Im Quartier Neuhegi in Winterthur ZH entstehen moderne Wohnkomplexe. Einer davon ist die Siedlung Sue&Til. Seit Ende 2017 sind die ersten Wohnungen auf dem Markt. Neun Monate später stehen immer noch 116 der 257 Wohneinheiten leer. Daneben liegt die Siedlung Roy. Seit 2016 sind die 230 Wohnungen bezugsfertig, bewohnt hingegen nicht alle: 16 davon stehen seit fast zwei Jahren leer.
Leerstände wachsen ungebremst
Neue Zahlen zeigen nun: Die Leerstände in der Schweiz wachsen ungebremst. Das gibt die Credit Suisse in ihrem Marktbericht bekannt. Die Experten gehen von einem Leerstand von über 72 000 Wohnungen und Häusern aus. Landesweit entspricht dies einer Leerwohnungsziffer von rund 1,6 Prozent. Das wären 0,15 Prozent mehr als im Vorjahr. Zuletzt war das Wachstum vor 20 Jahren stärker.
Überdurchschnittlich dürfte der Leerstand bei Mietwohnungen zulegen. Hier erwartet die Credit Suisse, dass die Schwelle von 2,5 Prozent geknackt wird. Die Ursache für diese Entwicklung: Weiterhin kommen viele neue Wohnungen auf den Markt, die Nachfrage aber ist gesunken.
Das ist ein Grund, warum die Siedlungen Sue&Til oder Roy in Winterthur noch nicht komplett bewohnt sind. Zudem liegt das Quartier Neuhegi nicht direkt im Stadtzentrum, die Mieten sind mit rund 2200 Franken für beispielsweise eine 3½-Zimmer-Wohnung nicht günstig. Anliker Immobilien, die Vermarkterin der Siedlung Roy, will sich gegenüber BLICK zur Leerstandsfrage nicht äussern.
«Bevor der Mietzins sinkt, werden andere Massnahmen getroffen», sagt Fredy Hasenmaile, Immobilien-Experte der Credit Suisse. Ein Grund: Wird der Mietpreis gesenkt, kann sich dies in einer nachfolgenden Bewertung auf den Wert der Liegenschaft auswirken. Daher versuchen Immobilieneigentümer erst einmal alles, um diesen letzten Schritt einer breiten Senkung der angebotenen Mieten zu umgehen.
Der Druck Wohnungen zu vermieten ist gering
Laut Hasenmaile gibt es mehrere Möglichkeiten: Die Marketingstrategie wird geändert und eine andere Zielgruppe ins Visier genommen, oder den potenziellen Mietern werden Anreize geboten. Der Vermieter übernimmt zum Beispiel die Zügelkosten. Wenn das alles nichts bringt, sei der letzte Schritt eine Mietzinsreduktion. «Kein Vermieter kann sich auf Dauer dem Mietdruck entziehen», erklärt der CS-Experte.
Sind die Immobilienbesitzer institutionelle Anleger, gestaltet sich die Lage anders, weiss Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring bei Wüest Partner. Diese setzen auf langfristige Vermietungsstrategien und vergleichen die Erträge ihres ganzen Anlageportfolios. «Da kann es sein, dass die Rendite durch Leerstand sinkt, die Anlage aber immer noch attraktiver ist als zum Beispiel Staatsanleihen», sagt Weinert.
Der Druck, die Wohnungen zu vermieten, ist also gering. Was erwartet uns nächstes Jahr? Auch dann soll die Leerwohnungsziffer weiter ansteigen – wenn auch geringer.
Mieter können sich freuen: «Der Mieter ist heute am längeren Hebel», sagt CS-Experte Hasenmaile. Der Druck auf die Mietpreise dürfte zunehmen.