Letzten Donnerstag erfuhren die Angestellten vom Konkurs des Traditionsbecks Keller. Tags darauf machte ihn BLICK publik. Klaus Stahl (59), der letzte Chef in der 110-jährigen Firmengeschichte, war wie vom Erdboden verschwunden. Er blieb stumm. Das Einzige, was seine Mitarbeiter mitbekamen: Das Konkursamt Zürich-Höngg hatte die Türen der 14 Filialen verriegelt, die Nummernschilder der Lieferwagen abgeschraubt. Und sie hatten keinen Job mehr.
Gestern flossen ein wenig mehr Informationen. Am Nachmittag organisierte das Konkursamt für die rund 100 Betroffenen einen Anlass in den ehemaligen Produktionshallen in Regensdorf ZH. Die Stimmung: so garstig wie das regnerische Wetter. «Ich habe keine Ahnung, warum Stahl die Firma hat pleite gehen lassen», sagt Lieferwagen-Fahrer Ivo Josipovic (63) nach der Veranstaltung zu BLICK. «Ich würde es gerne von ihm hören.» Doch Stahl ist der grosse Abwesende. Stattdessen erklären Beamte den Bäckern und Verkäuferinnen, dass sie jetzt aufs RAV müssen.
Er machte Brezelkönig gross
BLICK machte Stahl ausfindig und erreichte ihn nach dem Anlass am Telefon. Warum verabschiedet er sich nicht von seinen Mitarbeitern? Warum stellt er sich nicht dem Frust der Mitarbeiter? «Ich habe mich mit der Konkursverwaltung abgesprochen. Wir wollten, dass alles so sachlich wie möglich bleibt. Da brauchte es mich nicht dazu», sagt Stahl.
Stattdessen kümmere er sich nun darum, dass der Konkurs anständig durchgeführt werde. Den Entlassenen bringt das nichts mehr. Ihr Ärger über den Konkurs kennt keine Grenzen.
Denn Stahl, der Deutsche mit Wohnsitz in Luzern, galt als Fachmann. Sein wichtigster Leistungsausweis: Er war Mitgründer und lange Jahre Geschäftsführer der erfolgreichen Brezelkönig-Stände.
Die Erben-Familie Keller verkaufte Stahl den Betrieb vor anderthalb Jahren wegen seines «bisherigen Erfolgsausweises und der Branchenerfahrung», wie sie in einer Stellungnahme schreibt.
«Für sie ist der Konkurs bedauerlich»
Hat Stahl den Beck-Karren an die Wand gefahren? «Die Zahlen waren schon in den fünf bis sechs Jahren vor dem Verkauf an mich nicht mehr gut.» Damit nimmt er die Erben-Familie Keller mit in die Pflicht. «Ich war überzeugt, dass ich das Ruder herumreissen kann.» Er habe das Sortiment gestrafft. «Doch es war schon zu spät.» Der heisse Sommer, der den Leuten den Appetit auf Brot genommen habe, sei der Genickschlag gewesen. Sein Fazit: «Ich hätte die Finger davon lassen sollen.»
Wie viel Geld er in den Sand gesetzt hat, will Stahl nicht sagen. Darben muss er nun kaum: Zwar ist er seit vier Jahren nicht mehr bei Brezelkönig im Boot. Dafür hat er noch sieben andere Firmen, unter anderem das Berghotel und Restaurant Chäserstatt in Ernen VS und eine Firma, bei der man in Waldstücke in der Dominikanischen Republik investieren kann.
Mit den Betroffenen bei Beck Keller fühlt Stahl mit, wie er im Gespräch betont: «Für sie ist der Konkurs bedauerlich.» Das Verkaufspersonal werde aber bestimmt wieder etwas finden, er habe das Interesse vieler Konkurrenten an den Filialen gespürt. Stahl: «Für die Mitarbeiter in der Produktion wird es dagegen schwierig.»