Foto: Sergei Savostyanov/TASS

Knallharter Streit vor dem heutigen Showdown
Machtkampf zweier Milliardäre um Schmolz + Bickenbach

Um die Rettung des schlingernden Innerschweizer Stahlkonzerns Schmolz + Bickenbach ist ein heftiger Streit unter Grossaktionären entbrannt. Es geht um Milliardäre, Macht, Geld – und vor allem Tausende Jobs. BLICK tickert live von der GV.
Publiziert: 01.12.2019 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2019 um 17:54 Uhr
Alder kann wieder lachen: Der Verwaltungsratspräsident wirkte nach der GV gelöst.
Foto: Keystone
Christian Kolbe, Julia Fritsche

Bei den Stahlkochern von Schmolz + Bickenbach (S+B) in Emmenbrücke LU brodelt es heftig. Heute Montag kommt es an einer ausserordentlichen Generalversammlung (GV) zum Showdown. Vordergründig geht es um eine Kapitalerhöhung, tatsächlich aber um Macht von Milliardären.

Darum nämlich, wer künftig das Sagen hat in einem Industriekonzern mit über 10'000 Mitarbeitenden auf der ganzen Welt.

Das Problem von S+B: Die Krise der Autoindustrie trifft auch die Zulieferer. Dem Produzenten von Spezialstahl brechen damit die Aufträge weg. Zudem hat sich der Konzern beim Kauf von Stahlwerken im Ausland stark verschuldet. Bis Januar verfüge der Konzern noch über genügend Liquidität, sagt ein S+B-Sprecher. Für den Dezember seien die Löhne gesichert. In der Schweiz stehen in Emmenbrücke und Luzern 800 Jobs auf dem Spiel.

S+B braucht Millionen. Wie viele und wie schnell, darüber ist unter zwei Milliardären und Grossaktionären ein heftiger Streit entbrannt.

Rettung unter einer Bedingung

Einer der beiden ist die Liwet Holding mit einem Anteil von 27 Prozent der Aktien. Wichtigster Liwet-Eigner ist der in der Schweiz wohlbekannte russische Oligarch und Investor Viktor Vekselberg (62).

Der andere ist Martin Haefner (66), auch kein Unbekannter. Er ist Miteigentümer und Lenker des VW-Generalimporteurs Amag. Haefner hält im Moment 17,5 Prozent der Aktien des Stahlriesen. Er ist bereit, 325 Millionen Franken in das angezählte Unternehmen zu investieren. Nicht nur jetzt, sondern auch in ein paar Jahren – etwa um eine Übernahme oder eine Kooperation zu ermöglichen, wie er in der «NZZ am Sonntag» sagt. Vekselberg sei ein «Phantom»: «Niemand weiss, wer er ist.»

Haefners Ziel: Durch die Finanzspritze und die Kapitalerhöhung will er mindestens 37,5 Prozent der Aktien kontrollieren. Einzige Bedingung: Er möchte den anderen Aktionären kein Übernahmeangebot machen müssen. Das wäre Pflicht für jeden, der plötzlich mehr als ein Drittel einer Firma kontrolliert.

Aufschrei in der Öffentlichkeit

Doch die Übernahmekommission (UEK) durchkreuzte die Pläne Haefners, lehnte sein Gesuch ab. Der Aufschrei in der Schweiz war gross, von einem «krassen Fehlentscheid» war die Rede. Angefangen bei der Konzernleitung von S+B über die Luzerner Regierung – letzten Mittwoch telefonierte Regierungspräsident Paul Winiker (63) mit Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) – bis hin zu Swissmem, dem Dachverband der Schweizer Maschinenindustrie, hagelte es Kritik. Alle warnten vor dem unmittelbar bevorstehenden Konkurs des Unternehmens, sollte es an der ausserordentlichen GV am Montag keine Finanzspritze geben.

Etwas nüchterner betrachtet Philipp Gamper (56), Aktienanalyst bei der Zürcher Kantonalbank, die Krisenstimmung vor dem Showdown: «Die Lage ist nicht ganz so dramatisch, wie sie von einer Seite dargestellt wird. Auch eine tiefere Kapitalerhöhung würde der Firma schon sehr helfen.» Die Firma wäre laut Gamper «nicht gleich am nächsten Tag pleite, selbst wenn die Kapitalerhöhung Anfang Dezember nicht zustande kommt».

Einen solchen «Geheimplan» hat Investor Vekselberg ausgearbeitet, den er als Antrag heute an der Generalversammlung einbringen will. Demnach soll es eine Kapitalerhöhung von lediglich 200 Millionen Franken geben, schreibt die «SonntagsZeitung».

Es geht um Geld und Macht

Vekselberg und Liwet fürchten um ihren Einfluss bei S+B, sehen die Lage allerdings ebenfalls weniger dramatisch. Konkret: Eine Kapitalerhöhung soll so ausgestaltet werden, dass es zu keinem Machtwechsel beim Stahlriesen kommt, also Liwet weiterhin der grösste Aktionär bliebe. Daran würde sich Liwet durchaus beteiligen. Mehr Zeit und weniger Geld, um den Konzern zu sanieren, so der Plan des Grossaktionärs.

Um den eigenen Argumenten nochmals Nachdruck zu verleihen, schaltete Liwet in den Sonntagsmedien ganzseitige Inserate und spricht darin Amag-Eigner Haefner direkt an. «Sehr geehrter Herr Haefner, statt Drohungen wünschen wir uns Fakten», steht dort beispielsweise. Man stehe bereit, «die 10'000 Arbeitsplätze zu retten».

Statt Lichterlöschen beim Stahlkocher ein gemeinsamer Deal der beiden Milliardäre? Vermutlich aber hat Liwet mit dem offenen Brief noch mehr Öl ins Feuer gegossen, das vor der ausserordentlichen Generalversammlung am Montag bei S+B sowieso schon lodert.

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