«Das Material für Erinnerungen fehlt im Moment»
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Interview mit Ifolor-CEO:«Das Material für Erinnerungen fehlt im Moment»

Interview mit Ifolor-CEO Hannes Schwarz
«Das Material für Erinnerungen fehlt im Moment»

Im ersten Lockdown gab es viel Zeit, um Fotobücher zu erstellen. Dieses Jahr fehlen die Feste und Ferien, um sie festzuhalten. Wir besuchten das Familienunternehmen Ifolor und sprachen mit CEO Hannes Schwarz über des Schweizers Leidenschaft: Fotoprodukte.
Publiziert: 06.06.2021 um 14:31 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2021 um 14:35 Uhr
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CEO Hannes Schwarz (35) ist seit 2019 CEO des Familienunternehmens Ifolor.
Foto: Nathalie Taiana
Alexandra Fitz

Ifolor-Produkte sind beliebte Geschenke. Im Augenblick aber, Ende Mai, liegen auffallend wenig Fotobücher auf dem Förderband in Kreuzlingen TG. Die letzten zwei Monate seien sehr schlecht gewesen, die Nachfrage deutlich geringer. Das hat mit Corona zu tun. «Fotogeschenke und Wanddekorationen mit nur einem Foto werden gut bestellt. Aber das Fotomaterial für Erinnerungen zur Gestaltung von Fotobüchern fehlt im Moment», sagt CEO Hannes Schwarz (35) beim Rundgang. Keine Feste, keine Ferien, weniger Fotobücher. Im ersten Lockdown sei das noch anders gewesen. Die Leute hätten alles aufgeholt, aufgeräumt und Fotobücher gemacht. Sie hätten mehr Zeit gehabt, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sagt Schwarz. Er habe unlängst sogar ein Fotobuch einer Hochzeit aus dem Jahr 2012 vorbeiflitzen sehen.

Feste, Babys, Reisen, Haustiere und Landschaften: Das sind die meistgewählten Sujets. «Wir machen den ganzen Tag Weltreise», fasst es ein Mitarbeiter zusammen, der selber regelmässig Fotobücher gestaltet. Ist man denn nicht neugierig auf all die Leben, die hier auf dem Band vorbeifahren? Schwarz erklärt, dass die Mitarbeiter den Datenschutz strikt einhalten und sie vertraglich verpflichtet sind, die Privatsphäre zu wahren.

Herr Schwarz, wie viele Bilder haben Sie aktuell auf dem Smartphone?
Hannes Schwarz: Darf ich nachschauen?

Bitte.
20'698.

Wow, ich dachte, ich hätte mit 12'000 schon viel.
Nein, nein. Also meine Mutter hat ein Vielfaches davon.

Ordnen Sie Ihre Fotos?
Ich habe einen Favoritenordner, da habe ich (schaut nach) 402 Fotos gespeichert. Das Suchen der Bilder auf dem Smartphone, das ist der mühsame Teil. Es sammelt sich einiges über die Jahre, und man schaut die Fotos kaum mehr an. Man könnte sicher viele löschen – aus denen wird nie ein Fotobuch.

Machen Sie keine Fotobücher?
Ich bin nicht so der Fotobuchtyp, sondern erstelle Fotogeschenke und Wanddekorationen. Ich habe keine Familie, dessen Leben ich dokumentiere. Ich habe das Privileg, dass ich regelmässig von meiner Mutter schöne Fotobücher bekomme. Wenn ich mit meinen Freunden auf Reisen gehe, gibt es eine Handvoll gute Bilder, da lohnt sich kein Fotobuch (lacht).

Der Bodenständige

Hannes Schwarz (35) hat BWL studiert und arbeitet seit 2013 im Thurgauer Familienunternehmen Ifolor. Zuerst im Marketing, dann in der Finanzabteilung. Seit 2019 ist er CEO. Davor war sein Bruder Chef der Firma, dieser entschied sich 2018, die Firma zu verlassen. Hannes Schwarz ist am Bodensee aufgewachsen und bezeichnet sich als «Seebub». Der Firmenstandort Kreuzlingen ist für Schwarz sehr wichtig. Man sei regional stark verankert, die Familie wohnt in der Region, und die Firma ist seit vielen Jahren einer der grössten Arbeitgeber. Schwarz lebt in Bottighofen TG.

