In der Werbung edel – in Wahrheit Billigflieger
Swiss macht auf Easyjet

In Sachen Preis und Leistung gleicht sich die Swiss in der Holzklasse seit Jahren immer mehr der Billig-Konkurrenz an. Jetzt kommt aus: Sie ist nicht mal mehr scharf auf das Fünf-Sterne-Siegel als Premium-Gesellschaft.
Publiziert: 29.07.2018 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:19 Uhr
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Die Swiss gleicht sich in ihren Praktiken immer mehr Billigfliegern wie Easyjet an.
Foto: MARKUS A. JEGERLEHNER
Konrad Staehelin

Wer gestern Mittag für den 29. August einen Flug von Genf in die Kosovo-Hauptstadt Pristina suchte, fand eine Easyjet-Maschine, die um 6.20 Uhr morgens abhebt. Billettpreis: 42 Franken. 55 Minuten später hebt ein Flugzeug der Swiss ab. Wer mitfliegen will, zahlt 41 Franken, also einen Franken weniger als bei Easyjet. 

Das ist kein Einzelfall, sondern die neue Normalität in der Schweizer Luftfahrt. Die Swiss ist – zumindest in der Holzklasse auf der Kurzstrecke – unter CEO Thomas Klühr (55) zur Billig-Airline geworden. Pro Jahr sinken in dieser Kategorie die Ticketpreise im Schnitt um sechs Prozent. Nur logisch, dass die Fluggesellschaft darum auch ihr Produkt anpasst.

Mehr Sitze, mehr Tarifoptionen

Zum Beispiel so: 2014 begann sie, 12 beziehungsweise 19 zusätzliche Sitze in ihre Airbus-Maschinen der Typen A320 und A321 einzubauen und den Sitzabstand auf Billig-Airline-Niveau zu minimieren (BLICK berichtete). Dank moderner Sitze sei der Komfort der gleiche, so das Argument damals.

Ein Jahr später führte die Swiss den Light-Tarif ein: Wer nur Handgepäck mitnimmt und auf Umbuchungs- oder Storno-Möglichkeiten verzichtet, fliegt billiger. Bisher gab es diesen Tarif nur auf der Kurzstrecke, seit diesem Sommer können Passagiere ihn auch für Zürich – New York wählen.

Thomas Steffen, Sprecher des Pilotenverbandes Aeropers und selber Pilot auf einem A320, berichtet: «Aufgrund der sinkenden Ticketpreise bauen die Airlines immer mehr Sitze in ihre Flugzeuge, der Stauraum für das Handgepäck ist aber der gleiche geblieben. Mit den neuen Light-Tarifen bringen die Passagiere zudem immer mehr davon mit.»

Die Folge: Immer mehr Konflikte darüber, ob das Handgepäck nicht zu gross oder zu schwer ist. Und darum immer mehr Verspätungen. Steffen nimmt hier neben den Airlines auch die Passagiere in die Pflicht: «Der Kunde erhält das, wofür er bezahlt.»

In Genf ist der Druck am stärksten

Auf Flügen ab und nach Genf macht die Swiss in diesem Sommer teilweise sogar voll auf Low Cost: Im Light-Preis fällt nicht nur das Aufgabegepäck weg, sondern auch der Snack. Jetzt gibts nur noch ein Glas Wasser und das Schöggeli – dafür kann man Globus-Produkte à la carte bestellen. Das kommt nicht von ungefähr: In Genf besteht die Konkurrenz vor allem aus Billigfliegern, bei denen der Null-Service schon immer zum Geschäftsmodell gehörte.

«Wir machen sehr gute Erfahrungen mit dem neuen Light-Modell», sagt Swiss-Sprecher Stefan Vasic. Heisst dies, dass das Ganze bald auch auf Zürich überschwappt? «Es ist ein Test. Stand jetzt, gibt es dafür keine konkreten Pläne.»

Patrick Huber (60), Ex-Chefredaktor des Aviatikmagazins «Cockpit», glaubt nicht daran. «Ich glaube, die Swiss weitet dieses Modell bald aus.» Schliesslich spüre sie auch in Zürich den Atem der Billigflieger im Nacken. «Die klassischen Airlines wie Swiss oder British Airways haben es lange verschlafen, sich an die Billigflieger anzupassen. Das geschieht jetzt.»

Dabei gehe es nicht nur um Ferienpassagiere. «Stellen Sie sich einen Geschäftsmann vor, der regelmässig nach London oder Paris fliegt.» Zwar biete die Swiss ihm deutlich mehr Verbindungen pro Tag zwischen den wichtigen Städten. «Doch wenn er bei der Swiss jedes Mal 50 Franken mehr zahlt, nur weil dort das Sandwich und ein Aufgabegepäckstück inbegriffen sind, was er aber gar nicht braucht, steigt er irgendwann auf Easyjet um.»

«Komischer Spagat»

Die Swiss hat sich in der Folge dieses Drucks vom Ziel verabschiedet, zu den Top-Airlines der Welt zu zählen. Während die Muttergesellschaft Lufthansa seit 2017 bei der Rating-Organisation Skytrax als Fünf-Sterne-Airline gilt, kommt die Swiss nur auf vier Sterne. 

