Infront-Chef Philippe Blatter über Börsengang und Skandal um deutsche Länderspiele
«Ich wäre als Fussball-Bund auch enttäuscht»

Jubel wegen des Börsengangs, Skandal-Schlagzeilen wegen des Werbebetrugs im deutschen Fussball: Die Zuger Sportmarketing-Firma Infront hat bewegte Wochen hinter sich. Jetzt spricht Infront-Boss Philippe Blatter im BLICK.
Publiziert: 29.07.2019 um 06:48 Uhr
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Infront-CEO Philippe Blatter am Times Square mit Lincoln Zhang, Chef der Wanda Group, zu der Infront gehört. In New York ging Infront am Freitag an die Technologiebörse Nasdaq.
Foto: REUTERS
Andreas Böni

Philippe Blatter (55) steht am Times Square in New York und strahlt. Es ist ein Jubeltag für den CEO der Zuger Sportmarketing-Firma Infront: Der Mutterkonzern Wanda Sports Group ging am Freitag an der Nasdaq in New York unter «WSG» an die Börse. Blatter spricht mit BLICK darüber – und auch über die Schlagzeilen der letzten Wochen.

Dabei geht es um Spiele der deutschen Nationalmannschaft, bei denen die Leuchtreklamen statt wie vertraglich vereinbart nach 30 Sekunden schon nach 29 gewechselt haben. Der böse Verdacht: Ein ehemaliger Infront-Mitarbeiter soll so 180 Sekunden (oder sechs zusätzliche Werbungen) pro Spiel herausgeschunden, unter der Hand verkauft und in den eigenen Sack gesteckt haben.

BLICK: Herr Blatter, der Freitag war ein grosser Tag für Sie. Was bedeutet der Börsengang für Infront?
Philippe Blatter:
Es ist ein Meilenstein für uns alle, eine tolle Teamleistung. Ich habe 2005 bei Infront angefangen. Wenn mir vor 14 Jahren einer gesagt hätte, wir würden 2019 an der Nasdaq in New York sein, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

Sie feierten mit Ihrem Team am Times Square.
Ja, das ist schon eine grosse Sache. Auch, weil es uns Kredibilität bringt und Vertrauen. Bei einem Börsengang, insbesondere in den USA, wird man als Unternehmen sehr genau durchleuchtet und auf Herz und Nieren überprüft. Und es gibt uns neue Möglichkeiten zu wachsen.

Welche?
Wir wollen unser weltweites Event- und Rechteportfolio weiter ausbauen und unseren Kunden noch mehr Dienstleistungen anbieten. Im Fokus steht die Digitalisierung im Sport. Wir haben dafür mit iX.co dieses Jahr eine eigene Marke lanciert, die auf die Entwicklung von digitalen und Social-Media-Angeboten spezialisiert ist.

Welche Regionen stehen im Vordergrund?
Der Börsengang gibt uns natürlich eine höhere Aufmerksamkeit in den USA, wo wir bisher noch nicht eine so starke Stellung hatten wie in anderen Regionen. Aber auch China bleibt weiterhin sehr spannend. Dank Wanda ist der Markt natürlich zugänglicher für uns. Wir haben in den letzten drei, vier Jahren viele Events nach China gebracht, ob im Fussball, Basketball oder den Motocross-GP in Shanghai. Und auch in allen Wintersportarten gibt es vor dem Hintergrund der Olympischen Winterspiele 2022 im Land grosses Interesse, gerade auch im Skisport. Wenn die Chinesen da richtig einsteigen, dann wird die Vermarktung des Skisports noch interessanter.

Der Börsengang war nach den Schlagzeilen der vergangenen Wochen Balsam auf Ihre Wunden. Wie konnte dieser Betrug mit Werbung bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft passieren?
Ich bedaure sehr, was passiert ist. Es war ein Schock für uns. Dass einer von tausend Infront-Mitarbeitern so etwas gemacht hat, ist nicht einfach zu verdauen. Zumal Compliance für uns sehr wichtig ist. Leider ist es trotzdem passiert. Aber wir haben alles unternommen, um das so transparent wie möglich zu lösen.

Nämlich?
Wir haben den Vorfall im Mai selber öffentlich gemacht. Wir haben die betroffenen Kunden kontaktiert und eine Entschädigung angeboten.

Man hört von zurückgestellten sechs Millionen Euro. Reicht das?
Davon gehen wir aus.

