Easyjet soll mit Strom fliegen
1:18
In 10 Jahren:Easyjet soll mit Strom fliegen

Jeff Engler will mit Elektro-Jets den Luftverkehr revolutionieren
«Ein Flugzeug braucht 20 bis 30 Batterien»

Jeff Engler (36) ist CEO von Wright Electric. Er will bis 2030 ein 100-plätziges Elektroflugzeug auf den Markt bringen. Der Amerikaner spricht im SonntagsBlick-Interview über Elon Musk, Easyjet und elektrische Langstreckenjets.
Publiziert: 13.04.2019 um 23:58 Uhr
|
Aktualisiert: 03.08.2019 um 22:11 Uhr
1/6
«The Wright One» nennt Engler das 100-plätzige Elektroflugzeug, das 2030 abheben soll.
Foto: zvg
Moritz Kaufmann
Moritz KaufmannWirtschaftsredaktor

Wuschelkopf, scheues Lausbuben-Grinsen, schlaksige Haltung. Der Amerikaner Jeff Engler (36) tritt auf wie ein Student bei seinem ersten Vorstellungsgespräch. Aber seine Vision vom elektrischen Fliegen könnte schon in zehn Jahren die Luftfahrt komplett auf den Kopf stellen. Auf ­Einladung von Easyjet Schweiz weilte diese Woche der CEO der Firma Wright Electric in Genf. SonntagsBlick traf ihn zum Gespräch.

Jeff Engler, soll ich Sie Elon Musk der Lüfte nennen?
Jeff Engler:
Elon Musk ist grossartig, aber wir sind viel weniger weit als er.

Er hat mit seiner Elektro- Marke Tesla den Automarkt revolutioniert. Sie streben mit Ihren Elektroflugzeugen das­selbe an. Ist er Ihr Vorbild?
Er ist sicher eines. Aber wir haben noch andere.

Sie kooperieren mit Easyjet. Sind Sie das ökologische ­Feigenblatt für die Airline?
Ich kann Ihnen versichern: Wir arbeiten jeden Tag hart daran, dass wir die Flugzeug-Emissionen verringern können. Die Luftfahrt stösst auf der ganzen Welt Emissionen aus, und die wollen wir reduzieren.

Als eine der grössten Airlines in Europa ist Easyjet auch ein grosser Verursacher von CO2 …
Wer sind die grössten?

Vor allem Kohlekraftwerke. Die meisten stehen in Deutschland …
Woher kommt denn der Strom in der Schweiz?

60 Prozent kommt von Wasserkraftwerken und ist erneuerbar. Rund 15 Prozent ist atomar. Der Rest aus verschiedenen Quellen.
Wow, das ist aufregend! Für uns ist klar: Wenn der Strom für Elektroflugzeuge nicht aus erneuerbaren Energien kommt, dann sind unsere Flugzeuge auch nicht nachhaltig. Auch in den USA haben wir noch Kohlestrom. Deshalb tun wir alles, damit wir mit nachhaltigem Strom arbeiten. Das kann Solar-, Wind-, aber auch Atomstrom sein.

Nachhaltiger Atomstrom?
Diese Diskussion haben wir in den USA auch. Ich finde, wir müssen sie führen.

Was ist denn die grösste Herausforderung beim Bauen von Elektroflugzeugen?
Die Batterien! Sie sind zu schwer. Wir arbeiten mit allen möglichen Zulieferern, um das Gewicht zu reduzieren.

Herkömmliches Kerosin ist nun mal leichter als Batterien!
Wir arbeiten vor allem daran, mit leichteren Materialien die Pole der Batterien weniger schwer zu machen.

Ein Flugzeug braucht vor allem beim Start viel Energie. Haben Batterien genug Pfupf?
Es gibt bereits heute sehr starke elektrische Motoren. Zum Beispiel in der Schifffahrt. Dort kommen vor allem Diesel-Elektro- Hybride zum Einsatz. Aber natürlich: Schiffe können im Wasser gleiten. Flugzeuge brauchen viel Energie, um nur schon in der Luft zu bleiben.

Werden Ihre Flugzeuge ganz ohne Kerosin auskommen?
Wir sind uns noch nicht sicher, ob es Hybrid- oder vollelektrische Flugzeuge werden. Es gibt noch keinen Grund, eine Entscheidung zu treffen. Wir schauen uns verschiedene Batterie- und Motor-typen an. Es gibt noch viel zu tun.

Sind Hybridmotoren nicht viel komplexer?
Die beste Lösung sind sicher vollelektrische Motoren. Das Problem aber haben Sie schon angesprochen: Die Batterien sind noch nicht leicht genug. Am Ende hängt es von drei Faktoren ab, die wir ausbalancieren müssen: Was will der Kunde, was kann die Technologie und was verlangen die Regulatoren?

Über was für Destinationen von der Schweiz aus gesehen reden wir?
Unser Ziel ist, bis 2030 ein 100-plätziges Flugzeug zu bauen, welches rund einstündige Flüge zurücklegen kann. Wir reden hier also über Destinationen wie Nizza oder Paris.

Nach Paris kann man auch mit dem Zug fahren …
Das stimmt. Aber es gibt immer noch genug Orte, wo Züge wenig Sinn machen. Etwa wenn Wasser oder Berge dazwischen sind. London–Amsterdam ist so ein Beispiel. Die Distanz ist nicht weit, aber da ist noch der Ärmelkanal. Aber klar: Wir unterstützen alle Arten von nachhaltigem Verkehr.

