Diese Nachricht liess Daniel Göring (50) nicht kalt: Als er am Montag erfuhr, dass sich der frühere Zurich-Chef Martin Senn (†59) mit einer Pistole erschossen hatte, kamen beim Kadermann finstere Gedanken auf. «Schon wieder ein Topmanager, der nur noch einen Ausweg sah.»
Rückblende: Göring steht in seiner Küche, als er beschliesst zu sterben. Das ist kurz vor Weihnachten 2012. Nach einem 15-Stunden-Tag kommt der Solothurner fix und fertig nach Hause. Er ist PR-Chef von Orascom, der Hotelfirma von Samih Sawiris (59). Das Prestigeprojekt in Andermatt braucht gute Publicity. Die schlechten Zahlen eine hübsche Verpackung. Eine grosse Aufgabe, die Göring wenige Monate zuvor noch als Herausforderung sah – und die in Überforderung mündete.
Görings Sinkflug begann aber schon früher. Zehn Jahre lang leitete er die Kommunikation beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Er stand dauernd unter Strom. War ständig exponiert. Jederzeit erreichbar. Als das World Trade Center am 11. September 2001 in sich zusammenbrach und als die Swissair groundete. Dass er selbst grounden würde, dachte er damals nicht.
«Eine Grundanspannung weit über der Norm», sei für ihn Alltag gewesen, sagt Göring. Der Punkt, aus dem Karussell auszusteigen, «das sich immer schneller drehte», war längst überschritten, als er bei Orascom die Kommunikation aufbaute. «Ich rannte immer schneller» – aus Angst zu versagen. Aufgrund einer Erwartung gegenüber sich selbst. Wäre er vom Karussell gefallen, so Göring, hätte er «nicht performt».
Performance – ein Wort der Leistungsgesellschaft. Sie funktioniert wie eine Dampfmaschine: mit Druck. Gut jeder Fünfte arbeitet in der Schweiz über dem Limit, wie eine aktuelle Studie besagt.
Der Stress hat Folgen: Viele geben in Umfragen an, sich «emotional verbraucht» zu fühlen – ein Signal für ein Burn-out. Laut IV-Statistik haben sich die Renten wegen psychischer Erkrankung zwischen 2000 und 2013 fast verdoppelt.
Die Arbeitsmaschinerie produziert auch Opfer, die nicht mehr im Betrieb stecken: In der Schweiz steht jeder siebte Suizid in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit.
Nicht arbeiten, nicht funktionieren, sich eine Auszeit nehmen: Das kam für Göring nicht in Frage. Sein Job war schon zur Droge geworden: Er spürte den Druck von oben, aber auch von innen. Er wollte immer besser, ja der Beste sein. Wenn er eine gute Leistung erbrachte, gab ihm das einen «Kick».
Dafür überschritt er regelmässig seine Grenzen, hörte nicht auf die Stoppsignale seines Körpers und setzte damit seine Gesundheit aufs Spiel. «Aus dem Sog der Euphorie wurde ein Strudel, der mich nach unten zog», beschreibt Göring dieses Gefühl. Diese Spirale führe dazu, dass man sich nur noch über Leistung und Job definiere.
Er fühlte sich als überforderter Kadermann einsam. So wie sich Martin Senn in sein Haus in Klosters GR zurückzog, isolierte sich auch Göring. Er kapselte sich immer mehr von seinen Freunden und Verwandten ab. Er war wie imprägniert gegen soziale Kontakte. Er merkte: Das Bier mit dem Kollegen, der Anruf der Freundin, das Wochenende mit den Kindern – «das war alles zu viel». Seine Ermattung versteckte er «hinter einer Maske», sodass sein Umfeld nichts bemerkte. Und dann fand er sich in der Küche wieder.
«Ich fühlte urplötzlich ein Vakuum in mir.» Ein Gefühl, das man nicht aushalten könne. Er wollte keinen Druck, keine Probleme mehr. «Ich musste Ruhe haben. Sofort. Für immer.»
Gefühle für sich selbst oder andere Menschen kann er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr empfinden. Also wägt er ab, welches Mittel sich am besten eignet, diese Mattheit loszuwerden. Er trifft den für ihn einzig logischen, rationalen Entscheid: Am Abend des 22. Dezembers schluckt er einen lebensgefährlichen Medikamentencocktail. Dass er überlebt, grenzt an ein Wunder. Mit schwersten Vergiftungen kommt er ins Spital.
Heute arbeitet der Kommunikationsprofi in der Bundesverwaltung und will wachrütteln. Er hat deshalb ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben. Göring fordert mehr Menschlichkeit in den Betrieben. Man soll scheitern dürfen. «Auch ein CEO darf Schwäche zeigen!» Es brauche einen offenen und ehrlichen Umgang mit Depressionen und psychischen Schwächen. «Dieses Tabu in der Gesellschaft muss endlich fallen.»
