Neulich hat mir ein Patient geschrieben, der sich über das Verhalten einer Versandapotheke ärgert. Aus seiner Sicht muss er (seine Krankenversicherung) überrissene Preise zahlen. Was war passiert?
Der Herr muss ein Medikament einnehmen, das für seine Krankheit wirksam, aber nicht zugelassen ist. Man nennt das Off-Label-Anwendung. Diese Off-Label-Anwendungen sind gar nicht so ungewöhnlich, es gibt sie immer wieder. Der Herr muss täglich zwei Tabletten einnehmen, verschrieben von seinem Arzt und bezahlt von der Krankenkasse. Die Packung enthält aber nur eine einzige Tablette. Er braucht also täglich zwei Packungen. (Die Packungsgrösse ist keine Schikane, sondern wurde so genehmigt, weil die «normale» Behandlung nur sehr wenige Tabletten erfordert.) Der Herr hat 60 Tabletten aufs Mal bestellt, was für ihn für einen Monat reicht. Also werden ihm 60 Packungen von der Apotheke geschickt. Wo ist – neben dem Verpackungsmüll – das Problem?
Das Problem ist der Preis zu Lasten unserer obligatorischen Grundversicherung.
Der Grundpreis (Fabrikabgabepreis) des Medikaments selbst beträgt pro Packung knapp 6 Franken, das heisst insgesamt rund 350 Franken. Hinzu kommt jedoch der Vertriebsanteil, bestehend aus Vertriebsmarge plus Packungszuschlag. Die Preise für den Vertriebsanteil sind detailliert in einer Verordnung geregelt. Die Höhe ist vom Grundpreis des Medikaments abhängig und recht grosszügig bemessen. Ist der Grundpreis beispielsweise 6 Franken, dann kann die Apotheke eine 12-Prozent-Vertriebsmarge und einen Packungszuschlag von 8 Franken auf den Preis aufschlagen, was gesamthaft 8.72 Franken ergibt. In der Apotheke bezahlen Sie dann insgesamt stolze 15.10 Franken (inkl. 2,5 Prozent Mehrwertsteuer).
Nun können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn jemand 60 Packungen des gleichen Medikaments braucht. Richtig, der Packungszuschlag darf 60 Mal verrechnet werden. Zwar hätte es der Apotheke freigestanden, ihn zu reduzieren, aber das wollte sie nicht. Die dahingehende Bitte des Patienten wurde jedenfalls abgewiesen unter Hinweis auf die geltende Leistungsverordnung. Folglich musste die obligatorische Grundversicherung des Patienten rund 520 Franken allein für den Vertriebsanteil zahlen. Hätte es eine 60er-Packung des Medikaments gegeben oder wäre die Berechnung des Vertriebsanteils auf Basis der gesamthaft bezogenen Packungen erfolgt, wären es nur knapp 60 Franken gewesen, das heisst fast neunmal weniger!
Gut zu wissen: Die Apotheke hätte sehr wohl die Möglichkeit gehabt, den Vertriebsanteil zu reduzieren, denn die in der Verordnung angegebenen Preise sind Maximalpreise.
Man muss natürlich sagen, dass dieses Beispiel nicht der Normalfall ist. Es zeigt jedoch sehr deutlich die bestehenden Probleme und dass die Spielräume in Regulierungen zugunsten des Unternehmensergebnisses genutzt werden. Deshalb sollten der Mechanismus und die Höhe des Vertriebsanteils von Medikamenten dringend überarbeitet werden. Denn auch wenn dies ein spezieller Fall ist, bei der Vertriebsmarge gibt es diverses Verbesserungspotenzial. In diesem Bereich können und sollen Fehlanreize reduziert und Kosten zugunsten der obligatorischen Grundversicherung gespart werden. Ich werde mich dafür einsetzen.