Nathalie Taiana

Hannes Schwarz (35) hat BWL studiert und arbeitet seit 2013 im Thurgauer Familienunternehmen Ifolor. Zuerst im Marketing, dann in der Finanzabteilung. Seit 2019 ist er CEO. Davor war sein Bruder Chef der Firma, dieser entschied sich 2018, die Firma zu verlassen. Hannes Schwarz ist am Bodensee aufgewachsen und bezeichnet sich als «Seebub». Der Firmenstandort Kreuzlingen ist für Schwarz sehr wichtig. Man sei regional stark verankert, die Familie wohnt in der Region, und die Firma ist seit vielen Jahren einer der grössten Arbeitgeber. Schwarz lebt in Bottighofen TG.

Haben Fotobücher, Tassen, Kissen und Puzzles mit Fotosujets nicht was Bünzliges?
Bünzlig habe ich in diesem Zusammenhang noch nicht gehört. Eher, dass sich Leute fragen: Warum noch etwas Haptisches in der digitalen Zeit?

Und?
Die Reaktionen auf geschenkte Emotionen sind unbezahlbar. Das ist unser Ansporn. Bei mir zu Hause kommen die Leute rein, sehen meine Fotowand und sagen: «Cool, ein Foto von uns!» Die gemeinsam erlebten Geschichten wirklich zu verewigen, das ist nach wie vor sehr spannend. Das erachte ich nicht als bünzlig. Aber vielleicht bin ich auch betriebsblind.

Sie wollen 2021 neue Produkte lancieren. Was denn?
Wir machen uns Gedanken zum Textil. Konkret: Strandtücher. Unsere Fotopuzzles sind beliebt, aber unseren Kunden sind es noch zu wenige Teile, jetzt machen wir Puzzles klar über 1000 Teile.

Ihr Hauptprodukt sind die Fotobücher. Sind Fotobücher eigentlich etwas typisch Schweizerisches?
Wir haben das grosse Glück, dass es in unserem Heimmarkt, wo wir auch Marktführer sind, eine grosse Nachfrage gibt. Die Schweiz gehört zu den Top-Ländern in Europa.

Der Hauptsitz ist hier in Kreuzlingen, ein zweiter in Kerava, Finnland. Warum genau da?
Das ist durch eine Übernahme entstanden, wir haben 2006 unseren stärksten Konkurrenten übernommen, den Fotolabo Club SA. Damals war Ifi, die finnische Marke von Fotolabo, eines der grössten analogen Entwicklungslabore Europas. Sie haben die Digitalisierung um das Millennium herum verschlafen. Aus Finnland und der Schweiz liefern wir in 15 Länder in Europa.

Wie erklären Sie es, dass etwas Physisches wie ein Fotobuch in der heutigen Zeit immer noch Bestand hat?
Es sind Emotionen und das damit verbundene Bedürfnis, sein Leben zu dokumentieren. Sich zu erinnern an das Passierte und eine Möglichkeit haben, es wieder zu erleben. Und das alles in einer entschleunigten Art und Weise. Ausserdem ist die Haptik noch in uns drin – sie ist nicht wegzudenken.

Fotobücher sind vor allem beliebte Geschenke.
Ja. Wenn Sie etwas verschenken, soll es einen gewissen Wert haben. Wenn man die Zeit, die man zusammen verbringt, auch noch festhält, ist das etwas Wunderbares. Und dann will man natürlich noch etwas gelobt werden für die Arbeit, die man geleistet hat.

Sehen Sie also noch eine lange Zukunft von Printprodukten?
Ja, da mache ich mir keine Sorgen. Wir sehen einen Trend hin zu Ein-Bild-Produkten. Eine kürzere Fotoselektion und Produkterstellung sprechen klar für sich.

Und was machen Sie, wenn es dann doch verschwindet?
Wir sind immer wieder am Forschen, aber wir haben uns entschieden, nach wie vor auf das Bestehende zu setzen, wir sehen da noch viel Potenzial.

Man hat heute immer das Handy dabei, macht in jeder Situation ein Bild. Früher hatte man fünf Bilder aus einer Epoche, heute sind es 1000. Wie betrifft diese Entwicklung Ifolor?
In der Familie und Verwandtschaft wird ein Fotoalbum auch heute noch fast erwartet. Die Qualität der Bilder ist gleichwertig, es sind bloss andere Ansätze. Die eine Gruppe bestellt noch immer Digitalbilder und klebt sie in Alben. Die andere, die grössere Gruppe, ist Fan des Fotobuches. Wir haben beobachtet: Je mehr Zeit investiert wird, desto hochwertigere Produkte werden ausgewählt. Das hängt auch mit dem Alter der Kunden zusammen. Im zunehmenden Alter ist das Portemonnaie bei den meisten etwas gefüllter.