«Die Verantwortlichen bei der Swiss haben uns gesagt, die nötigen Investitionen in das Kabinenprodukt seien zu hoch», sagt ein Geschäftspartner. Die Swiss bestätigt, dass sie das Fünf-Sterne-Siegel nicht anstrebt. Der Geschäftspartner, der anonym bleiben will, versteht das nicht: «Trotzdem will die Swiss den Anschluss nicht verlieren. Das ist ein Spagat auf Kosten der Mitarbeiter, schliesslich stellt die Swiss sich immer als Premium-Airline dar.»

Fairerweise muss gesagt sein: In der letzte Woche veröffentlichten Skytrax-Rangliste liegt die Swiss gleich nach den elf Fünf-Sterne-Airlines auf Platz 12. Die Swiss sieht sich auf Anfrage denn auch nicht als Billig-Airline. Stattdessen streicht sie heraus, dass sie «in den vergangenen Jahren Milliarden in die Weiterentwicklung und Verbesserung des Reiseerlebnisses» investiert habe.

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Ende Juni eröffnete die Swiss ihre neuen Lounges für Fluggäste in den Kategorien Business und Senator.
Foto: Konrad Staehelin

Reiche immer wichtiger

Die grossen Unterschiede zwischen Swiss und den herkömmlichen Billigfliegern à la Easyjet und Ryanair sind dabei folgende: Erstens spielt die Langstrecke bei der Swiss eine wichtige Rolle – und dort will man nach wie vor edel sein.

Zweitens setzt sie nicht nur auf jene Passagiere, die wenig bezahlen wollen, sondern auch auf die mit dem dicken Portemonnaie. So hat sie in den vergangenen Jahren massiv in neue Wartelounges für die Business-, Senator- und First-Passagiere investiert und die letzten davon in Zürich-Kloten Ende Juni eröffnet.

Experte Huber: «Die First Class scheint mir bei der Swiss wie bei Singapore Airlines und Emirates vor allem ein Prestigeprojekt zu sein. Die Business-Klasse dagegen läuft enorm gut, die ist meistens voll gebucht. Das ist eine Goldgrube.» Swiss-Sprecher Vasic bestätigt: «Das Geschäft mit Business- und First-Passagieren hat für uns an Bedeutung zugenommen. Das heisst aber nicht, dass wir die Fluggäste in der Economy-Klasse vernachlässigen.»

Traum und Albtraum

Kommentar von BLICK-Wirtschaftsredaktor Konrad Staehelin

Der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger (71, SP) nannte die Strategie der Swiss «vorne Champagner, hinten Durst», als sie 2003 den Staub des Groundings abschüttelte und das Schweizerkreuz wieder in die Welt hinaustrug. Von der «fliegenden Bank» Swissair war man sich eher «vorne Champagner, hinten immerhin noch Sekt» gewohnt gewesen.

Das war zu Beginn der neuen Luftfahrt-Welt, die viel von ihrem Charme verloren, aber auch das Elitäre abgelegt hat. Heute fliegt die Mittelstandsfamilie in die Ferien ans Meer, die Studentin übers Wochenende nach London.

Fast jeder kann sich das Billett leisten – ein demokratischer Traum. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere ist, dass wir den Planeten zerstören. Mit Betonung auf wir. Nur die Norweger fliegen noch mehr als die Schweizer. Ein ökologischer Albtraum.

Die tiefen Preise kann man der Swiss nicht vorwerfen. Sie will bloss nicht wie die Swissair enden. In der Verantwortung stehen wir: als Konsumenten, die statt dem Flieger den Zug nehmen können. Und als Souverän, der den Politikern Beine machen kann, die Luftfahrt stärker zu besteuern.

Kommentar von BLICK-Wirtschaftsredaktor Konrad Staehelin

Der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger (71, SP) nannte die Strategie der Swiss «vorne Champagner, hinten Durst», als sie 2003 den Staub des Groundings abschüttelte und das Schweizerkreuz wieder in die Welt hinaustrug. Von der «fliegenden Bank» Swissair war man sich eher «vorne Champagner, hinten immerhin noch Sekt» gewohnt gewesen.

Das war zu Beginn der neuen Luftfahrt-Welt, die viel von ihrem Charme verloren, aber auch das Elitäre abgelegt hat. Heute fliegt die Mittelstandsfamilie in die Ferien ans Meer, die Studentin übers Wochenende nach London.

Fast jeder kann sich das Billett leisten – ein demokratischer Traum. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere ist, dass wir den Planeten zerstören. Mit Betonung auf wir. Nur die Norweger fliegen noch mehr als die Schweizer. Ein ökologischer Albtraum.

Die tiefen Preise kann man der Swiss nicht vorwerfen. Sie will bloss nicht wie die Swissair enden. In der Verantwortung stehen wir: als Konsumenten, die statt dem Flieger den Zug nehmen können. Und als Souverän, der den Politikern Beine machen kann, die Luftfahrt stärker zu besteuern.

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