Der Solothurner sagt heute – nach einem Burnout mit Suizidversuch – seinen Kollegen beim Bund offen, wenn es ihm nicht gut geht. Überstunden baut er ab. Früher antwortete er auf die Frage, wie seine Ferien waren, scherzhaft: «Welche Ferien?» Jetzt weiss Göring: Er hatte es ernster gemeint, als er selbst damals dachte.
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
Der Suizid von Pierre Wauthier (†53) im August 2013 rüttelte die Zurich-Belegschaft auf: Nach dem Freitod des Finanzchefs verlangten mehr und mehr Mitarbeiter der Versicherung professionelle Hilfe, um ihr Arbeits- und Privatleben wieder in ein gesundes Verhältnis zu bringen.
Das gestiegene Interesse registrierten auch die internen Coaches. Vier Fachleute aus den Bereichen Mediation, Psychologie oder Erwachsenenbildung betreuen die Mitarbeiter in der Schweiz.
Die Versicherung hatte ihr Careteam vor 15 Jahren gegründet, um Mitarbeitern bei der beruflichen Neuorientierung nach einer Kündigung unter die Arme zu greifen – laut Zurich-Sprecherin Sylvia Gäumann mit positiver Resonanz. Man beschloss, das
Angebot auszubauen. Heute dürfen Zurich-Angestellte das Careteam auch wegen persönlicher Probleme aufsuchen. Der Konzern stellt dafür Räumlichkeiten am Hauptsitz zur Verfügung.
Rund 15 Prozent der Belegschaft – vom einfachen Mitarbeiter bis zum Manager – nutzen diese Hilfe pro Jahr in einer oder mehreren Sitzungen. Gut ein Drittel geht wegen persönlicher Probleme zum Coach. Ein weiteres Drittel hat Fragen zu Führung oder zu Möglichkeiten, sich gezielt weiterzuentwickeln. Weitere 30 Prozent nehmen das Angebot aufgrund von Konflikten und zur Stressbewältigung in Anspruch.
Ihr Anteil wächst. Denn auch in der Versicherungsbranche steigen die Anforderungen. «Da die Arbeitsbelastung und somit Stressthemen zugenommen haben, bietet Zurich seit 2015 ein Life-Balance-Coaching an»,
so Sprecherin Gäumann.
Nach dem Suizid des ehemaligen Konzernchefs Martin Senn (†59) rechnet die Zurich damit, dass wieder mehr Mitarbeiter Unterstützung suchen werden.
Der Suizid von Pierre Wauthier (†53) im August 2013 rüttelte die Zurich-Belegschaft auf: Nach dem Freitod des Finanzchefs verlangten mehr und mehr Mitarbeiter der Versicherung professionelle Hilfe, um ihr Arbeits- und Privatleben wieder in ein gesundes Verhältnis zu bringen.
Das gestiegene Interesse registrierten auch die internen Coaches. Vier Fachleute aus den Bereichen Mediation, Psychologie oder Erwachsenenbildung betreuen die Mitarbeiter in der Schweiz.
Die Versicherung hatte ihr Careteam vor 15 Jahren gegründet, um Mitarbeitern bei der beruflichen Neuorientierung nach einer Kündigung unter die Arme zu greifen – laut Zurich-Sprecherin Sylvia Gäumann mit positiver Resonanz. Man beschloss, das
Angebot auszubauen. Heute dürfen Zurich-Angestellte das Careteam auch wegen persönlicher Probleme aufsuchen. Der Konzern stellt dafür Räumlichkeiten am Hauptsitz zur Verfügung.
Rund 15 Prozent der Belegschaft – vom einfachen Mitarbeiter bis zum Manager – nutzen diese Hilfe pro Jahr in einer oder mehreren Sitzungen. Gut ein Drittel geht wegen persönlicher Probleme zum Coach. Ein weiteres Drittel hat Fragen zu Führung oder zu Möglichkeiten, sich gezielt weiterzuentwickeln. Weitere 30 Prozent nehmen das Angebot aufgrund von Konflikten und zur Stressbewältigung in Anspruch.
Ihr Anteil wächst. Denn auch in der Versicherungsbranche steigen die Anforderungen. «Da die Arbeitsbelastung und somit Stressthemen zugenommen haben, bietet Zurich seit 2015 ein Life-Balance-Coaching an»,
so Sprecherin Gäumann.
Nach dem Suizid des ehemaligen Konzernchefs Martin Senn (†59) rechnet die Zurich damit, dass wieder mehr Mitarbeiter Unterstützung suchen werden.
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net