Für den Islam leben Banker im Vorhof der Hölle. «Die den Zins verzehren, die stehen nicht anders da als einer, den der Satan schlug und dann niederstreckte», heisst es in der zweiten Sure des Koran. Auch an drei anderen Stellen verbietet das Buch direkt oder indirekt den Zins.
Seit den 1960er-Jahren gibt es moderne Banken, die sich an das Verbot halten – und dennoch Geld verdienen und ihre Dienste nicht gratis anbieten. Geldhäuser, die nach den Regeln des «Islamic Banking» wirtschaften, gewähren keine Einlagezinsen, sondern «Gewinnbeteiligungen». Statt Kredite gegen Zins zu vergeben, kaufen sie Waren für einen Kunden. Dieser kauft sie der Bank dann auf Raten ab – mit einem «Gewinnaufschlag».
Risikoreiche Spekulationen und Investments in Glücksspiel sind verboten
Experten schätzen, dass bei 97 Prozent des Geldes, das in der islamischen Finanzwirtschaft zirkuliert, mit solchen zinsähnlichen Aufschlägen gearbeitet wird. Die islamischen Banken legen das Geld vor allem in der Realwirtschaft an. Anlagen in Pornografie, Waffen, Alkohol, Glücksspiel oder Schweinezucht sind nicht erlaubt, weswegen Islamic Banking als Vorläufer der ethischen Geldanlage gilt.
Auch der Derivate-Handel und risikoreiche Spekulationen sind bei islamischen Anlagen «haram», also verboten. Das hat Auswirkungen auf das Geschäft: Der Dow Jones Islamic Market World Index fiel in der Finanzkrise nicht so tief wie der Dow Jones Global Total Stock Market Index. In der letzten Dekade lag der islamische Index durchgehend über dem Bruder-Index.
Zwar macht Scharia-konformes weniger als ein Prozent der weltweiten Finanzanlagen aus, wie der Weltwährungsfonds IWF schätzt. Die Zuwächse lagen in den letzten Jahren aber deutlich im zweistelligen Prozent-Bereich.
Die UBS stampfte ihr Scharia-konformes Angebot im Sommer ein
Auch westliche Banken registrierten das – und witterten einen Boom: «Vor der Krise 2008 haben sich alle europäischen Grossbanken mit Islamic Banking befasst», erklärt der Sozialanthropologe Stefan Leins (37), der selbst zwei Jahre lang das Islamic Banking einer Schweizer Bank betreute.
Der Aufschwung war allerdings von kurzer Dauer. Die erste komplett Scharia-konforme Bank in der Schweiz, die Faisal Private Bank in Genf, machte schon 2012 dicht. Die UBS stampfte ihr Angebot im vergangenen Sommer nach gerade mal neun Jahren ein. Während die Credit Suisse vor vier Jahren noch von einem lukrativen Billionen-Markt sprach, ist heute bei der Bank nur noch von einem «Nischengeschäft» die Rede.
Sogar bei der Nummer eins im Schweizer Islamic Banking scheint der Optimismus verflogen. Das Geldhaus Safra Sarasin, das seit 2009 Islam-konforme Geldanlagen anbietet, veröffentlichte seinen letzten Islamic Wealth Report 2013. Angefragt zur Entwicklung der Kunden-Zahlen erklärt die Bank, die sogar ein Gremium hat, das die Scharia-Konformität von Geldanlagen prüft: «Wir ziehen es vor, dies nicht zu kommentieren.»
«Für Terror-Finanzierung war Islamic Banking nie attraktiv»
Steht hinter dem Rückzug die Angst, wegen des islamistischen Terrors einen Reputationsschaden zu erleiden? Islamic Banking-Experte Leins verneint: Für die Terrorfinanzierung sei Islamic Finance nie attraktiv gewesen, da islamische Banken der gleichen Regulierung unterliegen wie normale Banken.
Der Grund für den Ausstieg sei die fehlende Rentabilität: «Islamic Banking ist keine Goldgrube», so Leins. Das einzige europäische Land, in dem Islamic Banking noch funktioniert, ist England. Die dortigen Banken hätten sich nämlich auf die Bedürfnisse der muslimischen Gemeinschaften im Land eingestellt.
Die Schweiz setzte dagegen auf wohlhabende Privatkunden aus muslimischen Ländern. Ein strategischer Fehler. Aus Bankenkreisen heisst es, Kunden, die Scharia-konform Geld anlegen wollten, würden kaum zu einer konventionellen Bank gehen, sondern das Geld bei einer lokalen islamischen Bank anlegen.