Knall bei Nestlé
Die Gründe hinter dem Blitz-Abgang des Nestlé-Bosses

Nestlé-CEO Mark Schneider wird quasi über Nacht durch Laurent Freixe ersetzt. Der Zeitpunkt überrascht. Doch Schneider hat es verpasst, den Nestlé-Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Analysten ordnen ein.
Publiziert: 23.08.2024 um 13:29 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2024 um 14:36 Uhr
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Nestlé hat in einem für das Unternehmen aussergewöhnlichen Vorgang den CEO abrupt ersetzt.
Foto: AFP
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Knall beim Nahrungsmittelriesen Nestlé: CEO Mark Schneider (58) wird nach knapp acht Jahren abgesetzt. An seine Stelle tritt das Nestlé-Urgestein Laurent Freixe (62), der seit 38 Jahren im Unternehmen tätig ist.

Vom Timing her kam der CEO-Wechsel überraschend. «Ein Wechsel im kommenden Jahr wäre wahrscheinlicher gewesen, und in der Historie von Nestlé sind derartige abrupte Änderungen auf Top-Niveau nicht verzeichnet», sagt etwa Jean-Philippe Bertschy (54), Leiter Research bei Vontobel.

Mit Blick auf den Leistungsausweis überrascht der Blitzabgang schon weniger: «Mark Schneider war angezählt», erklärt Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler (49). Trotz anfänglicher Erfolge im Geschäft mit Nahrungsergänzungsmittel habe das organische Wachstum – etwa im Vergleich zu Mitbewerbern wie Unilever oder Danone – bei Nestlé zuletzt enttäuscht.

Zudem gab es «in puncto Portfoliobereinigungen keine weiteren Fortschritte». Schneider mistete zwar aus und verkaufte den Dermatologie-Spezialisten Galderma, das Fleischwarenunternehmen Herta sowie das branchenfremde Lebensversicherungsgeschäft Gerber Life. Andere, wenig rentable Geschäftsfelder sind aber nach wie vor bei Nestlé. «Insbesondere das verbliebene Wassergeschäft belastet die Margen und das Wachstum», so Geissbühler. Ihm zufolge war Schneider zuletzt ein «Lame Duck». Heisst: Kaum mehr positiver Einfluss, und ein Abgang ist absehbar.

Schneider machte vieles richtig, aber ...

Bertschy sieht die Gründe für den Wechsel vor allem in den veränderten Rahmenbedingungen. Das Profil von Mark Schneider mit seinem Finanzhintergrund sei für Nestlé vor einigen Jahren von grossem Wert gewesen. Jetzt sei wieder vertieftes Wissen über Märkte, Marken, Produkte und Konsumenten gefragt: «Laurent Freixe ist ein Veteran, kennt Nestlé, den Sektor und die Märkte in- und auswendig.»

Auch Reto Lötscher (42), Finanzanalyst der Luzerner Kantonalbank, findet, Mark Schneider habe «vieles richtig gemacht». So habe der scheidende CEO das Produktportfolio von Nestlé auf margenstarke Produkte fokussiert. Allerdings konnte das von ihm vorangetriebene Gesundheitsgeschäft nicht die gewünschten Resultate liefern, und es gelang nicht, die Probleme zu beheben. «Zudem hat Nestlé in den vergangenen Jahren die Preise deutlich erhöht, was dazu geführt hat, dass Kunden nun vermehrt auf günstigere Produktalternativen ausgewichen sind», so Lötscher.

Kommunikative Patzer

Schneider unterliefen auch kommunikativ einige Fehler. Im Frühling sprach er von einer «positiven Geschäftsentwicklung» und einem «zunehmenden Momentum». Doch bei der Publikation der Halbjahreszahlen zeigte sich: Es gibt keine deutliche Verbesserung der Geschäftstätigkeiten. Das erhöhte den Druck der Investoren auf Mark Schneider – insbesondere aus den USA.

Diese Baustellen muss nun Nachfolger Freixe angehen. Geissbühler erwartet von ihm «eine klare Fokussierungsstrategie». Bertschy ergänzt: «Er muss sehr schnell den Markt überzeugen können, wie Nestlé das Umsatzwachstum wieder beschleunigen kann.» Lötscher wünscht, dass Freixe in einem schwierigen Konsumumfeld die Balance zwischen Preispolitik und Kundennachfrage findet. «Da er Teil der bestehenden Strategie war, wird er auch auf die Stärken von Nestlé bauen», so Lötscher. Dazu gehören das Kaffee- oder das Tiernahrungsgeschäft.

Anleger bleiben skeptisch

Die Nestlé-Aktie stand am Freitagmorgen vorbörslich unter Druck, da die Neuigkeiten die Anleger zunächst verunsichert haben. Dazu Lötscher: «Da Freixe die aktuelle Strategie mitgetragen hat, bleibt es fraglich, ob er diese grundlegend überarbeiten wird.» Der neue starke Mann muss beispielsweise entscheiden, was mit dem «nicht überzeugenden» Gesundheitsgeschäft geschieht.

Die negative Marktreaktion von heute hat gemäss Geissbühler damit zu tun, dass Freixe möglicherweise die mittelfristigen Unternehmensziele etwas nach unten anpassen könnte. «Dies wäre ein typisches Vorgehen eines neuen CEO, weil damit die Basis geschaffen wird, um in Zukunft positiv überraschen zu können», schliesst Geissbühler. Der nächste Investorentag Mitte November wird zeigen, ob Freixe die Anleger für sich gewinnen kann.

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