Kevin H.* (22) blättert im Samsung Galaxy S4 und schaut sich das Adressbuch an: «Karim», «My Girl» oder «Ricci» heissen ein paar Freunde.
Er liest SMS: «Wenn du einen Unfall hast, komm ins Tessin zum Kuren. Dann heilt es viel schneller.» Der Automechaniker aus der Region Solothurn kann auch E-Mails lesen. Oder Fotos und Videos anschauen.
Nur, das Handy gehört ihm gar nicht. Es ist ein ausgeliehenes Ersatzgerät. Sein Galaxy S5 ist in Reparatur. Die Daten stammen vom Vorbesitzer. «Ich kann es nicht glauben», sagt Kevin H. «Das darf doch nicht passieren, das ist eine grobe Verletzung des Datenschutzes.»
Kevin H. bekam das Ersatzhandy am 8. Juni im Mobilezone-Shop in Solothurn. Als er es daheim installiert, traut er seinen Augen nicht: Er hat Einblick in die persönlichsten Dinge im Leben des Vorbesitzers.
«Unfassbar, so etwas», sagt Kevin H., «ich erkenne sogar Leute auf den Fotos. Sie stammen aus der Region.» Das sei ein Skandal. Die fremden Daten auf dem Ersatzhandy müssten vorher komplett gelöscht werden.
«Was, wenn ich ein Gauner wäre?»
Er wolle nicht ungewollt damit konfrontiert werden. Und: «Was, wenn ich ein Gauner wäre? Ich könnte die Informationen und Daten missbrauchen.»
Bei der Mobilezone-Zentrale in Regensdorf ZH bestätigt man den Fall. «Zuerst einmal möchten wir uns in aller Form für die Umstände entschuldigen, die Herr H. wegen des Reparaturprozesses seines Gerätes hatte», sagt Gregor Vogt, Leiter Marketing und Kommunikation.
Man bedaure sehr, dass die Prüfung des Ersatzgeräts offensichtlich durch die verschiedenen Qualitätskontrollen gerutscht sei. Im Hinblick auf die Verkettung unglücklicher Umstände biete Mobilezone Kevin H. ein neues Samsung Galaxy S6 im Austausch für sein S5 an.
Der akzeptiert das Angebot: «Damit kann ich leben. Und mit einem Galaxy S6 mit 32 GB natürlich umso besser!»
Bleibt die Frage: Kann auch der Ersatzhandy-Vorbesitzer mit dem Datenpfusch leben? Kevin H. hat ihn weder kontaktiert noch seinen Namen verraten und das Ersatzhandy inzwischen an Mobilezone zurückgegeben.
Hat man dort den ahnungslosen Vorbesitzer kontaktiert? Marketingleiter Gregor Vogt sagt nur: «Bei der Ausgabe von Ersatzgeräten erfassen wir die detaillierten Kundendaten nicht.»