Wer zu viel am Kühlschrank ist statt an Calls, auf dem Sofa statt auf Sharepoint oder auf Instagram statt Excel, hat vielleicht bald ein Problem. Denn möglicherweise weiss Ihre Chefin das alles. Rund ein Drittel der Angestellten in der Schweiz erledigen ihren Job derzeit von zu Hause aus, weitere 20 Prozent teilweise. Abermillionen sind es weltweit. Noch während wir uns über die neue Freiheit der Heimarbeit freuen, läuten Firmen ein neues Zeitalter der Unfreiheit ein. Warum reden alle nur über die Corona-Tracing-App? Der digitale Spion sitzt vielleicht schon mit im Homeoffice.
Sie heissen Hubstaff, InterGuard, Teramind, Seek, ActivTrak oder Time Doctor: Spionage-Programme, die Mitarbeiter und ihr Schaffen kontrollieren. Sie sollen vermeintliche Faulenzer aufspüren. Seit dem Corona-Stillstand sind sie gesucht wie noch nie. Verdreifacht hat sich die Nachfrage beispielsweise nach Hubstaff. Das Programm fotografiert alle paar Minuten unseren Bildschirm und koppelt gerne auch GPS-Daten, die dann melden, wenn ich die Weinhandlung besuche. Auch Seek knipst alle fünf Minuten ein Bild vom Heimarbeiter. American Express bis hin zu Lego sollen laut «Business Insider» die Software für sich entdeckt haben.
Spione auch im Büro
Also lieber zurück ins Büro? Gut möglich, dass es im Stillstand technisch hochgerüstet worden ist. Unter dem Vorwand Gesundheit testen grosse Firmen neue Überwachungsspielzeuge. Die Siemens-Tochter Enlighted bietet Sensoren an, die Mitarbeiter-Badges überwachen. Vordergründig, um zu verhindern, dass man sich zu nahekommt – hintergründig weiss die Firma jederzeit, wer, wo, auf welcher Etage mit wem zusammengetroffen ist. Der Wirtschaftsprüfer PWC nutzt eine App, welche die WiFi-Signale der Mitarbeiter-Handys verfolgt. Bisher erst in Shanghai, weitere Büros könnten folgen.
Spionage-Software war schon vor Corona im Einsatz. Gerade auch Schweizer Banken kontrollieren ihre Mitarbeiter teils minuziös. Offiziell zur Bekämpfung der Finanzkriminalität. Organisationen wie Algorithm Watch oder Netzpolitik.org schlagen jetzt Alarm. Sie setzen sich für digitale Freiheitsrechte der Mitarbeiter ein. Oft bewegt sich die Überwachung in einer Grauzone. Solange Arbeitgeber ihre Leute informieren, ist vieles erlaubt.
Ein Thema für Gewerkschaften
Mitarbeiter erlauben den Firmen oft mehr, als sie müssten – sie merken gar nicht, wie sehr ihnen auf die Finger geschaut wird. Jetzt, wo so viele Jobs auf dem Spiel stehen, wird sich kaum jemand wehren. Gewerkschaften und Personalverbände müssen spätestens seit Corona die Prioritäten neu setzen: auf die digitale Überwachung der Beschäftigten. #aufbruch
* Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.