IWC, PWC & Co werben neu auf Snapchat
Coolness-Offensive von Schweizer Firmen

Firmen erreichen über Social-Media-Kanäle neue Kunden. Dazu gehört auch Snapchat. Schweizer Firmen haben die gelbe App nun für sich entdeckt.
Publiziert: 28.04.2016 um 16:11 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:00 Uhr
Die Snapchat-App verbreitet sich allmählich in der Schweiz. Firmen wollen sie als Werbekanal benutzen.
Foto: Getty Images
Onur Ogul

Werbung mit verwackelten Kurzvideos, die nach 24 Stunden für immer verschwinden. Vor ein paar Jahren hätten Werbe-Profis über diese Idee noch gelacht. Doch seit dem Boom der Social-Media-App Snapchat ist das vorbei. Schweizer Unternehmen legen sich Snapchat zu, um einen direkten Draht zu ihren Kunden zu pflegen.

Im September 2011 erschien die Smartphone-App Snapchat. Mit ihr schicken sich Nutzer Fotos oder Kurzvideos, die nach dem Anschauen wieder verschwinden – und zwar für immer. Die Social-Media-Plattform wächst im Eiltempo. Täglich flimmerten 8 Milliarden Videos über die Bildschirme von mobilen Geräten, sagte Gründer Evan Spiegel Ende Februar. Das sind fünfmal mehr als noch ein Jahr zuvor. Heute sollen mehr als 100 Millionen Snapchatter, vorwiegend im Alter von 13 bis 34 Jahren, die App während insgesamt 25 bis 30 Minuten pro Tag verwenden. Damit spielt Snapchat längst in derselben Liga wie Facebook.

Den Kunden das Unternehmen näher bringen

Amorana wirbt für einzelne Produkte.
Foto: Snapchat amoranach

Schweizer Firmen haben entdeckt, dass der Ruf der App, sie diene nur dem Versand von Nacktfotos, längst überholt ist. Mit Snapchat können Marketingabteilungen potenzielle Kunden erreichen (siehe auch Experteninterview unten). Zwar können sie in der App keine Werbung platzieren, doch sie bedienen einen Kanal, so wie private Nutzer auch. So etwa der Online-Erotikhändler Amorana. Wer ihn zu seinen «Freunden» auf Snapchat hinzufügt, sieht kurze Storys mit Fotos von Amorana-Produkten. Zuschauer erhalten aber auch Einblick ins Lager des Händlers. Zwar sei Verkaufen über Snapchat schwierig, sagt Amorana-Mitgründer Alan Frei. «Aber seine Firma oder Marke dem Kunden auf eine direkte Art zu vermitteln, wird immer wichtiger.»

Und darauf setzt auch das Modehaus H&M. Es bewirbt über Snapchat momentan die Eröffnung seines neuen Flagship-Stores in Genf, die am Donnerstag stattfindet. Grundsätzlich wolle man aber den Kunden die neuesten Trends auch auf diesem Wege näherzubringen, heisst es aus der Kommunikations-Abteilung.

Junge Zielgruppe im Visier

Der Uhrenhersteller IWC fokussiere sich auf Snapchat auf die Kommunikation der Markenwerte. «Wir setzen den Kanal als Mittel ein, um Kunden und Liebhabern der Marke zeitnah einen Einblick in IWC Events zu gewähren», sagt Sprecher Clemens von Walzel. Mit Snapchat avisiere IWC zudem eine jüngere Zielgruppe.

Das Modehaus H&M wirbt über Snapchat für die Eröffnung des neuen Flagship-Stores in Genf.
Foto: Snpachat hmswitzerland

Der Wirtschaftsprüfer PWC, die Fluggesellschaft Swiss und Coca-Cola Schweiz sind weitere Beispiele von lokalen Unternehmen, die Snapchat verwenden.

Snapchat-Kurse finden Zulauf

Dass die junge Plattform jetzt zum Portfolio eines Social-Media-Managers gehört, zeigt das neue Angebot an Snapchat-Kursen für Unternehmen. Digicomp ist Anbieter von Weiterbildungen im Bereich IT und Management und führt diesen Sommer die erste Schulung in Sachen Snapchat durch. Anmeldungen seien bereits eingegangen, sagt Kursleiter Michael Gisiger. «Die Nutzung von Snapchat ist derzeit noch ein reines Hype-Thema. Alle sprechen oder hören davon, aber es ist noch wenig Konkretes greifbar.» Die Kursteilnehmer lernten Snapchat kennen und erhalten einen ersten Einblick in mögliche Anwendungen für Firmen, so Gisiger.

Dass Schweizer Unternehmen bezüglich Snapchat noch einiges tun können, zeigt die Bernet ZHAW Studie Social Media Schweiz 2016. Demnach setzen erst fünf Prozent der befragten Unternehmen auf den Kanal. Hingegen bedienen jeweils 87 Prozent der Befragten die Kanäle Facebook und Youtube sowie andere Videoportale.

Blick am Abend ist ebenfalls auf Snapchat vertreten. Hinzufügen mit Name «blickamabend» oder Snapcode

«Snapchat ermöglicht einen emotionalen und direkten Kontakt zu Kunden»

Claudia Dörr (29) ist Social-Media-Beraterin bei Kommunikationsagentur Goldbach Interactive. Mit BLICK sprach sie über das Phänomen Snapchat und was es für Firmen bedeutet.

