinbauern mit Notkrediten von insgesamt 9,5 Millionen Franken unterstützen.

Ohnehin können die heimischen Rebberge die Nachfrage nach Wein nicht decken: Rund zwei Drittel des konsumierten Rebensafts werden importiert. Dass weniger gebechert wird, spürt auch der Bund. Die durch Alkohol generierten Fiskaleinnahmen sanken in den letzten Jahren leicht auf 277 Millionen Franken.
Völlig nüchtern wird die Schweiz wohl dennoch nicht. Der Trend zum Alkoholverzicht hat sich in den letzten Jahren verlangsamt.

Wer zu spät aufhört, den bestraft die Leber

Zuerst beflügelt er die Laune, macht fröhlich, mindert Hemmungen. Dann irgendwann kann die Wirkung kippen: Es folgen Müdigkeit, Benommenheit, gestörte Motorik und am Ende gar Kopfweh bis zum Erbrechen.

Alkohol hat zwei Gesichter, ein gutes und ein schlechtes – alles eine Sache des Masses. Was passiert in unserem Körper, wenn wir uns einen Schluck Bier genehmigen? In Magen und Dünndarm wird der Alkohol resorbiert, das heisst, er tritt in den Blutkreislauf über. Die Leber hat die Aufgabe, den Stoff über Urin, Atem und Schweiss wieder auszuscheiden. Via Blutbahn macht Alkohol auch einen Abstecher ins Gehirn. Die zwei Glückshormone Dopamin und Endorphin werden ausgeschüttet – Freude herrscht.

Ab hier wirds gefährlich: Wer jetzt nicht aufhört, überfordert seine Leber und den geordneten Abbau des Alkohols, auch Lebergift genannt. Dieser dockt im Gehirn an bestimmte Rezeptoren des zentralen Nervensystems an. Die Folgen: gehemmte Bewegungsabläufe, gestörter Blutkreislauf und Auswirkungen auf Magen, Kopf und Allgemeinbefinden. Das Glück kippt ins Elend.

Exzesse à la Ballermann enden meist im Elend.
laif

Zuerst beflügelt er die Laune, macht fröhlich, mindert Hemmungen. Dann irgendwann kann die Wirkung kippen: Es folgen Müdigkeit, Benommenheit, gestörte Motorik und am Ende gar Kopfweh bis zum Erbrechen.

Alkohol hat zwei Gesichter, ein gutes und ein schlechtes – alles eine Sache des Masses. Was passiert in unserem Körper, wenn wir uns einen Schluck Bier genehmigen? In Magen und Dünndarm wird der Alkohol resorbiert, das heisst, er tritt in den Blutkreislauf über. Die Leber hat die Aufgabe, den Stoff über Urin, Atem und Schweiss wieder auszuscheiden. Via Blutbahn macht Alkohol auch einen Abstecher ins Gehirn. Die zwei Glückshormone Dopamin und Endorphin werden ausgeschüttet – Freude herrscht.

Ab hier wirds gefährlich: Wer jetzt nicht aufhört, überfordert seine Leber und den geordneten Abbau des Alkohols, auch Lebergift genannt. Dieser dockt im Gehirn an bestimmte Rezeptoren des zentralen Nervensystems an. Die Folgen: gehemmte Bewegungsabläufe, gestörter Blutkreislauf und Auswirkungen auf Magen, Kopf und Allgemeinbefinden. Das Glück kippt ins Elend.

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