Erst im März waren die Benzinpreise in der Schweiz über die psychologisch wichtige Marke von zwei Franken gesprungen. Über dieser notieren sie immer noch klar. Was das Benzin genau kostet, ist jedoch schwierig zu sagen. Die grossen Mineralölgesellschaften legen die Zapfsäulenpreise regional oder lokal fest.
Auch im Nachbarland Deutschland sind die Benzinpreise aktuell hoch. Dort gibt es einen landesweiten Tagesdurchschnitt. Am Dienstag dieser Woche kostete ein Liter der Sorte Super E10 1,990 Euro, Diesel 2,051 Euro.
«Tendenziell müssen wir uns in der Schweiz auf einen Literpreis von über zwei Franken einstellen», sagte Giovanni Staunovo, Rohstoff-Experte bei der UBS, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Das Hauptproblem sei, dass sich der Benzinpreis neben variablen auch aus mehreren fixen Komponenten zusammensetzt.
Rückgang der Investitionen in Ölförderung
«Die Mineral- oder die Mehrwertsteuer kann man zwar senken, wie das auch im Ausland passiert, aber die Frachtkosten, der Dollarwechselkurs sowie der Rohölpreis lassen sich kaum beeinflussen», erklärt Staunovo. Die Mineralölsteuer belaufe sich dabei auf ungefähr 73 Rappen pro Liter.
Neben dem Krieg gibt es auch noch weitere Treiber der Preisentwicklung. «Seit 2014 sehen wir einen massiven Rückgang der Investitionen in die Ölförderung, wobei die Nachfrage gleichzeitig steigt», so Staunovo. Mittlerweile sei die Nachfrage kurz vor dem Höchststand von 2019. «Das System ist also voll ausgelastet. Die Knappheit stützt also den Preis», sagte der Experte.
Nun hängt der zukünftige Benzinpreis davon ab, wie sich der Ukraine-Krieg entwickelt. «Der Preis von Rohöl der Sorte Brent soll sich in den nächsten 12 Monaten zwischen 105 und 125 Dollar pro Fass bewegen», meint Staunovo.
Am Donnerstag lag dieser gegen Mittag pro Barrel (159 Liter) bei 102.76 US-Dollar. Das waren 1,69 Dollar mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 1.57 Dollar auf 97.80 Dollar.
USA wollen Reserven verkaufen
Seit Beginn des Monats kam es am Ölmarkt mehrfach zu deutlichen Preisschwankungen. Am Mittwoch waren die Notierungen noch deutlich gefallen, nachdem der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter eine zusätzliche Freigabe aus der strategischen Ölreserve der Mitgliedsländer bestätigt hatte. Details sollen noch bekannt gegeben werden. Erst kürzlich hatten die USA mitgeteilt, einen erheblichen Teil ihrer Ölreserven auf den Markt zu geben.
Das Problem ist aber laut UBS-Experte Staunovo, dass es trotz dieser Massnahmen kaum Alternativen zu russischem Gas und Öl gibt. Russland decke 40 Prozent der Energienachfrage ab.
Zwar könne man beim Erdgas auf andere Länder wie Katar oder Norwegen zurückgreifen. Bundesrat Ueli Maurer hatte bereits im März erste Verhandlungen mit dem katarischen Energieminister Saad Sherida al-Kaabi aufgegleist. Ein kompletter Verzicht auf russisches Gas würde aber sehr teuer werden.
90 Prozent der Energie aus Erdöl
Ein Ölembargo gegen Russland würde die Preise noch einmal weiter in die Höhe treiben. Was auch die Schweiz bitter treffen würde. Gleichzeitig droht Russland selbst mit einem Exportstopp. Ein Ölembargo hätte weitere Preissteigerungen zur Folge, vor allem im Verkehr, wo über 90 Prozent der Energie aus Erdöl stammen, sagte CS-Makroökonomin Franziska Fischer auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
Die Folgen würden Haushalte an der Tankstelle spüren, aber auch alle Unternehmen, für die Transport wichtig ist. Fischer nannte als Beispiele den Handel oder viele Industriebranchen. Immerhin: Physisch sollte das Öl nicht knapp werden. (pbe/SDA)