Zack, zack, zack. Im Sekundentakt greifen fleissige Hände nach abgepackten Kartoffelsäcken. Grüne Kisten türmen sich meterhoch. Gabelstapler transportieren sie laufend ab. Tüüt, tüüt!
«Was hier momentan los ist, habe ich noch nie erlebt. Wir arbeiten rund um die Uhr!», sagt Markus Hämmerli (42), Leiter Landesprodukte bei der Agrargenossenschaft Fenaco. Er verantwortet zusammen mit seinem Team das grösste Kartoffellager der Schweiz in Bätterkinden BE. Von hier aus werden Migros, Coop und Volg mit Kartoffeln versorgt. «Jede dritte Kartoffel, die hierzulande gegessen wird, war einmal bei uns», so Hämmerli.
Seit der Bundesrat den Corona-Notstand ausgerufen hat, scheinen Herr und Frau Schweizer besonders grosse Lust zu verspüren auf die gute alte Kartoffel. « In den vergangenen Tagen mussten wir rund 40 Prozent mehr Härdöpfel liefern als sonst. Die Mitarbeiter mussten Überstunden machen – wir benötigten zusätzliches Personal.»
Riesige Nachfrage, viel Arbeit – ist das nicht der Traum eines jeden Geschäftsmanns? Oder droht bald ein Lieferengpass? Hämmerli schüttelt den Kopf: «Darüber mache ich mir keine Sorgen, unser Lager ist gut gefüllt!» Die Hamsterkäufe sind dem gelernten Landwirt aber trotzdem ein Dorn im Auge: «Ich befürchte, dass ein Teil der Ware in den Küchenschränken verderben wird.»
Doch nicht nur Kartoffeln sind momentan hoch im Kurs. Bei Migros und Coop werden auch Konserven- und Tiefkühlprodukte sowie Mehl und Zucker gehamstert. Ebenfalls stark nachgefragt: Toilettenpapier.
Läden wollen Kaufwut bändigen
Migros und Coop versuchen die Kaufwut der Konsumenten zu bändigen. «Die Grundversorgung ist sichergestellt, es gibt absolut keinen Grund für Hamsterkäufe», so ihre Botschaft. Beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) tönt es gleich.
Gleichzeitig sehen sich die beiden Detailhändler zu aussergewöhnlichen Massnahmen veranlasst: «Wir haben ein Basissortiment definiert, das wir sowohl in unseren Industriebetrieben als auch in der Logistik priorisieren», lässt die Migros ausrichten.
Die Logistik ist eine riesige Herausforderung. Weil die Kunden so gierig zugreifen, kommen die Detailhändler mit dem Beliefern der einzelnen Filialen kaum nach. Das führt teilweise zu leeren Gestellen – und dieser Anblick verstärkt bei den Konsumenten wiederum das Gefühl, doch hamstern zu müssen. Ein Teufelskreis.
Der Bund rechnet jedoch damit, dass die leeren Gestelle in den Supermärkte schon bald wieder Geschichte sind. «Wir gehen davon aus, dass sich die Bevölkerung an das aktuelle Regime gewöhnt und die Nachfrage sich normalisiert», schreibt das BWL.
Und selbst für den Fall, dass sich in den kommenden Tagen und Wochen die Importmöglichkeiten reduzieren sollten, sehen sich die Verantwortlichen der Landesversorgung gewappnet: «Die Schweiz könnte sich aus den Pflichtlagern für drei Monate mit den Grundnahrungsmitteln weiter versorgen.»
Auch Transportfirmen spüren Nachfrage
Den Run auf die Lebensmittel bekommt auch die Firma Schöni aus Rothrist AG zu spüren, der schweizweit grösste Transporteur von Produkten von und nach Italien. «Momentan transportieren wir die drei- bis vierfache Menge an Lebensmitteln und Getränken in die Schweiz», sagt Patron Daniel Schöni (48).
Der Grund: Die Importeure fahren angesichts der gestiegenen Nachfrage ihre Lagerbestände hoch. Zudem wollen sie sich für den Fall einer Grenzschliessung absichern. Oder für den Fall, dass aufgrund des Coronavirus viele Mitarbeiter von Lieferanten ausfallen und die Produktion einbricht.
Noch komme es bei den Lieferketten zu keinen Unterbrüchen, sagt Schöni. Dennoch bekommt er die ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie bereits zu spüren. Denn zu seiner Firmengruppe gehört auch die Schöni Swissfresh AG, eine der grössten Produzentinnen von Sauerkraut.
Weil die Nachfrage nach länger haltbaren Lebensmitteln explodiert ist, kauft Schöni derzeit in Deutschland Sauerkraut dazu. Und stellt fest: «Das Kilo kostet derzeit eineinhalbmal so viel wie sonst.» In Frankreich exportieren gewisse Produzenten schon gar kein Sauerkraut mehr.
Obwohl sich die Lage in den Nachbarländern derzeit fast täglich ändert, bleibt Schöni gelassen. «Solange Italien, Frankreich und Spanien ihre Produkte weiterhin zum Export zulassen, ist der Nachschub gesichert», sagt der Unternehmer.
Es gibt genug einheimische Produkte
Sollte dies nicht mehr der Fall sein, müsse man sich damit halt abfinden, dass nicht mehr alle Produkte aus dem Ausland im Regal zu finden seien. «Verhungern muss deswegen niemand: Wir haben in der Schweiz genug einheimische Produkte, um die Versorgung sicherzustellen», sagt Schöni. «Vielleicht lernen wir dann wieder, mehr Kartoffeln und Rüebli zu konsumieren.»
Allerdings hat die aktuelle Situation auch Auswirkungen auf die Produktion im Inland. Denn die Erntehelfer, die auf Schweizer Feldern die Setzlinge ausbringen und den Salat ernten, kommen meist aus Osteuropa. Angesichts der Grenzschliessungen in ganz Europa haben sie derzeit Schwierigkeiten, in die Schweiz zu gelangen. Überdies dürften einige von ihnen aufgrund der vielen Corona-Fälle hierzulande freiwillig auf ihren Einsatz in der Schweiz verzichten.
«Wir gehen davon aus, dass es bei den Erntehelfern eine gewisse Lücke gibt», sagt Martin Rufer vom Bauernverband. Um diese zu schliessen, hoffen die Bauern nun auf Mitarbeiter aus anderen Branchen. Namentlich im Gastro- und Tourismussektor sind derzeit viele Angestellte ohne Arbeit. Einige von ihnen, so die Idee, lassen sich vielleicht überzeugen, in der Landwirtschaft einzuspringen.
«Nächste Woche werden wir eine Plattform aufschalten, auf der sich Arbeitnehmer und Bauern registrieren können», sagt Rufer. Wie gross das Interesse an Feldarbeit bei Kellnern und Putzkräften ist, vermag Rufer nicht abzuschätzen. «Da einige Branchen aber breit von der Kurzarbeit betroffen sind, hoffen wir, mit diesem Ansatz genügend Leute gewinnen zu können.»