Also ein Generationengraben?
Nein, auch Teenager stehen vor Fotoautomaten und drucken sich Fotos aus. Das Foto hat bei Teenies einen hohen Stellenwert. Das ist etwas Schönes. Generell wissen wir, seit der Digitalisierung wird mehr fotografiert. Es wird zwar ein kleiner Teil dieser digitalen Fotos entwickelt, aber der ist höher als zur Zeit der analogen Fotografie.

Wie fotografieren Sie?
Nur noch mit dem Smartphone. Ich bin nicht wahnsinnig gut, aber mit der Porträt-Funktion kriegt das ja jeder hin. 2007 hatte ich das letzte Mal eine Kompaktkamera bei einer Familienreise dabei.

Und Ihr Grossvater, der Gründer von Ifolor, war er Fotograf?
Nein, er war auch kein Fotograf.

Als Aussenstehender fragt man sich, schauen sich die Mitarbeiter die Bilder an? Welche Regeln gelten?
Wir machen Stichkontrollen wegen der Qualität. Aber wir achten darauf, so wenig Fotomaterial wie möglich anzuschauen. Wir sehen es im System, wenn ein Fotobuch reproduziert wird, und würden dem nachgehen. In jedem Arbeitsvertrag ist die Geheimhaltung bezüglich Datenschutz in einem Passus geregelt.

Apropos heikle Bilder. Lassen die Leute oft Nacktfotos drucken?
Nein, das kommt fast nicht mehr vor. Früher bei den entwickelten Bildern war das öfters der Fall, insbesondere nach schlechtem Wetter am Wochenende.

60 Jahre Fotoservice – vom Fotolabor für Grosskunden zu Fotoerinnerungen für Direktkunden

1961 gründete der Thurgauer Peter Schwarz ein Fotolabor unter dem Namen Photocolor Kreuzlingen AG. Nach einer Studienreise in den USA hatte der Unternehmer eine Idee im Gepäck: Konsumenten direkt per Post bedienen. Ohne Zwischenhandel, den etwa Geschäfte wie Jelmoli oder Fust erledigten. Das war 1968. 1981 übernahm Sohn Philipp Schwarz. Er setzte sich dafür ein, dass die Schweizer Post ihre Briefkasten landesweit umrüstete, damit die 35-mm-Filme in die Schlitze passten. Der Fotoversand war auch für die Schweizer Post ein lukratives Geschäft. Um das Millennium herum verdrängte die Digitalfotografie die analogen Filme. 2000 bot Ifolor (seit 2007 aufgrund von Übernahmen der neue Name der Firma) den ersten Online-Fotoservice an. Es folgte die erste Fotobuch-Software. Mit dem Smartphone-Zeitalter folgte die App, mit der sich noch schneller Produkte wie Tassen, Kalender, Grusskarten erstellen lassen. Heute sind 80 Prozent der Fotos Handybilder. Analoge Bildbestellungen machen heute noch 0,2 Prozent aus, der Rest ist digital. Die Firma hat 250 Mitarbeiter, davon arbeiten 170 in der Schweiz.

zvg

1961 gründete der Thurgauer Peter Schwarz ein Fotolabor unter dem Namen Photocolor Kreuzlingen AG. Nach einer Studienreise in den USA hatte der Unternehmer eine Idee im Gepäck: Konsumenten direkt per Post bedienen. Ohne Zwischenhandel, den etwa Geschäfte wie Jelmoli oder Fust erledigten. Das war 1968. 1981 übernahm Sohn Philipp Schwarz. Er setzte sich dafür ein, dass die Schweizer Post ihre Briefkasten landesweit umrüstete, damit die 35-mm-Filme in die Schlitze passten. Der Fotoversand war auch für die Schweizer Post ein lukratives Geschäft. Um das Millennium herum verdrängte die Digitalfotografie die analogen Filme. 2000 bot Ifolor (seit 2007 aufgrund von Übernahmen der neue Name der Firma) den ersten Online-Fotoservice an. Es folgte die erste Fotobuch-Software. Mit dem Smartphone-Zeitalter folgte die App, mit der sich noch schneller Produkte wie Tassen, Kalender, Grusskarten erstellen lassen. Heute sind 80 Prozent der Fotos Handybilder. Analoge Bildbestellungen machen heute noch 0,2 Prozent aus, der Rest ist digital. Die Firma hat 250 Mitarbeiter, davon arbeiten 170 in der Schweiz.

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