Die Postfinance soll künftig Hypotheken und Kredite vergeben dürfen, was ihr bisher verboten war. Damit reagiert der Bundesrat auf sinkende Erträge der Post-Tochter, unter anderem wegen den gegenwärtig vorherrschenden Negativzinsen. Zudem soll das bisherige Staatsunternehmen teilprivatisiert werden, jedoch überwiegend in den Händen der Post bleiben – und damit des Bundes.
Zur Begründung verweist der Bundesrat vor allem auf die Notwendigkeit einer staatlichen Grundversorgung, des Service public: «Es ist zu berücksichtigen, dass Postfinance verpflichtet ist, die Grundversorgung im Zahlungsverkehr zu erbringen.» Zur Privatisierung heisst es: «Nur wenn Postfinance Teil des Postkonzerns bleibt, lässt sich das bewährte Modell der Grundversorgung aufrechterhalten.»
Die muss Postfinance heute landesweit sicherstellen. Dazu gehören Einzahlungen, Auszahlungen und Überweisungen. 90 Prozent der Bevölkerung müssen zu Fuss oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln innert 30 Minuten Zugang zu diesen Dienstleistungen haben.
Was der Bundesrat nicht erwähnt: Dieses Angebot wird immer weniger genutzt. Postfinance gibt auf Anfrage von SonntagsBlick bekannt: In den vergangenen zehn Jahren zum Beispiel gingen die Einzahlungen am Postschalter um mehr als 30 Prozent zurück. 2008 waren es noch 214 Millionen, 2017 lediglich 146 Millionen.
Weil alles dafür spricht, dass dieser Trend anhalten wird, stellt sich die Frage: Braucht es im Zeitalter von Online-Banking und Zahlungssystemen wie Twint noch eine staatlich verordnete und garantierte Grundversorgung im Zahlungsverkehr?
«Das ist ein Anachronismus»
Für Samuel Rutz von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse ist der Fall klar: «Die staatlich verordnete Grundversorgung im Zahlungsverkehr ist ein Anachronismus. In der Schweiz haben alle einen Internetanschluss – und damit Zugang zum Zahlungsverkehr.»
Dass viele ältere Menschen mit Online-Banking nicht zurechtkommen, lässt Rutz nicht als Gegenargument gelten. «Wir können nicht Millionen ausgeben für Strukturen, die nur noch von einer kleinen Minderheit genutzt werden.» Er verweist auf den Rest Europas: «Nirgends im Ausland gibt es eine staatlich verordnete Grundversorgung im Zahlungsverkehr und trotzdem funktioniert dieser tadellos – auch für ältere Menschen.»
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) kontert. «Das Bedürfnis nach Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs ist nach wie vor vorhanden», so Sprecherin Annetta Bundi.
Bar weiter bedeutend
Die Digitalisierung habe zwar zu neuen Angeboten geführt, aber sowohl das Parlament als auch Städte und Gemeinden hielten den Grundversorgungsauftrag nach wie vor für wichtig. Verschiedene Vorgaben seien zuletzt gar verschärft worden. Bundi: «Eine Studie zeigt, dass der Barzahlungsverkehr in der Schweiz nach wie vor hohe Bedeutung hat. Schweizer Haushalte begleichen gemessen am Betragsvolumen rund 23 Prozent aller Zahlungen in bar.»
Wessen Argumente das Volk mehr überzeugen, wird man frühestens in mehreren Jahren wissen. Erst müssen die Pläne des Bundesrats in die Vernehmlassung, dann durchs Parlament. Dort kündigt sich schon jetzt Widerstand an. Eventuell wird gar eine Verfassungsänderung nötig – dann hätte das Volk das letzte Wort.