Warum Frauen viel weniger befördert werden als Männer
Kein Ausweg aus der Mami-Sackgasse

Es sind nur Ausnahmefrauen, die es in der Schweiz überhaupt ins oberste Management schaffen. Die meisten fallen bereits bei der Auswahl in die unterste Kaderstufe raus. Teilzeitarbeit gilt als die typische Frauensackgasse.
Publiziert: 13.09.2018 um 18:09 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2018 um 09:51 Uhr
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Männer haben es einfacher, Karriere zu machen. Frauen scheitern oft schon bei der ersten Management-Stufe.
Foto: Shutterstock
Claudia Gnehm

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass Frauen in der Schweiz zuoberst auf der Karriereleiter ankommen. In den Geschäftsleitungen der 100 wichtigsten Schweizer Firmen gab es  letztes Jahr nur sieben Frauen. Seit dem Abgang von Ex-Post-Chefin Susanne Ruoff (59) sind es gerade mal noch vier Frauen, die einer Geschäftsleitung vorsitzen.

Verloren gehen die meisten gut ausgebildeten Frauen nicht irgendwo auf der Karriereleiter, sondern bereits bei der Beförderung in die unterste Kaderstufe, wie der neuste Report des Unternehmensverbands Advance und der Hochschule St. Gallen zeigt. Bei 50 untersuchten Unternehmen mit 238'700 Mitarbeitern gab es auf Nicht-Kader-Ebene gleich viele Männer wie Frauen. Doch bereits beim Schritt auf die unterste Kaderstufe sank der Frauenanteil auf 42 Prozent, während 58 Prozent der Beförderten Männer waren. Und so zieht es sich weiter. 

In der Sackgasse gestrandet

Über alle Managementstufen hinweg sind nur 36 Prozent der Beförderten weiblich und 64 Prozent männlich, wie die Erhebung weiter ergab. Untersucht wurden unter anderem die 38 Firmen des Advance-Verbands, der sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz einsetzt. Darunter befindet sich fast alles, was Rang und Namen hat von Migros, UBS, Emmi, SBB, Post bis Novartis, Nestlé und Sonova. 

Als grösstes Hindernis für eine Beförderung gilt die Teilzeitarbeit von Frauen, die nach dem 30. Altersjahr zunimmt. Männer sind laut Studie auf allen Stufen vorwiegend 100 Prozent angestellt. Auch die durchschnittliche Anstellung von Frauen in allen Managementstufen liege bei 91 Prozent. Frauen, die auf Teilzeit umstellten, blieben meistens dabei. «Und da Teilzeitangestellte oft nicht befördert werden, führe Teilzeit de facto zu sogenannten Mami-Sackgassen», heisst es weiter. Tatsache ist: Schweizer Frauen haben international eine der tiefsten Anstellungsraten - viele arbeiten, aber zu tiefen Anstellungsprozenten.

Strukturen zwingen Frauen zu Teilzeit

Um die Karrierehürden für Frauen zu senken, müssten sich die Anstellungsprozente von Männern und Frauen mehr angleichen, so die Empfehlung von Advance. Notwendig sei dafür auch die Förderung von flexiblen Arbeitsmodellen für beide Geschlechter.

Dass Frauen ihre Pensen erhöhen sollten, ist leichter gesagt als getan. «Frauen mit Familie arbeiten in der Schweiz oft Teilzeit, weil die Strukturen dies oft nicht anders ermöglichen», sagt Guido Schilling von der gleichnamigen Firma. Die finanzielle Belastung durch die Kinderbetreuung sei riesig.

Es ist laut dem Berater bei der Besetzung von Top-Managementpositionen an der Zeit, dass Wirtschaft und Gesellschaft den Mehrwert der Frauen erkennen, die trotz der familiären Mehrbelastung weiter arbeiten und aufsteigen wollten. Er ist überzeugt: «Anspruchsvolle Führungsaufgaben können ab einem 70 Prozent Pensum oder mehr erfolgreich gemeistert werden.»

Jobs ohne Aufstiegsperspektiven

In den Weg stellen sich aber auch nach wie vor stereotype Rollenerwartungen. Es beginne mit der Rekrutierung, sagt Professorin Gudrun Sander (54) von der Universität St. Gallen. «Frauen werden immer noch häufiger für Stellen rekrutiert, die von Beginn an wenig Aussichten auf Beförderung haben», erklärte sie. Hinzu komme, dass erst wenige Unternehmen die Karriere-Entwicklung von Frauen aktiv unterstützten – auch über eine allfällige Mutterschaft hinaus.

Ausserdem vermuten die Studienautoren unbewusste Vorurteile, die Führungsqualitäten nach wie vor eher bei Männern als bei Frauen ansiedelten. Trotz des desolaten Befunds besteht Hoffnung für das weibliche Geschlecht. Denn in den nächsten 10 bis 15 Jahren treten in einigen Unternehmen rund 40 Prozent der männlichen Führungskräfte in den Ruhestand, wie Advance schreibt. Und da sich in den unteren Führungsstufen (Frauenanteil 30 Prozent) und im mittleren Management (Frauenanteil 22 Prozent) die Pipelines mit Frauen füllten, müssten diese weiblichen Führungskräfte jetzt gefördert werden.

Unbewusste Bevorzugung

Die Frauenförderung sei Aufgabe des Top-Managements, so die HSG-Professorin Sander. Sie empfiehlt das Ziel von 30 Prozent Frauenanteil auf jeder Führungsstufe. Untersuchungen zeigten, dass Minderheiten ab einer Ein-Drittel-Vertretung nicht mehr als solche wahrgenommen würden und die Kultur verändern könnten. Laut  Advance-Chefin Alkistis Petropaki sind zudem neutrale Beförderungsprozesse notwendig, «damit Männer nicht unbewusst bevorzugt werden».

Von der Mär, dass Frauen gar nicht richtig aufsteigen wollen, will der Experte nichts wissen. «Es liegt nicht primär am Willen der Frauen», ist Schilling überzeugt. Es sei viel mehr das mangelnde Sozialprestige, das top ausgebildeten Frauen entgegengebracht werde, wenn sie sich nach der Geburt der Kinder wieder einbringen wollen.

Zudem mangele es noch vielen Firmen an Programmen, um engagierte Frauen wieder zu engagieren, wenn sie für eine überschaubare Zeit nur 50 Prozent arbeiten wollten.

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