Interview mit Socar-Chef Edgar Bachmann
Steigen an Ostern wieder die Benzinpreise?

Edgar Bachmann (47) ist seit Juli 2012 Chef Schweiz der Erdölgesellschaft Socar, die dem Staat Aserbaidschan gehört.
Publiziert: 17.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2018 um 17:02 Uhr
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«An der Grenze haben wir bis zu 50 Prozent Einbussen im Bereich Treibstoffe.»
Foto: Siggi Bucher
Von Ulrich Rotzinger

BLICK: Herr Bachmann, Sie locken Kunden mit Gratis-Kaffee. Gehts Ihren Tankstellen so schlecht?
Edgar Bachmann:
Der neue Wechselkurs seit Mitte Januar ist für Soccar ein Riesenproblem. Direkt an den Grenzen hat er uns massiv getroffen. Viele Kunden waren plötzlich weg. Wir haben aber moderne Tankstellen, darum geht es uns wohl besser als der Branche.

Füllen Schweizer jetzt lieber den Tank im billigeren Euro-Ausland?
Gegen ein Drittel unserer Kunden sind preissensibel. Sie tanken nun vermehrt im Ausland. Darum gehen wir an der Grenze in die Serviceoffensive, um Stammkunden nicht zu verlieren. Dazu gehört Gratis-Kafi.

Wie hoch sind die Einbussen?
Die Stationen, die direkt an der Grenze liegen, haben teilweise über 50 Prozent Einbussen im Treibstoffbereich.

Die Benzinpreise ziehen wieder an. Machen Sie nun Ihre Einbussen durch höhere Preise wett?
Ganz sicher nicht. Die Benzinpreise haben zwar wieder leicht angezogen. Auslöser dafür sind aber andere Faktoren wie gestiegene Öl- und Frachtkosten.

Das sind die üblichen Ausreden. Spätestens vor Ostern steigen die Benzinpreise bestimmt wieder kräftig?
Der Zusammenhang von Ferien und höheren Benzinpreisen ist doch ein Märchen. Die Statistik zeigt: Öl- und Zapfsäulenpreise gehen fast parallel.

Wie oft pro Tag ändern die Preise?
Konsumenten können froh sein, dass wir keine so schwankenden Preise haben wie in Deutschland. Bei uns ändern sich die Zapfsäulenpreise nicht bis zu 15 Mal täglich.

Sie weichen aus. Die Preise fallen doch schneller als sie fallen.
Das ist Ihr subjektiver Eindruck. Und ich sage: dieser ist falsch. Die Preise bewegen sich leicht verzögert in gleichem Tempo nach oben wie nach unten.

Die Lage ist unsicher. Bremsen Sie jetzt bei der Expansion?
Im Gegenteil. Wir wollen in diesem Jahr weiter wachsen, sowohl mit unseren bestehenden, mittlerweile über 150 Socar-Tankstellen, als auch mit Zukäufen. 2015 wollen wir einige unabhängige Tankstellen-Stationen übernehmen.

Es heisst, Sie seien heiss auf die Übernahme des Tamoil-Netzes?
Klar sind wir am Tamoil-Netz interessiert. Mit 300 Standorten ist es eines der grössten der Schweiz. Es steht aber derzeit nicht zum Verkauf. Deshalb prüfen wir auch Akquisitionen anderer Mitbewerber.

Sie könnten die Tamoil-Raffinerie in Collombey VS kaufen. Sind Sie einer der fünf Interessenten?
Nein, wir haben kein Interesse.

Hats bei uns zu viele Tankstellen?
Wir haben das dichteste Netz in Europa. Eine Konzentration des Marktes ist unumgänglich.

Ist der Verkaufsshop nicht sowieso wichtiger als die Zapfsäule?
Das ist in Zukunft auf jeden Fall so. Wir bedienen den Individualverkehr künftig mit allen möglichen Zusatz-Leistungen.

Nennen Sie Beispiele.
In der Westschweiz läuft ein Pilotprojekt mit Chemischen Reinigungen. Man kann uns Hemden bringen und gereinigt abholen. Weiter prüfen wir derzeit, Päckli-Abholstationen an unseren Tankstellen aufzustellen. Wir prüfen neue Zahlungsmethoden, damit man nach dem Tanken nicht mehr in den Shop muss.

Ist die Energiewende ein grosser Treiber für die Zusatzgeschäfte?
Primär ist es der technische Fortschritt. Die Autos verbrauchen immer weniger Benzin, gefragter werden Gas und Elektrizität, gut möglich sogar Wasserstoff. Die Nicht-Treibstoffbereiche tragen heute über 50 Prozent zum Ertrag der Tankstellen bei. Tendenz steigend.

Und jetzt will Bundesrätin Doris Leuthard auch noch die Mineral­ölsteuern anheben ...
... was Sie ja kürzlich verschoben hat. Ein weiser Entschluss. Manchmal fühle ich mich mehr als Steuereintreiber und weniger als freier Unternehmer. Die steuerliche Belastung auf fossiler Energie steigt und steigt, damit der Bund seinen Haushalt ausgleichen kann.

Was fordern Sie?
Der Franken-Schock macht eines klar: Fiskalpolitik im Bereich Treibstoff kann man nicht losgelöst von Europa betreiben. Alles andere ist ein Schuss ins eigene Knie. Sonst wandern noch mehr Kunden ins Ausland ab und tanken dort.

Ist Ihr aserbaidschanischer Arbeitgeber ein Reputationsrisiko für Sie in der Schweiz?
Wir sind zwar eine Tochter­gesellschaft, können aber komplett unabhängig operieren mit unserem Schweizer Management. Wir bilden sogar über 80 Lehrlinge aus.

Sie weichen schon wieder aus!
Ich habe mir schon gewisse Fragen gestellt, bevor ich mich für meinen Job entschieden habe und fuhr in den Kaukasus.

Dann wissen Sie, dass man dort Menschenrechte mit Füssen tritt?
Es ist ein Staat, der einen ganz guten Weg eingeschlagen hat, aber auch noch ein ganzes Stück Weg vor sich hat. Es gibt noch viele Baustellen. Ich als Schweizer Bürger möchte beitragen, diese zu schliessen.

Welche Lehren Sie aus dem Frankenschock?
Diese Extremsituation ist fiskalpolitisch ein guter Testlauf. Und zwar dafür, was passieren würde, wenn man die Mineralölsteuer massiv erhöhen würde. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat derzeit ja nicht viel Freude an uns. Ihr fehlen eine halbe bis eine Milliarde Franken einnahmen.

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