Abgehängt und ausrangiert. So fühlen sich viele Menschen in der Schweiz, die im fortgeschrittenen Alter keinen Job mehr finden. Einer davon ist Patrick Koller*. Über 60 Bewerbungen hat der 57-Jährige in den letzten zwei Jahren seiner Arbeitslosigkeit geschrieben, mehr als 200 Telefonate mit potenziellen Arbeitgebern geführt.
Überall gab es Absagen. Überall wurden jüngere Mitbewerber vorgezogen. Doch frustriert ist der Vater einer neunjährigen Tochter nicht. Er weiss: Der Arbeitsmarkt ist knallhart, Menschen im gesetzten Alter erhalten kaum eine Chance. So wie Koller geht es Tausenden Stellensuchenden in der Schweiz.
Doch Koller gehört nicht zu jenen, die nicht mehr wollen, die sich nicht weiterbilden, die Angst haben vor dem technologischen Wandel. Er ist ein Pragmatiker: «Ich habe den Kopf nie in den Sand gesteckt, habe mich weitergebildet, mein Netzwerk gepflegt.» Umschulungsinitiativen wie solche von Swissmem sieht Koller als Chance. Aber nur, wenn Politik und Wirtschaft am gleichen Strang ziehen.
«Mit Vorurteilen aufräumen»
Dass ältere Stellensuchende weniger motiviert, weniger flexibel, weniger lernfähig und weniger produktiv seien, lässt Koller nicht gelten. «Mit diesen Vorurteilen müssen wir aufräumen.» Sein Lebenslauf ist bemerkenswert: Der gelernte Automechaniker liess sich zum Ingenieur ausbilden, studierte Betriebswissenschaften, war Betriebsassistent in der Automobilbranche.
Koller heuerte bei den grössten Playern in der Schweizer Industrie an, seine Arbeitszeugnisse sind einwandfrei, seine Lohnforderungen bescheiden. «Wenn die Arbeit stimmt, der Arbeitgeber mir vertraut, dann nehme ich Lohneinbussen von 10'000 Franken oder mehr in Kauf», sagt Koller. «Ich muss beim Lohn mit den Jungen mithalten können. Sonst bin ich draussen.»
Ältere Arbeitnehmer sind teurer
Ältere Arbeitnehmer haben einen weiteren Nachteil auf dem Arbeitsmarkt. Bei den allermeisten Pensionskassen sind die Versicherungsbeiträge vom Alter abhängig. Je älter ein Angestellter, desto teurer wird er für den Arbeitgeber. Dieser muss für ihn höhere Zahlungen entrichten.
Das führt dazu, dass Arbeitnehmer wie Koller schwerer zu vermitteln sind (siehe Grafik). Die Stellensuche der über 50-Jährigen dauert gemäss Seco doppelt so lange wie diejenige der 15- bis 24-jährigen Stellensuchenden. Dementsprechend machen über 50-Jährige 42 Prozent aller Langzeitarbeitslosen aus. Und der Anteil der über 50-Jährigen in der Bevölkerung nimmt zu.
«Wieder mehr vertrauen»
Die neusten Zahlen des Bundes zeigen, dass über 50-jährige Arbeitslose sogar immer häufiger in der Sozialhilfe landen. 29'200 Personen dieser Altersgruppe waren 2005 Sozialhilfebezüger – 52'200 Ende 2016.
«Die Unternehmen müssen uns wieder mehr vertrauen», fordert Koller. Er glaubt: Wenn die Schweizer Wirtschaft älteren Arbeitskräften wieder eine Chance geben würde, stärke dies die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das sei gut für den sozialen Frieden in diesem Land.
* Name von der Redaktion geändert