Sie blicken in eine ungewisse Zukunft, viele sind verzweifelt: Beizer und Kleingewerbler, die wegen der Corona-Krise seit dem 16. März nicht arbeiten dürfen. «Unsere Mitglieder haben Angst um ihre Existenz», sagt Maurus Ebneter (56), Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt.
Am späten Freitagnachmittag steht er in der Steinenvorstadt im Herzen von Basel. Zu normalen Zeiten ist die Strasse eine lebhafte Ausgehmeile. Doch wo sonst das Wochenende mit einem Feierabendbier begrüsst wird, sind die Tische leer, die Stühle aufeinandergestapelt.Ebneter schmerzt dieser Anblick: «Wenn die Situation länger so bleibt, droht nicht nur schlecht laufenden Betrieben der Konkurs, sondern auch jenen, die eigentlich solid aufgestellt sind.»
Privatvermieter sind kulanter
Zur Verzweiflung gesellt sich bei vielen Wirten Wut: auf Vermieter, die trotz Lockdown die volle Miete sehen wollen. «Die Miete ist in den Betrieben der grösste Aufwandposten, der durch die staatlichen Hilfsmassnahmen nicht gedeckt ist», so Ebneter.
Zwar seien viele kleine Privatvermieter den Wirten entgegengekommen. Die grossen Immobilienkonzerne aber fahren eine harte Linie: «Sie machen nicht die geringsten Anstalten, die Geschäftsmieten zu reduzieren.»
Armin Zucker (64), Vizepräsident des Verbands der Geschäftsmieter, beobachtet bei seinen rund 400 Mitgliedern das Gleiche: «Die grossen Immobilienbesitzer wie Swiss Prime Site, PSP, Allreal, Mobimo, Swiss Life, UBS, Credit Suisse, Migros, BVK, Swisscanto gewähren oft einen Zahlungsaufschub von ein bis zwei Monaten, ohne auf die Miete zu verzichten.»
Gleichzeitig werde zwar mehrheitlich signalisiert, für Verhandlungen offen zu sein. «Die Geschäftsmieter werden aber aufgefordert, alle Möglichkeiten wie Kurzarbeit und Notkredite auszuschöpfen und dies zu belegen.»
SonntagsBlick liegen mehrere Schreiben vor, die zeigen, wie strikt grosse Immobilienkonzerne die Bitte um Mietreduktion abschmettern. Die Versicherung Mobiliar zum Beispiel, die schweizweit rund 130 Liegenschaften besitzt, teilte der Mieterin einer Geschäftsliegenschaft mit, dass der Erlass der Mietzinsschuld «zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen» sei. Stattdessen wird die Bittstellerin aufgefordert, einen «evidenten Vorschlag» zu unterbreiten, wie sie gedenkt, die «eventuell anfallenden Mietzinsschulden» später zurückzuzahlen.
Komzerne stützen sich auf Hauseigentümerverband
Die Swiss Finance & Property Group (SFP), eine auf Immobilien spezialisierte Investmentgesellschaft, hat ihren Geschäftsmietern in Basel, Bern und Zürich ebenfalls mitgeteilt, dass «die Mietzinszahlungspflicht unverändert besteht».
Die Mieter werden aufgerufen, bei der Bank einen Notkredit zu beantragen, um die Miete weiterhin bezahlen zu können. «Gerne stehen wir für ein Gespräch mit Ihnen und Ihrer Hausbank zur Verfügung, um die Notwendigkeit der Gewährung eines Überbrückungskredites als betroffene Drittpartei darzulegen», schreibt die SFP.
Die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property, die Liegenschaften im Wert von rund acht Milliarden Franken besitzt, hält einen Mieter dazu an, «sämtliche gebotenen Möglichkeiten» auszuschöpfen, um den Mietzins «so rasch wie möglich» zu begleichen – einschliesslich der Einreichung eines Gesuchs um Notkredit.
Die Konzerne stützen sich in ihren Absagebriefen auf die Einschätzung des Hauseigentümerverbands (HEV) und des Verbands Immobilien Schweiz (VIS). Die mächtigen Branchenverbände vertreten unmissverständlich die Meinung, dass die Miete trotz Lockdown voll geschuldet bleibt.
Rechtslage solle schnell geklärt werden
Armin Zucker vom Verband der Geschäftsmieter sieht das anders: «Nach sorgfältiger juristischer Analyse sind wir der Auffassung, dass die Zwangsschliessung einen Herabsetzungsanspruch der Geschäftsmieter begründet. Bei vollständiger Schliessung sind das 100 Prozent der Miete.»
Rechtsanwalt Zucker geht davon aus, dass die gegenteilige Auffassung einer Überprüfung durch das Bundesgericht nicht standhalten wird. «Die kurzsichtige Haltung von HEV und VIS verleitet die Eigentümer zu einer trügerischen Sicherheit. Am Schluss ernten sie einen Konkursausfallschein und ein leer stehendes Lokal.»
Gleicher Meinung ist der Verband für Hotellerie und Restauration Gastrosuisse. Präsident Casimir Platzer (58) fordert aber, dass die Rechtslage schnellstmöglich geklärt wird. «Viele divergierende Gutachten nützen niemandem. Wir müssen wissen, was Sache ist. Entweder gibt es ein Machtwort des Bundesrats, oder die obersten Richter des Landes klären das.» Wenig gebracht hat bisher die Mieten-Taskforce, die Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) einberufen hatte. Platzer: «Die Taskforce kommt kaum voran. Der Hauseigentümerverband und die Vertreter der grossen Immobilienkonzerne zeigen bis jetzt null Kompromissbereitschaft.»
Einen generellen Mieterlass oder eine gesamtschweizerische Mietreduktion lehnten sie kategorisch ab. Stattdessen solle jeder Fall einzeln beurteilt werden.
Platzer stellt fest: «Das ist für die Gastrobetriebe jedoch unbefriedigend. Denn dadurch bleiben sie auf den Goodwill ihres Vermieters angewiesen.»