Elf-Stunden-Tage, Sechs-Tage-Wochen – und immer lächeln
Der schöne Schein hat ein Sprüngli

Arbeiten bis zum Anschlag, bis zu neun Tage in Folge. Sprüngli-Mitarbeiter packen aus.
Publiziert: 13.01.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:49 Uhr
1/2
Mitarbeiter der Confiserie Sprüngli sind verzweifelt: Zum Teil arbeiten sie sechs, sieben oder sogar neun Tage ohne Ruhetag.
Foto: THOMAS LUETHI
Bastian Heiniger und Michael Bolzli

Kaum ein Geschäft hat so stark zum Image von Zürich beigetragen wie die Confiserie Sprüngli. Sie ist eine Institution, ihre Luxemburgerli sind weltbekannt. Die Läden sind nobel wie die Schmuckgeschäfte an der Zürcher Bahnhofstrasse – alles ist in Gold, edlem Holz und dunklem Marmor gehalten.

Auch der piekfeine Service ist unvergleichlich: Verkäuferinnen im Deuxpièces, perfekt frisiert und geschminkt, stets vornehm lächelnd, vermitteln Noblesse. Es gelten strenge Vorschriften: Haare müssen geschlossen sein, im Dutt oder Zopf, Nagellack und Lippenstifft zur jeweiligen Uniform passen. 

Alles Fassade, sagt nun eine Mitarbeiterin einer grösseren Zürcher Filiale zu BLICK. Hinter den Kulissen herrsche Verzweiflung. Die Devise: Arbeiten bis zur Erschöpfung. Vor allem ab Herbst und über Weihnachten. «Sechs-Tage-Wochen sind dann keine Seltenheit – bei einem 80-Prozent-Pensum!»

Und bei langen Arbeitstagen. Elf Stunden seien normal. An Silvester stand sie zwölf Stunden im Laden. «Meistens müssen wir länger arbeiten als eingeplant.»

BLICK liegen die Arbeitspläne von drei festangestellten Verkäuferinnen vor. Aus Angst vor Jobverlust wollen sie anonym bleiben. Alle drei leisten zum Teil Sechs-Tage-Wochen – bereits im Oktober. In einem Fall sind es sogar sieben, in einem anderen neun volle Arbeitstage in Folge.

Sprüngli-Chef lässt Vorwürfe nicht auf sich sitzen

«Das sind klare Verstösse gegen das Arbeitsgesetz. Sieben oder neun Arbeitstage ohne Ruhetag sind nicht legal», sagt Natalie Imboden (46) von der Gewerkschaft Unia.

Sprüngli-Chef Tomas Prenosil (52) will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. «Bei einem Problem können sich die Mitarbeiter jederzeit bei mir melden», sagt er zu BLICK. Sieben- oder Neun-Tage-Wochen seien nicht vorgesehen. «Aber wo gearbeitet wird, kann auch mal ein Versehen passieren.» Etwa wenn ein Arbeitsplan wegen eines kurzfristigen Ausfalls angepasst werden müsse. 

Angestellt sind die Sprüngli-Mitarbeiterinnen im Jahresarbeitszeit-Modell – zu einem Monatslohn von rund 4000 Franken. Im Sommer müssen sie Minusstunden anhäufen, im Winter diese abarbeiten. «Ich kam auf 200 Minusstunden – und damit bin ich nicht alleine», sagt die Mitarbeiterin.

Für Unia-Frau Imboden ist die verordnete Flexibilität problematisch. «Die Gesundheit und das Privatleben der Angestellten leiden teils massiv darunter. Das sind bittere Arbeitsbedingungen in einer doch süssen Branche.» 

Ähnlich ergeht es einer Mitarbeiterin einer anderen Sprüngli-Filiale – sie bestätigt sämtliche Vorwürfe ihrer Kollegin. Und mehr noch: Die Dienstpläne seien so knapp kalkuliert, dass es keine Reserve gebe, sagt sie.

Manche erschienen deshalb auch krank zur Arbeit – um die bereits überlasteten Kollegen vor noch Mehrarbeit zu bewahren. «Die Filialleiter sind froh darum. Dabei geht das eigentlich nicht, weil man ja mit Lebensmitteln arbeitet.»

Prenosil stellt dies in Abrede: «Es gibt eine klare Regelung, wonach Krankheit umgehend zu melden ist.» Saisonale Schwankungen seien aber in den Arbeitsplänen nicht zu vermeiden: «Im Winter müssen wir alle Überstunden leisten – auch ich bin dann täglich bis zu 14 Stunden unterwegs.» 

Ein Schoggi-Job sieht anders aus – für den Chef, vor allem aber für die Angestellten. Bringt eine Filiale nicht den gewünschten Umsatz, bekommen es die Mitarbeiter zu spüren. Der Druck wird erhöht: mehr Lächeln, noch freundlicher sein, mehr Müsterchen zur Degustation anbieten.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.