Knatsch um Frauenlöhne
«Die Zahlen vom Bundesamt sind falsch!»

Werden Frauen in der Industrie bei der Lohnbemessung diskriminiert? Das Bundesamt für Statistik behauptet: Ja. Der Verband Swissmem sagt: Unsinn.
Publiziert: 30.08.2015 um 21:51 Uhr
|
Aktualisiert: 08.10.2018 um 12:45 Uhr
Schwere Vorwürfe gegendas Bundesamt: Swissmem-Lohnspezialistin Kareen Vaisbrot.
Foto: Joseph Khakshouri
Von Guido Schätti

Die Frauen sind mal wieder die Gelackmeierten. In der Maschinenindustrie verdienen sie angeblich 972 Franken weniger pro Monat als Männer – obwohl sie gleich gut qualifiziert und gleich lange im Job sind. Das ist das Resultat einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS).

Knapp die Hälfte des Lohnunterschieds von 25 Prozent führen die Statistiker des Bundes auf Diskriminierung zurück: 10,5 Prozent der Lohndifferenz zwischen Frau und Mann seien «nicht erklärbar».

Fragt sich nur, für wen. Aufgeschreckt durch die ständigen Horrormeldungen aus der BFS-Zentrale in Neuenburg führt der Industrieverband Swissmem schon seit elf Jahren eigene Lohnstudien durch. Die beauftragte Firma Landolt & Mächler Consultants vergleicht jährlich knapp 90'000 Löhne von 300 Firmen. Resultat: Die nicht erklärbare Lohndifferenz beträgt gerade mal 2,0 Prozent.

Damit liegen die Swissmem-Mitglieder deutlich unter derToleranzgrenze, welche das Eidgenössische Gleichstellungsbüro bei fünf Prozent festgelegt hat. «Das zeigt, dass Frauenbei uns nicht diskriminiertwerden», sagt Swissmem-Geschäftsleitungsmitglied Kareen Vaisbrot (37).

Das BFS arbeite mit einer viel zu groben Methode, kritisiert die Juristin. Tatsächlich lassen die staatlichen Zahlenstapler Faktoren wie Erwerbsunterbrüche, berufliche Erfahrung, Sprachkenntnisse oder Weiterbildungen links liegen. «Das ist fahrlässig», kritisiert Vaisbrot. «Es ist doch völlig logisch, dass Weiterbildungen und die berufliche Erfahrung einen Einfluss auf den Lohn haben.»

Was sie besonders sauer macht: Der Industriesektor leidet unter Fachkräftemangel und bemüht sich, mehr Frauen zu gewinnen. Kommt dazu, dass der Bund die Firmen nach der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative dazu anhält, mehr inländische Frauen einzustellen, statt im Ausland zu rekrutieren. «Mit seinen ungenügenden Erhebungen macht das BFS unsere Anstrengungen zunichte», sagt Vaisbrot.

Die Industrie ist kein Einzelfall. Banken und Versicherungen sollen ihre weiblichen Angestellten gemäss BFS sogar um 1089 Franken monatlich prellen. Auch dort kommen brancheneigene Untersuchungen zu komplett anderen Resultaten. Eine aufwendige Untersuchung bei der Zürcher Kantonalbank  förderte 2013 eine Differenz von 2,6 Prozent zutage.

Das BFS verteidigt seine Methode: Die Analysen entsprächen den «heutigen internationalen Standards», das angewandte Modell «dem heutigen Stand des Wissens», so BFS-Sprecher Marius Widmer.

Gleichzeitig gibt die Behörde zu, dass die Erhebungen lückenhaft seien. Variablen wie Weiterbildung oder Sprachkenntnisse seien jedoch schwierig, zu messen. Sie zu erheben, würde einen Mehraufwand für die Unternehmen bedeuten.

Gleichwohl seien die Erhebungen seriös: «Die heutigen Zahlen dienen als zuverlässige, vergleichbare und neutrale Basis für wichtige Entscheide von Wirtschaft und Politik», so Widmer.

Das lässt Schlimmes befürchten: Trotz mangelhafter Daten will der Bund den Unternehmen eine Lohnpolizei auf den Hals hetzen. Justizministerin Simonetta Sommaruga (55) hat diese bereits angekündigt. Für Vaisbrot ein Affront: «Lohngleichheit ist für uns absolut zentral. Unsere Anstrengungen werden vom Bund aber einfach ignoriert.»

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.