Von «wäre-schön-wenn»-Vorgaben bis zu generellen Tarifsenkungen reicht das Spektrum der Vorschläge, wie man das Kostenwachstum und damit das Prämienwachstum im Gesundwesen begrenzen könnte. Die Gräben sind tief, die Gefechte heftig. Es steht viel Geld auf dem Spiel und die Zeit drängt.
Deshalb Klartext: Mit dehnbaren, Spielraum zulassenden, auf Eigenverantwortung setzenden Methoden werden wir es kaum ins Ziel schaffen. Es gibt schlicht zu viele Verflechtungen, Doppelrollen und Fehlanreize. Eine vielversprechende Generalmassnahme wären Kostenziele mit greifbaren Konsequenzen – darüber wird zur Zeit heftig gestritten. Der Bundesrat hat dies vorgeschlagen – wir werden sehen, wie es weitergeht. Aber gäbe es allenfalls Varianten?
Heute wird im ambulanten Bereich jeder einzelne Behandlungsschritt einzeln vergütet. Das ist in etwa so als würde ein Restaurant nicht mehr die Preise für ein Gericht ins Menü schreiben, sondern Ihnen für Ihr gewähltes Essen eine individuelle Zutatenliste präsentieren und für jede Zutat einen eigenen Preis erheben. Logisch, würden Sie immer noch ein bisschen Peterli obendrauf gestreut bekommen.
In der Medizin kann das Ganze dann so aussehen: Sie sind in den Ferien und kriegen plötzlich heftige Rückenschmerzen. Eine Untersuchung und ein Röntgenbild in der ortsansässigen Arztpraxis zeigen, es wohl «bloss» die Hexe war, die geschossen hat. Neben einem Rezept bekommen sie den Auftrag, sich beim Hausarzt zu melden. Besitzt die Hausarztpraxis nun auch ein Röntgengerät, stehen die Chancen gut bzw. ist das Risiko gross, dass Ihnen nochmals zu einem Röntgenbild geraten wird. Nur um «sicher» zu gehen. Die Frage ist: Was braucht es wirklich? Was ist zu viel? Wie sollen wir Patienten das beurteilen können?
Wie würde die Sache aussehen, wenn der Arzt – statt jeder einzelnen Leistung – ein Jahresbudget vergütet bekäme, dass sich z.B. an der Anzahl, dem Alter seiner Patienten und natürlich seinem Fachgebiet festmacht? Bräuchte er am Schluss des Jahres mehr, wäre das problemlos möglich, müsste aber belegt werden. Also keine Rationierung – aber eine Erklärungspflicht – und wenn die Erklärung nicht überzeugt, angemessene Konsequenzen. In Zeiten der Digitalisierung sollte dies keine grosse Sache mehr sein. Jedenfalls müssten wir uns so keine Sorgen mehr machen, ob das Röntgenbild tatsächlich nötig ist oder nicht. Der finanzielle Anreiz zu «mehr als nötig» wäre nämlich weg – gut für den Patienten (zu viele Strahlen sind ja auch nicht gerade gesund) und gut für die Krankenkassenprämien.
Ein anderes Beispiel für eine Dr. Jekyll - Mr. Hyde-Konstellation: Wenn Menschen Prämienverbilligungen erhalten müssen, dann bezahlen dafür Bund und Kantone. Der Anteil des Bunds ist fix vorgegeben. Die Kantone hingegen sind weitestgehend frei in der Wahl ihrer Beiträge. Diese Freiheit wird immer mehr genutzt. Je nach Kanton erhalten die Berechtigten höhere oder tiefere Prämienverbilligungen. Viele Kantone halten den Geldbeutel zu, wollen sparen statt der wachsenden Zahl Prämienverbilligungs- Berechtigter Rechnung zu tragen. Und dann haben sie noch diese zweite, ganz anders gelagerte Rolle: Kantone sind häufig Eigentümer der Spitäler und genehmigen deren Tarife. Hier nun das Jekell - Hyde Dilemma: Als Eigentümer wollen sie Gewinne sehen, also möglichst viele, teure Behandlungen. Als Financiers hingegen halten sie den Geldbeutel möglichst zu, tiefe Gesundheitskosten für die Kantone sind das Ziel.
Geld ausgeben für die Versicherten des eigenen Kantons ist also freiwillig und Geld einnehmen ist über die Tarifgenehmigungen steuerbar – klingt das ausgewogen? Eben. Hier muss eine glasklare Regel her, die die Interessenlage ändert.
Sie sehen, es gibt wirklich viele Sachen, die nicht so laufen wie sie sollten und nicht wenige Dinge, für die man klare Verhältnisse schaffen muss. Wir haben weder die Zeit noch das Geld um auf weitere «wäre schön, wenn»-Regeln zu setzen. Das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert, warum sollte es das in der Zukunft? Wir müssen dafür sorgen, dass die knappe Ressource Geld einzig in die Behandlungsqualität fliesst und nicht in den vielen Lecks des Systems versickert. Aus meiner Sicht ist das der einzige Weg, der uns langfristig unser hohes Niveau im Gesundheitswesen sichern kann.