Kolumne von Stefan Meierhans
«GITA» heisst das Ei des Kolumbus

Wir sollen ein einfaches, faires und nachvollziehbares Tarifsystem im ÖV bekommen. Das Projekt dazu wurde 2020 gestartet. Wo stehen wir heute, fragt der Preisüberwacher.
Publiziert: 18.10.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2021 um 17:25 Uhr
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Stefan MeierhansPreisüberwacher

Vor zwei Wochen schlug das ÖV-Tarif-Wirrwarr in dieser Zeitung hohe Wellen. Eine schier endlose Kette von Beispielen ärgern die ÖV- Nutzerinnen und -Nutzer täglich; einige bleiben dem ÖV deshalb fern. Andere kaufen aus Angst, etwas falsch zu machen, ein GA. Wieder andere machen «den Doktor» und optimieren ihre Ausgaben, indem sie die zahlreichen Systemunzulänglichkeiten zu ihrem Vorteil nutzen. So weit, so bekannt.

Weniger bekannt ist, dass die Lösung des Problems eigentlich in Arbeit ist: Der Bundesrat will, dass «ein einfaches, faires, nachvollziehbares und sowohl für die ÖV-Kundschaft als auch für die Steuerzahlenden kostengünstiges Tarif- und Distributionssystem zur Verfügung gestellt wird». Um diesen Auftrag zu erfüllen, wurde 2020 das Projekt «Grobkonzept integriertes Tarifsystem» (GITA) aufgegleist. Sein Ziel: Den Bundesratsauftrag bis 2025 umsetzen. Dafür sitzen unter anderen die 18 Tarifverbünde- und Verkehrsverbünde, die SBB und andere Branchenvertreter einem Tisch und suchen nach einer Lösung. Das Grobkonzept sollte gemäss Plan im November 2021 vorliegen und als Grundlage für die darauffolgende Detailplanung und das Umsetzungskonzept dienen.

Werden wir ein Tarifsystem bekommen, das auf gefahrenen Kilometern basiert? Oder eins, das Zonen als Basis hat, oder wird es etwas ganz anderes, wie z. B. ein Luftlinientarifsystem, bei dem unabhängig vom gewählten Reiseweg die Luftlinienentfernung zwischen Start und Ziel der Reise die Tarifgrundlage ist? Alles liegt im Dunkeln – obwohl es nur noch zwei Wochen bis November sind.

Ehrlich gesagt: Ich habe Zweifel, dass wir in den nächsten Tagen die Zukunft des ÖV-Tarifsystems präsentiert bekommen. Die Gärtlipflege und -Verteidigung der Projekt-Beteiligten schafft ein Korsett, das kaum Luft für Neues lässt. Die Projektteammitglieder haben logischerweise Eigeninteressen – und das über 20 Mal (Verbünde plus SBB und andere Player). In einer solchen Konstellation ist es schwierig, ein Projektziel zu erreichen, das womöglich viele grosse Veränderungen abverlangt. Deshalb stellt sich die Frage, ob man mit einer solchen Projektorganisation in der vorgegebenen Zeit (bis 2025) zum Ziel kommen kann. Wenn wir das Ei des Kolumbus in diesem Jahr nicht mehr sehen, wäre ich klar der Meinung, dass jemand auf den Kutschbock steigen und die Zügel in die Hand nehmen sollte, um dieses wichtige Projekt sicher ins Ziel zu führen.

Aber vielleicht werde ich ja positiv überrascht? Wir werden sehen.

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