Frau Dörr, was bedeutet der Snapchat-Boom für hiesige Firmen?

Das Potenzial ist enorm! Snapchat ist eine der schnellst wachsenden Social-Media- Plattformen und spricht vor allem eine junge Zielgruppe an. Laut Media Use Index 2015 sind bereits 59 Prozent der 14- bis 19-jährigen in der Schweiz auf Snapchat aktiv – Tendenz steigend. Diese Zielgruppe auf Facebook oder Instagram zu erreichen, wird aufgrund der grossen Konkurrenz zunehmend schwieriger. Wer also zu den frühen Anwendern zählt, hat die Chance, Aufmerksamkeit zu erregen.

 

Was bringt den Firmen Snapchat konkret?

Snapchat ermöglicht Unternehmen einen emotionalen und direkten Kontakt mit der Zielgruppe. Die Möglichkeit, Nachrichten mit Emojis und personalisierten Notizen, Verzierungen und Filtern zu versehen, lassen die Inhalte authentisch und persönlich erscheinen. Man kann kreativ Storys erzählen und die App etwa für Rabattaktionen, Blicke hinter die Kulissen oder Produkt-Lancierungen nutzen.

 

Für welche Unternehmen eignet sich Snapchat weniger als Werbekanal?

Für Marken mit einer deutlich älteren Zielgruppe macht Snapchat weniger Sinn. Ausserdem gilt: Da Nutzer die Unternehmen selbst als Freund hinzufügen müssen, und letztere nicht die klassischen Werbemöglichkeiten haben wie etwa auf Facebook, ist der Aufbau einer Fanbasis nicht so einfach. Firmen mit einer soliden Fanbasis sollten deshalb auf ihren anderen Social-Media-Kanälen den eigenen Snapchat-Kanal bewerben.

 

Bringt die Bewirtschaftung eines Snapchat-Kanals nicht eine Menge Mehrarbeit mit sich?

Doch, denn die Firmen sind gut beraten, wenn sie kontinuierlich mehrwertigen Inhalt bieten. Das setzt natürlich die nötigen Ressourcen voraus. Verfügt das Unternehmen nur über beschränkte Mittel, sollte sich die Konzentration lieber auf bestehende Social-Media-Präsenzen konzentrieren. Wer die spezifische Zielgruppe von Snapchat jedoch ansprechen will und über genügend Ressourcen verfügt, sollte Snapchat auf jeden Fall im Auge behalten.

 

Claudia_Doerr.png

Claudia Dörr (29) ist Social-Media-Beraterin bei Kommunikationsagentur Goldbach Interactive. Mit BLICK sprach sie über das Phänomen Snapchat und was es für Firmen bedeutet.

Frau Dörr, was bedeutet der Snapchat-Boom für hiesige Firmen?

Das Potenzial ist enorm! Snapchat ist eine der schnellst wachsenden Social-Media- Plattformen und spricht vor allem eine junge Zielgruppe an. Laut Media Use Index 2015 sind bereits 59 Prozent der 14- bis 19-jährigen in der Schweiz auf Snapchat aktiv – Tendenz steigend. Diese Zielgruppe auf Facebook oder Instagram zu erreichen, wird aufgrund der grossen Konkurrenz zunehmend schwieriger. Wer also zu den frühen Anwendern zählt, hat die Chance, Aufmerksamkeit zu erregen.

 

Was bringt den Firmen Snapchat konkret?

Snapchat ermöglicht Unternehmen einen emotionalen und direkten Kontakt mit der Zielgruppe. Die Möglichkeit, Nachrichten mit Emojis und personalisierten Notizen, Verzierungen und Filtern zu versehen, lassen die Inhalte authentisch und persönlich erscheinen. Man kann kreativ Storys erzählen und die App etwa für Rabattaktionen, Blicke hinter die Kulissen oder Produkt-Lancierungen nutzen.

 

Für welche Unternehmen eignet sich Snapchat weniger als Werbekanal?

Für Marken mit einer deutlich älteren Zielgruppe macht Snapchat weniger Sinn. Ausserdem gilt: Da Nutzer die Unternehmen selbst als Freund hinzufügen müssen, und letztere nicht die klassischen Werbemöglichkeiten haben wie etwa auf Facebook, ist der Aufbau einer Fanbasis nicht so einfach. Firmen mit einer soliden Fanbasis sollten deshalb auf ihren anderen Social-Media-Kanälen den eigenen Snapchat-Kanal bewerben.

 

Bringt die Bewirtschaftung eines Snapchat-Kanals nicht eine Menge Mehrarbeit mit sich?

Doch, denn die Firmen sind gut beraten, wenn sie kontinuierlich mehrwertigen Inhalt bieten. Das setzt natürlich die nötigen Ressourcen voraus. Verfügt das Unternehmen nur über beschränkte Mittel, sollte sich die Konzentration lieber auf bestehende Social-Media-Präsenzen konzentrieren. Wer die spezifische Zielgruppe von Snapchat jedoch ansprechen will und über genügend Ressourcen verfügt, sollte Snapchat auf jeden Fall im Auge behalten.

 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.