Es ist paradox: Zwar sind im zweiten Halbjahr 2018 schweizweit weniger Baubewilligungen für Mietwohnungen erteilt worden. Wie die Analyse der Abteilung Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigt, bedeuten die rückläufigen Baubewilligungen jedoch keine Entschärfung der Leerstandsquote.
Im Gegenteil: Gemäss Prognosen der Zürcher Kantonalbank steigt die Anzahl leerstehender Mietwohnungen in der Schweiz von 59'700 im Jahr 2018 auf knapp 72'000 im Jahr 2020. Das ist Rekord. Und dies trotz einer insgesamt abnehmenden Bautätigkeit! So rechnet die Zürcher Kantonalbank mit einem Rückgang des Mietwohnungsbaus von 53'900 im Jahr 2018 auf 52'600 im Jahr 2019 respektive auf 50'400 im Jahr 2020.
Keine Nachfrage in der Peripherie
Grund für diese Entwicklung ist, dass sich die Bautätigkeit vor allem auf Regionen konzentriert, in welchen bereits viele Mietwohnungen leer stehen. Es entstehen also Mietwohnungen an Lagen, an denen sie gar nicht nachgefragt werden.
So hat zum Beispiel im Unterwallis die Anzahl Baubewilligungen für Mietwohnungen im vergangenen Jahr erneut stark zugenommen: Martigny VS und Sitten verzeichnet ein Plus von 230 respektive 37 Prozent. Gleiches Bild im Jura mit einer Zunahme von 158 Prozent. Und dies, obwohl bereits sehr viele Mietwohnungen verfügbar sind und die Bevölkerung in der Vergangenheit kaum gewachsen ist oder sogar rückläufig war.
Dasselbe gilt in Olten SO, Solothurn und Grenchen SO, wo sich laut ZKB-Analysten die Spannungen am Mietwohnungsmarkt nicht so rasch legen werden. «Da es in den Städten immer schwieriger wird zu bauen, weichen die Investoren aufgrund des anhaltenden Anlagenotstands in die Peripherie aus und verschärfen dort die Problematik der leerstehenden Mietwohnungen», sagt Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research der ZKB.
Anlagenotstand bei den Investoren
Tatsächlich: Weiterhin gross ist die Nachfrage nach Mietwohnungen in den Städten. Gerade dort war 2018 der Rückgang der Baubewilligungen jedoch besonders ausgeprägt. So sanken die Baubewilligungen in der Stadt Zürich um 36 Prozent, in Basel um 19 Prozent, in Genf um 67 Prozent und in Lausanne VD um 23 Prozent.
Die Zurückhaltung der Investoren dürfte damit zusammenhängen, dass in städtischen Gebieten die Möglichkeiten mittlerweile begrenzt sind, neue Grossprojekte umzusetzen. Der Anlagenotstand aufgrund der tiefen Zinsen besteht bereits seit mehreren Jahren und damit drängt schon seit längerer Zeit sehr viel Kapital in den Immobilienmarkt.
Städtische Baulandreserven schwinden
«So lange die Zinsen auf dem tiefen Niveau verharren, wird die Schmerzgrenze bei Investoren bezüglich Leerständen aber hoch bleiben. Wir gehen deshalb davon aus, dass auch in Zukunft nicht da am meisten Wohnraum entsteht, wo die meisten Personen wohnen möchten», sagt ZKB-Expertin Kubli.
Entsprechend wurden die Baulandreserven in den Städten vielfach bereits genutzt und einfach zu realisierende Umnutzungen vollzogen. Neue Mietwohnungsprojekte sind nun mit einem immer grösser werdenden Aufwand verbunden. Diesen Aufwand scheuen die Investoren laut ZKB-Analysten und suchen stattdessen Bauprojekte in der Peripherie. (zas)