Keiner in Europa ist gestresster als wir Schweizer
Hoher Druck, schlechter Schlaf...aber guter Lohn

Keiner arbeitet in Europa so viel wie die Schweizer. Allerdings leiden viele Angestellte unter hohem Arbeitstempo und Zeitdruck. Die Gewerkschaften künden nun Widerstand an.
Publiziert: 22.05.2017 um 21:49 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:51 Uhr
Foto: Thinkstock
Bastian Heiniger

Angestellte verdienen in der Schweiz gut. Allerdings bezahlen sie dafür einen hohen Preis: lange Arbeitszeiten, hoher Druck. Das zeigt eine europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen, an der das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) teilgenommen hat.

Über 60 Prozent der Befragten geben an, dass sie mit hohem Arbeitstempo oder unter Termindruck arbeiten. Damit liegen sie zwar laut Seco im europäischen Durchschnitt. Allerdings haben sie mit 42 Stunden eine deutlich längere Arbeitswoche – der EU-Schnitt liegt bei 39 Stunden.

Schweizer Arbeitnehmer müssen zudem auch flexibler sein: Mit über 18 Prozent sind deutlich mehr Angestellte von kurzfristigen Änderungen der Arbeitszeiten betroffen als in der EU mit 12,5 Prozent. Im Vergleich zur Befragung von 2005 zeigt sich überdies, dass Mitwirkung und Selbstbestimmung abgenommen haben. So sank die Möglichkeit, eigene Ideen umzusetzen von 62 auf 49 Prozent. Und die Selbstbestimmung des Arbeitstempos von 73 auf 68 Prozent.

Ein Drittel fühlt sich erschöpft

Die starke Belastung schlägt auch aufs Gemüt: Ein Drittel der Arbeitnehmer fühlt sich am Feierabend meistens oder immer erschöpft. Dennoch beurteilen 89 Prozent ihren allgemeinen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut – in der EU sind es nur 80 Prozent. Mit 88 Prozent ist denn auch die Mehrheit mit den Arbeitsbedingungen zufrieden. 

Trotzdem schlagen die Gewerkschaften Alarm: Überlanges Arbeiten und fehlende Planbarkeit schadeten der Gesundheit, schreibt die Unia in einer Mitteilung. Sie werde sich mit allen Mitteln gegen die gesundheitsschädigenden Entwicklungen wehren.

Vorstösse wollen Arbeitszeiten liberalisieren

Damit spielt die Unia auf zwei Vorstösse an, welche die Arbeitszeiten liberalisieren wollen. CVP-Ständerat Konrad Graber (58) möchte die Jahresarbeitszeit einführen und FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (53) die Arbeitszeiterfassung abschaffen. Gelten sollen die neuen Bestimmungen für Kader und Fachspezialisten. Laut Gewerkschaften wären über 30 Prozent der Angestellten betroffen.

Widerstand hat nun auch der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse angekündigt: «Bereits jetzt werden durch die Arbeitnehmenden pro Jahr rund 200 Millionen Überstunden geleistet, welche zukünftig nicht einmal mehr in der Statistik auftauchen würden», sagt Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (36). Eine Verschlechterung der Arbeitszeiten würden sie vehement bekämpfen.

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