Sie sind eines der grössten Ärgernisse der modernen Luftfahrt: Die «unruly passengers». Also Rüpel-Passagiere, die aufgrund ihres Benehmens im Flugzeug oder auch am Flughafen die Ordnung stören und im schlimmsten Fall gar ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Linienfluggesellschaften müssen schwerwiegende Vorfälle beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) melden. Das gilt in der Schweiz für Swiss, Edelweiss, Helvetic Airways, Chair Airlines und Easyjet Switzerland. Blick liegen die aktuellen Zahlen des Bazl vor. In den meisten Fällen verstossen Problem-Passagiere gegen Art. 91 des Luftfahrtgesetzes: beispielsweise, indem sie auf der Flugzeugtoilette rauchen, sich Anordnungen des Kabinenpersonals widersetzen oder die Ordnung durch auffälliges und ausfälliges Verhalten stören. Doch auch die Corona-Massnahmen sorgten in den Flugzeugen regelmässig für Ärger.
In besonders schwerwiegenden Fällen eröffnet das Bazl ein Verwaltungsstrafverfahren. Für die letzten fünf Jahre meldet das Bazl folgende Zahlen:
Jahr | Total von Fluggesellschaften gemeldete Vorfälle | Eröffnete Verfahren |
2018 | 849 | 20 |
2019 | 1357 | 57 |
2020 | 425 | 38 |
2021 | 748 | 48 * |
2022 | 1340 | 19 * |
*Für die Jahre 2021 und 2022 sind laut Bazl noch «etliche Fälle» hängig, aufgrund von Abklärungen mit Airlines, Rechtshilfegesuchen und mehr.
Mehr Vorfälle, aber auf tiefem Niveau
«Leider ist nicht nur die Anzahl gemeldeter Vorfälle, sondern auch die Anzahl eröffneter Strafverfahren steigend», hält Bazl-Sprecher Christian Schubert fest. Dass die Zahlen in den Jahren 2020 und 2021 vergleichsweise tief liegen, hat mit der reduzierten Flugtätigkeit wegen Corona zu tun. Doch obwohl 2022 die angebotenen Sitzplatzkapazitäten der Schweizer Fluggesellschaften das Niveau von 2019 noch nicht wieder erreicht hatten, sind die Zahlen für die Vorfälle und wohl auch für die Verfahren wieder auf dem früheren Niveau.
Viele Vorfälle hatten mit der Weigerung zu tun, eine Maske zu tragen. Das hat sich mit der Aufhebung einer generellen Maskenpflicht im Flugverkehr inzwischen erübrigt. Doch auch der «Chaos-Sommer 2022» mit vielen Flugausfällen, Verspätungen und gereizten Passagieren trieb die Fallzahlen nach oben. Und dann wären da noch die Raucher. «Es wird noch viel öfter auf der Flugzeugtoilette geraucht, als viele meinen», hält Swiss-Sprecherin Karin Montani fest. Sie relativiert aber: «Angesichts der Millionen beförderten Passagiere ist die Anzahl gemeldeter Vorfälle sehr tief.»
Die Anzahl renitenter Personen im Verhältnis zu den transportierten Passagieren an Bord pro 100‘000 Passagiere sei in den letzten 12 Monaten sogar zurückgegangen. Grund dafür ist, dass die Covid-19-Schutmassnahmen grösstenteils aufgehoben wurden, so Montani. Das Missachten von Sicherheitsregeln sowie Alkohol- und Drogenkonsum und verbale Beschimpfungen des Kabinen- oder Bodenpersonals nähmen dagegen weiterhin zu.
Bei den Helvetic Airways ereigneten sich auf eigenen Flügen gar keine Vorfälle, sagt Sprecher Simon Benz. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Helvetic keine Anschlussflüge bedient, ausser wenn sie im Auftrag der Swiss fliegt. Und hierbei gab es einige Vorfälle. Drohen die Passagiere ihre Anschlussflüge zu verpassen, liegen die Nerven bei einigen blank.
Mannigfaltige Gründe für Ausfälligkeiten
Bei der Interpretation der Gründe geben sich die Fluggesellschaften wie auch das Bazl vorsichtig. Alkohol spiele sicher eine Rolle, genauso wie Stress. Wettervorkommnisse kommen aber ebenso infrage wie die viel zitierte «Verrohung der Gesellschaft», so der Tenor.
Via soziale Medien erhalten renitente Passagiere zudem schnell viel Aufmerksamkeit, was die Wahrnehmung des Problems verzerrt.
Die Swiss nehme aber das Problem durchaus ernst, so Montani. Widersetzt sich ein Passagier, gibt es bei Swiss drei Eskalationsstufen: eine mündliche Verwarnung, eine schriftliche Verwarnung vom Kapitän und zuletzt eine Information an die Behörden. Letzterer Fall führt zur Meldepflicht gegenüber dem Bazl. In schweren Fällen wird der Passagier von der Polizei aus dem Flugzeug eskortiert.
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Sehr wenige Verfahren
Erstaunlich ist, dass es im Verhältnis zu den Vorfällen nur sehr wenige Verfahren gibt. Dazu Bazl-Sprecher Schubert: «Viele Vorfälle werden vom Bazl nicht weiter verfolgt, weil sie nicht sicherheitsrelevant sind.» Das sind zum Beispiel Beleidigungen des Kabinenpersonals oder eine Verweigerung der Maskenpflicht. Das Rauchen auf der Toilette ist hingegen sicherheitsrelevant.
Darüber hinaus können einige gemeldete Vorfälle nicht weiter verfolgt werden, da die Passagiere im Ausland leben oder das Bazl über keine detaillierten Daten verfügt. Doch genau das sollte eigentlich nicht passieren: Um gerade solchen Fällen oder auch terroristischen Handlungen vorzubeugen, hat die EU verpflichtende Richtlinien erfasst. Demnach müssen Fluggesellschaften die Passagierdaten komplett erfassen und auch an das Bazl weiterleiten. Gemäss Schubert geschieht dies jedoch nicht immer vollständig.
Lasche Bussen
Wie Schubert weiter ausführt, werden Verstösse mit Geldbussen zwischen 400 und 1000 Franken geahndet. Im Gesetz steht eigentlich, dass bis zu 20'000 Franken fällig werden können. Schubert räumt ein, dass die Bussgelder in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich «ganz andere Dimensionen» erreichen. Die US-Flugbehörde FAA kann beispielsweise bis zu 37'000 Dollar einfordern. Eine Passagierin musste sogar 76'000 Dollar zahlen.
Laut Schubert ist noch in diesem Jahr eine Sitzung zwischen dem Bazl und Fluggesellschaften geplant. Dabei wird es auch um das Thema der Verschärfung von Bussen gehen. Das Ziel ist letztlich, auch die kleine Zahl an Vorfällen möglichst zu reduzieren.