Insider erhebt Pfusch-Vorwürfe beim Bau der Notstromversorgung
Wie sicher ist Beznau?

500 Millionen butterte die Axpo in die neue Notstromanlage des AKW Beznau. Doch bei der Schaltung sei geschlampt worden, sagt ein Insider.
Publiziert: 06.09.2015 um 14:29 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:45 Uhr
Von Guido Schätti

Fukushima im Kanton Aargau? Undenkbar! Diesen Eindruck vermittelt das Youtube-Video der Axpo über das neue Notstromsystem Autanove im AKW Beznau. Vier Dieselgeneratoren in zwei Betonbunkern sollen garantieren, dass das Kühlsystem selbst nach einem Erdbeben noch funktioniert.

«Die Gebäude sind extrem massiv gebaut und gegen äussere Einwirkungen wie Flugzeugabstürze, Blitzschlag, Erdbeben und Überflutung gesichert», sagt die sonore Stimme im Video. Dadurch sei die Energieversorgung des AKW in «allen erdenklichen Fällen» gewährleistet.

Doch so glatt wie im Film dargestellt, lief das Autanove-Projekt nicht ab. Bei der Entwicklung der elektrischen Steuerungsanlage wurden die Schalter – sogenannte Schütze – kurzfristig ausgewechselt. Wie SonntagsBlick vorliegende Dokumente zeigen, wurden Teile verbaut, die gemäss den damaligen Verantwortlichen nicht in die Anlage passten.

Das Autanove-Projekt wurde der Axpo aufgezwungen, nachdem das Notstromsystem im Sommer 2007 ausgefallen war. Wäre damals ein Hochwasser eingetreten, hätte eine Kernschmelze gedroht.

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) verlangte den Bau eines neuen Sicherheitssystems für die Stromversorgung. Den 500-Millionen-Franken Auftrag zog der US-Konzern Westinghouse an Land. Für die elektrischen Anlagen holte er ABB an Bord.

Damals herrschte Aufbruchstimmung in der Atomindustrie. Die Schweiz plante ein neues AKW. Die Industrie hoffte auf Milliardenaufträge. Doch ABB scheiterte schon beim Gesellenstück. Die Entwicklung der Niederspannungsanlage verzögerte sich. ABB habe die dafür nötige Technologie gefehlt, sagt ein Gewährsmann.

Nach dem Reaktorunglück in Fukushima im März 2011 war die Atomeuphorie weg. Die Industrie musste die Hoffnung auf Folgeaufträge begraben.

Im Mai 2012 zog die Beznau-Betreiberin Axpo die Notbremse: Statt ABB-Schaltern sollten Modelle des italienischen Anbieters Lovato Electric verwendet werden. Diese würden auch im Atomkraftwerk Leibstadt eingesetzt und seien erprobt, begründete die Axpo den Entscheid.

In der ABB-Zentrale in Lenzburg AG läuteten die Alarmglocken. In Leibstadt AG standen zwar tatsächlich Lovato-Schaltgeräte im Einsatz, doch in einer älteren Anlage. Die für Autanove entwickelte Anlage sei für den Einbau von ABB-Schützen ausgelegt, schreibt der zuständige ABB-Manager in einem Mail. Der ihm unterstellte Projektleiter hält in einem Memo fest: «Der Einsatz von Lovato-Schützen führt dazu, dass unsere Schaltanlage nur noch teil-typgeprüft ist.» Ein Dritter schreibt, er gehe davon aus, «dass wir Lovato-Schütze einbauen müssen, die nicht qualifiziert sind».

Die Einwände blieben ungehört. Die Axpo beharrte auf ihrem Entscheid. Laut dem Insider bedeutet dies, dass die Autanove-Schaltanlage nicht typengeprüft und damit weder thermisch noch auf Kurzschlüsse getestet worden sei. Die Schaltanlage sei aber das Herzstück der Notstromversorgung: «Fällt sie aus, nützen die stärksten Generatoren nichts.»

Ein weiteres Problem sei die Verkabelung mit dem AKW. Durch den Tausch der Schalter habe sich die Grösse der Schaltschränke verändert. «Die neuen Masse entsprachen nicht den Vorgaben der fertiggestellten Betonbauten.» Unter dem Strich passe zu viel nicht zusammen bei Autanove: «Die Anlage darf nicht in Betrieb gehen», so der Insider.

Dazu ist die Axpo aber entschlossen. Man sei zuversichtlich, bis Ende Oktober vom Ensi die Bewilligung zum Hochfahren von Block 1 zu erhalten, sagt Axpo-Sprecher Antonio Sommavilla (56). Block 2 soll in der zweiten Dezemberhälfte wieder ans Netz gehen.

Die verwendete Schalttechnik entspreche der Standardspezifikation, sagt Sommavilla: «Selbstverständlich liegen für die Lovato-Schützen die notwendigen Nachweise vor.» Befürchtungen, der Austausch der Schütze tangiere die Sicherheit, seien «nicht nachvollziehbar». Die Betonhülle sei unabhängig von den Schaltschränken.

ABB bestätigt, dass die Typenprüfung und der Sicherheitstest der Schaltanlage mit ABB-Schützen durchgeführt wurde. Das sei aber kein Problem, so Sprecher Markus Gamper: Die neue Schaltanlage sei nicht auf einen Typ von Schützen ausgelegt, sondern könne auch andere verwenden.

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