Keine Perspektive in Griechenland
Schweiz, ich komme!

Der griechische Banker Apostolos Tounas (36) sieht keine Zukunft mehr in seiner Heimat.
Publiziert: 02.07.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:16 Uhr
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Der Athener Banker Apostolos Tounas gehört zur verlorenen Generation Griechenlands.
Foto: Pascal Mora
Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos) aus Athen

Apostolos Tounas ist an diesem Mittwochmorgen spät unterwegs zur Arbeit. «Das ist heute nicht so wichtig.» Der griechische Banker trägt Jeans und ein kariertes Kurzarmhemd. Am Kiosk beim Parlament liest er die Zeitung. «Meine Bank ist ohnehin zu.»

Aber Tounas will arbeiten. Nicht in Griechenland, sondern in Zürich. «Ich suche einen Job bei einer Schweizer Bank», sagt er. «In Griechenland gibt es keine Perspektive mehr.»

Er ist müde, wie viele Griechen. Nebenbei nur verfolge er, was Europa und weltweit die Börsen in Atem hält – das stündliche Ringen der Regierung in Athen mit Gläubigern in Washington, Frankfurt, Brüssel.

Tounas gehört zur verlorenen Generation Griechenlands: gut ausgebildet, willig, hoffnungslos. 35'000 Euro jährlich verdient er bei der Attica Bank, der fünfgrössten des Landes. Sie sei schwach, bald werde sie geschluckt. Er dürfte seine Stelle zwar behalten. «Mein Lohn aber sinkt auf 12'000 Euro, im besten Fall auf 18'000.»

Er ist mit einer Professorin verheiratet. «Und doch haben wir zu wenig Geld für eine gute Bildung unserer zwei Söhne.»

Rechtzeitig traf gestern sein Gehalt auf dem Konto ein. Viel kann er damit nicht kaufen. Maximal 60 Euro darf er jeden Tag am Geldautomaten ziehen. Bald werde er zu Hause ohne Strom sein. Den kann er nur mit Bargeld bezahlen. Und davon habe er wie viele Athener zu wenig.

In der Schweiz möchte er mehr verdienen. Aber nicht nur. «Ich will endlich mein Können zeigen.» Wie preist er sich an? Er sei ein präziser Analyst, erkenne sofort, ob eine Bilanz frisiert, eine Firma kreditwürdig und ob sie gut geführt sei. «Das habe ich in Griechenland gelernt.»

Die meisten seiner Kommilitonen lebten längst in London oder New York. In Athen fanden sie keinen Job, der sie forderte. «Wir arbeiten immer nur für heute», sagt Tounas. Und: «Kein Politiker kann uns inspirieren.»

Nach Zürich ziehen will er im Herbst. Stellen sucht er mit seiner Frau im Internet. «Es hat einige.» Am liebsten ginge er zu einer Grossbank, doch allzu wählerisch ist er nicht. Eine mittlere oder eine Privatbank wäre ihm ebenfalls recht. «Hauptsache, es ist eine Bank in der Schweiz.»

Tounas steht für die Tragödie Griechenlands, für die Spirale, die das Land hinabreisst. Jedes neue Sparprogramm der EU würgt die Wirtschaft weiter ab. Bei 30 Prozent liegt landesweit die Arbeitslosigkeit. Sogar 60 Prozent der Menschen unter 34 Jahren haben keine Stelle.

Wer kann, der geht. Meist sind es jene, die etwas bewirken könnten, dies aber im Ausland tun.  «Ich habe es hier versucht, aber es ging nicht», sagt Tounas. «Klar werde ich Griechenland fehlen, aber was macht Griechenland denn für mich?»

Stimmt er am Sonntag ab? Sagt er «Ja» zu neuen Sparmassnahmen? Oder «Nein» – und somit Ja zum Euro-Ausstieg? «Diese Abstimmung ist bedeutungslos», so Tounas. «Die Politiker werden jedes Resultat so auslegen, dass sie ungestraft weiterwursteln können.»

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