Der Ofen bleibt aus, die St. Galler Traditionsbäckerei Gehr ist definitiv pleite. Die 111-jährige Firmengeschichte fand am Donnerstag ihr abruptes Ende. Kundinnen und Kunden standen tags darauf vor verschlossenen Türen. «Amtliche Versiegelung. Niemand darf sich ohne Einwilligung der Siegelungsbehörde Zutritt oder Zugriff verschaffen», steht auf einem Zettel hinter der Eingangstür zur Hauptfiliale in Gossau SG. Geschlossen auch die Filialen in Rosegg, Arnegg, Andwil, Degersheim und Herisau.
«Das Kreisgericht St. Gallen hat am 11. Juli 2019 den Konkurs über die Begehrenswert AG, Gossau, eröffnet», bestätigt Daniel Wild, stellvertretender Leiter des Konkursamts des Kantons St.Gallen gegenüber BLICK. «Die Versiegelung von Geschäftsräumlichkeiten ist notwendig, um die Konkursmasse zu sichern.» Das sei vom Gesetz her vorgeschrieben und nicht aussergewöhnlich.
Kein Hinweis auf der Beck-Website
Aussergewöhnlich jedoch ist: Auf der Website der Begehrenswert AG, wie die Firma von Beck Gehr heisst, findet sich bis heute kein Hinweis auf das Konkursverfahren. Versucht man in einer der Filialen anzurufen, kommt eine Bandansage: «Alle Mitarbeiter sind besetzt, bitte haben Sie etwas Geduld.»
Das Ende des Traditionsbecks kommt überraschend, wie das «St. Galler Tagblatt» schreibt. Warum, ist dort aber nicht zu lesen. Auch Wild vom Konkursamt will sich über die Gründe nicht auslassen. «Es handelt sich um ein laufendes Konkursverfahren. Ich darf keine Auskunft geben», sagt er.
«Die besten Himbeerrouladen im ganzen Land»
Wenn man sich Kommentare von Stammkunden anhört, kann der Konkurs kaum an der «handwerklichen Qualität» der Backwaren liegen. «Bäckerei Gehr machte die besten Himbeerrouladen im ganzen Land. Die Zigerkrapfen waren auch der Hit», sagt Jonathan Tanner aus St. Gallen. Die Gründe für die Schliessungen müssen wohl anderswo liegen.
Das Unternehmen wird in der vierten Generation von den Verwaltungsräten Gidi und Röbi Gehr sowie der Geschäftsführerin Colette Gehr geführt. BLICK versuchte sie bislang vergeblich zu erreichen. Weder per Telefon noch per Mail gibt es Antworten.
Sandro Gehr zur Beck-Pleite
Dann meldet sich Sandro Gehr für die Geschäftsleitung bei BLICK: «Der ganze Betrieb wurde aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen», schreibt er in einem kurzen E-Mail. Nachfragen liess er unbeantwortet. Betroffen seien 43 Angestellte. Bislang ging man von 60 Angestellten aus. «Alle Mitarbeitenden wurden am Mittwoch, dem 10. Juli, durch die Geschäftsleitung informiert», so Gehr. Die Stimmung war gedrückt, es gab auch Tränen.
Was im Detail mit den Angestellten passiert, ist derzeit noch offen. «Die betroffenen Angestellten wurden am Donnerstag von uns zusammen mit den Regionalen Arbeitsvermittlern (RAV) und der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen informiert», sagt Wild vom Konkursamt. Dazu gehöre die Erläuterung der aktuellen Situation, das weitere Vorgehen und ihre Rechte und Pflichten.
«Konkurs ist immer ein Schock»
Beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen heisst es dazu: «Mit der Anmeldung beim RAV finden die vom Konkurs betroffenen Personen fürs Erste Halt», sagt ein Sprecher. «Bereits jetzt interessieren sich mehrere Bäckereien in der erweiterten Region für die arbeitslos gewordenen Angestellten. Auf dem RAV St.Gallen sind entsprechende Anfragen eingegangen.»
Dennoch: «Ein Konkurs des Arbeitgebers ist für die direkt betroffenen Personen immer ein Schock, zumal es um ganz persönliche Schicksale geht», sagt der Sprecher weiter. Auch für die lokale Wirtschaft sei ein Konkurs eines KMU dieser Grössenordnung immer schmerzhaft.
Auch Beck Keller schloss nach 111 Jahren
Wie den Mitarbeitern vom Gehr-Beck erging es im letzten Herbst jenen beim Traditionsbeck Keller aus Regensdorf ZH. Ebenfalls im Jahr 1908 gegründet, musste dieser Konkurs anmelden.
Alle 14 Filialen von Beck Keller schlossen Ende September Knall auf Fall, 100 Angestellte und Lehrlinge verloren ihren Job.