Ein sehr wichtiger Kunde ist der Deutsche Fussball-Bund (DFB). Dieser prüft jetzt den Ausstieg aus den Verträgen mit Infront. Wie sehen Sie das?
Mit dem DFB haben wir eine langjährige, sehr erfolgreiche Partnerschaft. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Verantwortlichen enttäuscht sind. Das wäre ich in ihrer Situation auch. Anderseits tun wir alles, um die Situation zu bereinigen, und in den laufenden Projekten arbeiten wir sehr gut zusammen.

Im «Spiegel» heisst es, dass die Staatsanwaltschaft das Management schon Anfang 2018 wegen des Falls kontaktiert habe.
Es stimmt, dass der Staatsanwalt uns im Januar 2018 über eine Strafuntersuchung gegen den ehemaligen leitenden Mitarbeiter informiert hat. Die betrügerischen Aktivitäten dieses Mitarbeiters und deren Ausmass wurden aber erst im Lauf der internen Untersuchungen bekannt.

Wie schaffte es der Mitarbeiter, in den eigenen Sack zu wirtschaften?
Das ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. Deshalb kann ich mich nicht dazu äussern. Aber es ist klar, dass wir nach diesem Fall auch unsere Kontrollmechanismen verbessern müssen, da brauchen wir nicht um den heissen Brei herumzureden. Wir haben bereits verschiedene Massnahmen getroffen, um einen derartigen Vorfall künftig zu vermeiden.

Warum hat das denn keiner gemerkt?
Das ist die Frage, die auch mich beschäftigt, und deshalb haben wir auch die Kontrollmechanismen verschärft.

Ist es in einem solchen Fall ein Vorteil oder ein Nachteil, wenn man Blatter heisst? Sepp ist ja Ihr Onkel.
Welche Rolle sollte das spielen? Ich habe mich schon immer durch Leistung bewiesen, nicht durch meinen Namen. Ich war zehn Jahre lang bei McKinsey, bin 13 Jahre CEO von Infront und nun mit Wanda Sports als deren stellvertretendem Vorstandsvorsitzenden an der Nasdaq – als erster Sportvermarkter. Ob Fussball, Wintersport oder Triathlon, wir sind heute mit WSG in diesen Segmenten die Nummer eins weltweit.

Philippe Blatter

Philippe Blatter (55) ist seit Mitte 2006 CEO von Infront. Davor arbeitete er zehn Jahre bei der Beratungsfirma McKinsey & Company, zudem war er mehr als zehn Jahre Vorstandsmitglied der Stiftung Right To Play Switzerland. Blatter absolvierte seinen Master of Science an der ETH und seinen MBA an der Kellogg Graduate School of Management an der Northwestern University in Evanston (USA).

Philippe Blatter (55) ist seit Mitte 2006 CEO von Infront. Davor arbeitete er zehn Jahre bei der Beratungsfirma McKinsey & Company, zudem war er mehr als zehn Jahre Vorstandsmitglied der Stiftung Right To Play Switzerland. Blatter absolvierte seinen Master of Science an der ETH und seinen MBA an der Kellogg Graduate School of Management an der Northwestern University in Evanston (USA).

Sportvermarkter Infront

Infront ist ein Sportvermarkter mit 1000 Mitarbeitern mit Sitz in Zug und 43 Niederlassungen weltweit. Zu Beginn der 2000er-Jahre war Fussball der Unternehmensschwerpunkt, Infront vermarktete exklusiv die weltweiten Medienrechte an der Fifa-WM 2002 und 2006. Nachdem die Firma grosse Teile des Mandats verloren hatte, diversifizierte man und ist Partner von etwa 180 Rechtehaltern. Mit dem Deutschen Fussball-Bund (DFB) ist Infront seit den 1970er-Jahren verbunden. 2015 kaufte die chinesische Wanda Group Infront, das Unternehmen wurde in die neu gegründete Wanda Sports Group integriert. Diese ging am Freitag in New York an die Börse. 

Infront ist ein Sportvermarkter mit 1000 Mitarbeitern mit Sitz in Zug und 43 Niederlassungen weltweit. Zu Beginn der 2000er-Jahre war Fussball der Unternehmensschwerpunkt, Infront vermarktete exklusiv die weltweiten Medienrechte an der Fifa-WM 2002 und 2006. Nachdem die Firma grosse Teile des Mandats verloren hatte, diversifizierte man und ist Partner von etwa 180 Rechtehaltern. Mit dem Deutschen Fussball-Bund (DFB) ist Infront seit den 1970er-Jahren verbunden. 2015 kaufte die chinesische Wanda Group Infront, das Unternehmen wurde in die neu gegründete Wanda Sports Group integriert. Diese ging am Freitag in New York an die Börse. 

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