KOF-Direktor zum Börsenbeben
«Unsicherheiten führen an der Börse gern zu einer Überreaktion»

Die Börse bebt. Doch wie schlimm steht es um die Realwirtschaft? KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm ordnet im Interview ein.
Publiziert: 05.08.2024 um 17:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2024 um 17:32 Uhr
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Die Börsen spielen weltweit verrückt. Bei japanischen Firmen fällt der Absturz besonders heftig aus.
Foto: Keystone
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Es war die eine schlechte Nachricht zu viel: Der Jobmotor in den USA ist im Juli ins Stocken geraten und schickt die Börsen weltweit auf Talfahrt. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen fiel um ein Drittel tiefer aus als erwartet. Das Rezessionsgespenst geistert herum. Und schwächelt die grösste Volkswirtschaft der Welt, hat das auch für die Schweizer Wirtschaft unmittelbare Folgen. Jan-Egbert Sturm (55), Direktor der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, ordnet ein.

Blick: Die Wirtschaft in den USA hat deutlich abgekühlt. Nun die schwachen Arbeitsmarktdaten. Wie gross ist die Gefahr einer Rezession in den USA?
Jan Egbert Sturm: Die US-Konjunktur hat lange Zeit positiv überrascht, das hat jetzt seit Kurzem gedreht. Die etwas schlechteren Arbeitsmarktzahlen sind aber noch kein Grund, direkt schwarzzumalen. Es ist noch zu früh, von einer drohenden Rezession in den USA zu sprechen.

Wird die US-Notenbank Fed die Wirtschaft nun mit einer Zinssenkung ankurbeln?
Die Chance auf eine Zinssenkung ist sicher gestiegen. Die Fed hat zugewartet, damit sie ihre Körner im Kampf gegen die Inflation nicht zu früh verschiesst. Die schlechteren Wirtschaftsdaten erhöhen jetzt ihren Spielraum, die Zinsen deutlicher zu senken.

Die Gefahr einer Eskalation im Nahen Osten setzt den Kursen an der Börse ebenfalls zu.
Solche Unsicherheiten führen an der Börse gern zu einer Überreaktion. Das gilt auch in die andere Richtung, wenn die Kurse bei positiven Neuigkeiten oft sehr stark nach oben gehen. Das dürfte sich wieder einpendeln, falls nicht noch mehr negative Impulse dazukommen. Jetzt müssen wir abwarten, ob die Kurstaucher der Märkte anhand der wirtschaftlichen Entwicklung gerechtfertigt waren oder ob sie überreagiert haben.

Die USA sind der wichtigste Exportmarkt der Schweiz. Was sind die Folgen für die Schweizer Firmen?
Bei den Schweizer Exportfirmen befinden sich schon länger in einer Durststrecke und hoffen auf eine Erholung. Zuletzt sind wieder kleine Hoffnungsschimmer aufgetaucht. Die aktuelle Entwicklung ist wieder ein leichter Rückschlag. Wir sind davon ausgegangen, dass in der zweiten Jahreshälfte eine Art Normalisierung einsetzt. Bleibt diese aus, werden die Probleme in der Industrie zunehmen.

Besteht in der Schweiz Grund zur Sorge?
Die Schweizer Wirtschaft zeigt sich einmal mehr widerstandsfähig. Die Exportindustrie leidet, aber die Bauwirtschaft läuft relativ rund, der Dienstleistungssektor steht im Allgemeinen gut da. Und der stabile Privatkonsum trägt zu einer stabilen Binnenwirtschaft bei.

Die Schweizer Luxusgüterhersteller leiden unter der schlechten Konsumstimmung in der chinesischen Bevölkerung. Nun vergeht auch den US-Amerikanern die Lust aufs Shoppen. Rechnen Sie damit, dass die Kauflaune bald zurückkehrt?
Die grosse Inflationswelle liegt hinter uns. Steigt die Inflation überraschend stark an, wird dies in der Regel nicht direkt über die Löhne kompensiert. Mit den tieferen Teuerungsraten sollte es bei den Lohnabschlüssen wieder zu Reallohnanstiegen kommen. Ich gehe also davon aus, dass sich die Konsumstimmung normalisiert.

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