Kolumne von Stefan Meierhans
Am Markt vorbei testen?

Der ÖV-Tarifverbund A-Welle startet einen Pilotversuch in Sachen digitales Abonnement. Leider kommt es mit einem satten Preisaufschlag und nicht gerade vorteilhaften Konditionen. Der Preisüberwacher fragt sich: Kann man so herausfinden, was die Leute davon halten?
Publiziert: 06.09.2021 um 15:30 Uhr
Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Foto: Keystone
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Die Geschichte zeigt, dass gewisse Meilensteine ein reines Zufallsprodukt sind. So spielte bei der Entdeckung des Penicillins oder der Mikrowelle die glückliche Fügung eine wichtige Rolle. Es gibt aber auch das Gegenteil. Bei manchen Entwicklungen dauert es erstaunlich lange, obwohl die Kundenbedürfnisse offensichtlich sind und die Technik verfügbar wäre. Ein Beispiel: Ich weible ja schon lange dafür, dass man die Möglichkeiten der Technik endlich auch im ÖV nutzen soll, um auf die geänderten Kundenbedürfnisse einzugehen. Ganz oben auf meiner Wunschliste stehen flexible, digitale Abonnemente, bei denen Preisobergrenzen einbezogen sind.

Lange stiess ich mit diesem Ansinnen in der Branche auf taube Ohren. Aber nun kommt eine gewisse Bewegung in die Sache: Der Tarifverbund A-Welle startet ein Pilotprojekt. Die Teilnehmer sollen ganz normal Billette über die Fairtiq-App kaufen. Die Billette werden verrechnet. Wenn sie am Ende des Kalendermonats eine Preisgrenze erreichen, dann ergibt die Differenz zwischen der Preisgrenze und dem, was man bereits gezahlt hat, eine Gutschrift. Diese muss innerhalb eines Jahres aufgebraucht werden.

Die Gutschrift für künftige Nutzungen ist zwar nur bedingt kundenfreundlich, aber ein richtiger Pferdefuss ist die Tatsache, dass die monatliche Preisgrenze um zehn Prozent höher liegt als bei einem normalen Monatsabonnement. Was soll das?! Glaubt man wirklich, dass die Leute aus Spass an der Technik bereit sind, monatlich zehn Prozent mehr für die gleiche Leistung zu bezahlen? Welche Schlussfolgerungen kann man unter solchen Bedingungen aus diesem Pilotversuch ziehen? Bestenfalls wahrscheinlich, dass die Leute, die regelmässig viel fahren, bereit sind, einen Preisaufschlag für die Nutzung der App zu akzeptieren, um teuer gegen eine unvorhergesehene ÖV-Nutzung abgesichert zu sein. Das ist sehr schade. Hier wird die Chance vergeben herauszufinden, wie viele (potenzielle) Kunden flexible, digitale Abonnemente tatsächlich nutzen würden.

Ein wirklich innovativer Pilot hätte meiner Meinung nach mindestens gleich lange Spiesse für die Preisgrenze gebraucht. Schön wäre auch gewesen, wenn man statt der starren Zonentarife beispielsweise Luftlinientarife getestet hätte. Das wäre ein fairer Tarif, der sich an der tatsächlichen Nutzung orientiert. Die technische Umsetzung wäre ohne Probleme machbar, da eh jede Fahrt Haltestellen-genau erfasst und automatisch abgerechnet wird.

So wenig mich der A-Welle-Pilotversuch begeistert, so sehr bin ich erfreut über die neuen digitalen (Probe-)Wahlabonnemente des Mobilis- und des Frimobil-Tarifverbundes. Hier wird dem Kundenbedürfnis nach mehr Flexibilität tatsächlich Rechnung getragen. Das digitale Abonnement funktioniert ganz einfach: Es ist ein Jahresabonnement, das für durchschnittlich zwei Tage (104 Nutzungstage) oder drei Tage (156 Nutzungstage) pro Woche aktiviert werden kann. Die Aktivierung erfolgt unkompliziert bis spätestens am Tag, an dem man es nutzen will. Ändern oder stornieren geht problemlos bis 23.59 Uhr des Vortages. Ein grosses Bravo von mir! Ich denke, mit diesem Angebot wird man herausfinden können, wie gross dieses Kundenbedürfnis ist. Ich wäre nicht erstaunt, wenn es sogar schon in der Probezeit gelänge, wieder mehr Kundinnen und Kunden für den ÖV zu begeistern. Das wäre gut für die Umwelt und ein echter Beitrag dazu, die Preise im ÖV stabil zu halten.

Ich freue mich auf weitere wirklich innovative Ideen und vor allem auf eine rasche Umsetzung – es gibt viele leere Plätze zu füllen.

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