Das Unternehmen Oerlikon verdient sein Geld grösstenteils mit der Optimierung von Materialien und Oberflächen. So entwickeln die weltweit 11'000 Angestellten zum Beispiel Technologien für einen besseren Schutz vor Hitze, Abrieb und Korrosion.
Nun aber trifft Corona den Industriekonzern hart. Oerlikon musste diese Woche einen massiven Auftrags- und Umsatzeinbruch für das erste Quartal 2020 bekannt geben. Um die Auswirkungen der Pandemie abzufedern, wurden deshalb fast 2000 Mitarbeiter in Kurzarbeit oder Zwangsurlaub geschickt.
Damit nicht genug: In den kommenden Monaten sollen weltweit rund 800 Stellen abgebaut werden. Ein harter Schlag für die Büezer. Keiner weiss, wen es trifft. Alle blicken in eine ungewisse Zukunft. Oerlikon steckt in der Krise.
Grosszügige Dividende
Doch nicht alle haben Grund zum Jammern: Die Aktionäre dürfen sich auch in diesem Jahr über eine grosszügige Dividende freuen. Am 7. April – vier Wochen vor Ankündigung des Stellenabbaus – hat Oerlikon an seiner Generalversammlung eine Ausschüttung von 340 Millionen Franken bewilligt. 140 Millionen gingen an die Liwet Holding, die vom russischen Oligarchen Viktor Vekselberg (63) kontrolliert wird.
Nicht beklagen darf sich auch Konzernleiter Roland Fischer (57). Seit er 2016 zum CEO ernannt wurde, hat sein Gehalt laufend zugenommen. 2016 wurde er noch mit 2,1 Millionen Franken entschädigt. 2019 – im Jahr, in dem Oerlikon einen Reinverlust von 66 Millionen Franken vermeldete – erhielt er 5,3 Millionen.
Dividenden und rote Zahlen
Wie passt das zusammen? Wie kann ein Konzern rote Zahlen schreiben, Kurzarbeit einführen, Hunderte Leute auf die Strasse stellen – aber gleichzeitig Dividenden in Millionenhöhe ausschütten und die Konzernspitze Jahr für Jahr grosszügiger entschädigen? Wieso wird dieses Geld nicht dazu verwendet, um trotz Krise möglichst viele Mitarbeiter an Bord zu halten – wie Firmenpatrons alter Schule dies in anderen Fällen getan haben?
Oerlikon-CEO Roland Fischer kann mit diesen Überlegungen wenig anfangen. «Auch die Patrons alter Schule haben ihre Mitarbeiter nicht einfach weiterbeschäftigt, wenn auf absehbare Zeit die Auslastung fehlte», sagt er im Gespräch mit SonntagsBlick.
Nachfrage ging schon vor Corona zurück
Die Weiterbeschäftigung mache nur Sinn, wenn eine Krise kurz und absehbar sei. Bei Oerlikon sei das aber leider nicht in sämtlichen Geschäftsfeldern der Fall: «Die Nachfrage nach unseren Oberflächenlösungen für Teile der Automobilindustrie ist zum Beispiel schon vor Corona zurückgegangen.»
Diese Branche stecke in einem tiefgreifenden strukturellen Wandel, da gingen die Aufträge nicht plötzlich wieder durch die Decke. «Weniger Aufträge bedeuten weniger Arbeit – deshalb brauchen wir auch weniger Leute», so Fischer.
Für den Manager ist klar, dass Entlassungen unumgänglich sind: «Auf lange Sicht ist das auch im Interesse der Mitarbeiter. Würden wir jetzt nicht reagieren, müssten wir später noch viel mehr Leute entlassen.»
Operativer Gewinn trotz Reinverlust
Und was ist mit der Auszahlung von Dividenden? Ist das nicht ein Affront gegenüber der Belegschaft?
Fischer: «Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Dividenden geben wir den Aktionären teilweise zurück, weil wir sehr viel Liquidität im Unternehmen haben, die wir momentan nicht brauchen.»
Der letztjährige Reinverlust von 66 Millionen Franken sei zudem ausserordentlichen, rein buchhalterischen Effekten geschuldet. «Operativ haben wir einen Gewinn von 110 Millionen Franken erwirtschaftet.»
Seine Gehaltserhöhung sieht Roland Fischer ebenfalls differenzierter als die Kritiker: «Die höhere Entschädigung ist die vereinbarte Vergütung für die sehr erfolgreichen Jahre 2016, 2017 und 2018.» In diesem Jahr werde sein Gehalt wieder tiefer ausfallen.