London–Amsterdam ist eine typische Handgepäck-Verbindung. Dürfen Passagiere überhaupt noch Gepäck auf ihren Flieger nehmen?
Es gibt ja den Trend, mit weniger Gepäck zu fliegen. Das ist besser für die Umwelt. Wir ermutigen die Leute deshalb, leicht zu reisen. Doch: Wir wollen den Passagieren dieselben Möglichkeiten bieten wie herkömmliche Flugzeuge.

Sind 500 Kilometer das physikalische Maximum?
Nein, wir wollen weiter. Eine typische Boeing 737 oder ein Airbus 320 fliegen rund 4000 Kilometer. Wir hoffen, dass wir irgendwann alle Kurzstreckenflüge elektrisch oder zumindest mit Hybridmotoren anbieten können.

Boeing und Airbus sind gigantische Konkurrenten. Ihre Firma hat gerade mal zehn Angestellte. Wie wollen Sie es mit denen aufnehmen?
Wir wollen es nicht mit ihnen aufnehmen. Als kleine Firma können wir Dinge tun, die grosse nicht tun können. Grosse Firmen wie Boeing oder Airbus haben viele Divisionen mit vielen Prioritäten. Wir haben nur einen Fokus.

Hoffen Sie, dass eine dieser Firmen Sie aufkauft?
Nicht unbedingt. Unser grosses Ziel ist, unser Flugzeug auf den Markt zu bringen. Wenn das bedeutet, dass wir mit einem grossen Partner zusammenarbeiten, dann tun wir das. Es haben auch schon informelle Gespräche stattgefunden.

Und wie arbeiten Sie genau mit Easyjet zusammen?
Immer wenn man ein neues Produkt entwickelt, sollte man mit Kunden reden, um herauszufinden, was sie brauchen. Es geht nicht um Grundsätzliches, sondern um Details. Was braucht ein Pilot, wie macht man das mit der Wartung? Easyjet stellt uns diese Informationen bereit. Wir treffen uns etwa einmal im Monat.

Worüber reden Sie aktuell?
Im Moment über Motordesign, Wartung, Flügeldesign und Aerodynamik. Sie stellen uns Daten zur Verfügung, und wir brauchen diese für unsere Modelle.

Ist die Aerodynamik eines Elektroflugzeugs anders als bei einem herkömmlichen?
Es sieht immer noch aus wie ein normales Flugzeug. Es hat ein langes Rohr, Flügel, und der Pilot sitzt vorne. Aber einige Details sind anders. Die Motoren werden anders angebracht. Das Heck sieht ein wenig anders aus. Doch: Das Flugzeug wird gleich hoch und gleich schnell fliegen. Wir wollen das Erlebnis für den Passagier, aber auch den Piloten so ähnlich machen wie heute.

Easyjet ist eine Billig-Airline. Haben die andere Ansprüche?
Easyjet hat zuerst einmal die gleichen Ansprüche, wie jede andere Airline auch: Sie wollen ein Flugzeug, das sicher und zuverlässig ist. Aber Easyjet ist sehr innovativ unterwegs. Der Blick ist immer in die Zukunft gerichtet. Hier verstehen wir uns.

Reden wir über die Sicherheit: Was passiert, wenn die Batterien leer sind?
Wir werden sehr viel Redundanzen einbauen, die sicherstellen, dass das nicht passiert. Es wird viele Elektromotoren und Batte­rien geben. Zudem bauen wir zur Sicherheit ­einen Benzinmotor ein.

Müssen Sie das Flugzeug nicht ewig aufladen?
Die Batterien werden im Flugzeugkörper fixiert. Das Ziel ist, dass man die Batterien einfach austauschen kann. Die Batterien sind ungefähr gleich gross wie in einem Tesla-Fahrzeug. Pro Flugzeug werden rund 20 bis 30 Batterien nötig sein.

Es gibt viele Start-ups, die an Elektroflugzeugen arbeiten. Aber nur Sie wagen sich an ein Passagierflugzeug, das kommerziell eingesetzt werden kann. Warum?
Es sind viele technologische Herausforderungen, die man auf einmal lösen muss. Aber die Wirkung ist auch viel grösser. Wenn es uns gelingt, können wir sehr viel für die Umwelt tun.

Denken Sie eigentlich über Langstreckenflüge nach?
Ja, sogar die ganze Zeit. Langstreckenflugzeuge mit Hybridmotoren sind denkbar. Aber vollelektrisch? Dafür haben wir ganz einfach die Technologie nicht.

Wright Electric

Jeff Engler (36) ist CEO der 2016 gegründeten Firma. Ihr Hauptsitz liegt in Los Angeles (USA). Das Unternehmen plant, bis 2030 einen Elektrojet für 100 Passagiere auf den Markt zu bringen. Schon in diesem Jahr will es einen Prototyp für eine neunplätzige Propellermaschine bauen. Diese eignet sich etwa für Fallschirmspringer. Wright Electric kooperiert mit Easyjet und weiteren Fluggesellschaften.

Jeff Engler (36) ist CEO der 2016 gegründeten Firma. Ihr Hauptsitz liegt in Los Angeles (USA). Das Unternehmen plant, bis 2030 einen Elektrojet für 100 Passagiere auf den Markt zu bringen. Schon in diesem Jahr will es einen Prototyp für eine neunplätzige Propellermaschine bauen. Diese eignet sich etwa für Fallschirmspringer. Wright Electric kooperiert mit Easyjet und weiteren Fluggesellschaften.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.