Es liest sich wie die Blaupause einer wohlüberlegten Nachfolgeregelung einer Familiengesellschaft, die Schule machen müsste: Vergangenen Mittwoch, als in Bern ein neuer Bundesrat gekürt wurde, verkündete Peter Spuhler, Patron der Stadler Rail, einer überrumpelten Öffentlichkeit: «Ich bin am 1. November 1987 in die Stadler Rail eingetreten, habe jetzt die operative Verantwortung dreissig Jahre lang getragen, werde in fünfzehn Monaten sechzig Jahre alt und ich denke, es ist wichtig, dass ein verantwortungsbewusster Unternehmer sich früh genug um seine Nachfolge kümmert.»
Klare und vorbildliche Worte. Vielleicht hat sich Peter Spuhler dabei daran erinnert, wie er selbst zum Handkuss als Firmenbesitzer gekommen war. Das kam so: Während seinem Studium an der HSG in St. Gallen lernte er Andrea Schaffner kennen, Enkelin einer Irma Stadler, die als Frau einen ungewöhnlichen Job ausübte: Sie war seit dem Tod ihres Gatten Chefin einer Stadler Fahrzeuge AG, die im thurgauischen Bussnang Sonderanfertigungen für Privatbahnen und seit kurzem auch Personenzüge herstellte.
Als Irma Stadler das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, suchte die Patronin einen Nachfolger. Sie fand diesen im inzwischen zum Schwiegersohn aufgestiegenen Peter Spuhler. Er kaufte die Firma mit achtzehn Angestellten und viereinhalb Millionen Franken Umsatz mit einem Fünf-Millionen-Kredit der Thurgauer Kantonalbank. Der Vorbildliche hatte also ein vorbildliches Vorbild.
Spuhler, der «Boss der Bahnen»
Anfänglich werkelten seine Entwickler an uralten Zeichenbrettern im uralten Wohn- und Bürohaus der Stadlers, und geschäftliche Sitzungen wurden in der ähnlich betagten Waschküche abgehalten. Bescheiden waren also die unternehmerischen Anfänge des Peter Spuhler, aber innert drei Jahrzehnten arbeitete er sich zum «Boss der Bahnen» empor, bilanzierte einst das Wirtschaftsmagazin «Bilanz».
Spuhler baute die wohl beeindruckendste Erfolgsstory der jüngeren Schweizer Industriegeschichte und er hatte dabei das Glück des Tüchtigen: Je stärker sich die einst zahlreichen Schweizer Grossproduzenten von Schienenfahrzeugen aus dem Geschäft zurückzogen, desto mehr Platz gab es für den Kleinen, und der wurde darob selber gross. ABB, Schindler, Sulzer oder SIG – alle haben sich aus dem mühseligen Business mit dem Rollmaterial auf Schienen verabschiedet, und Spuhlers Stadler Rail wurde zum würdigen Erbe einer einst stolzen einheimischen Industrie. Aus Schindler Waggon wurde 1997 die Stadler Altenrhein AG.
Ein Jahr später akquirierte er die Zahnradtechnologie der einst ehrwürdigen Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), die damals zum Sulzer-Konzern gehörte. Und im Jahr 2000 übernahm er ein nagelneues Werk in Berlin-Pankow, welches zuvor Adtranz gehört hatte, dem damals grössten Schienenfahrzeughersteller der Welt, einer gemeinsamen Tochtergesellschaft von ABB und Daimler-Benz.
Stadler ist ein spezieller Verein
Peter Spuhler war mit seinem Zwei-Milliarden-Franken-Konzern in der Champions League der Hersteller von Schienenfahrzeugen angekommen. Andere mögen grösser sein, aber seine Stadler Rail ist ein spezieller Verein: Wo Konkurrenten wie die kanadische Bombardier oder die deutsche Siemens besoldete Manager an die Verhandlungstische schicken, sitzt für Stadler der mit eigenem Geld geschäftende Patron am Tisch und handelt Spezifikationen und Preise persönlich aus – ein diffiziles Metier in diesem Business, in welchem die Auftraggeber meist staatlicher Provenienz sind. Und das wird wohl auch so bleiben.
Peter Spuhler hat nun zwar seinen bisherigen Stellvertreter Thomas Ahlburg zum Chef gemacht. Bei «der Preisfindung von Angeboten», lässt er verlauten, werde er auch als Präsident «letzte Kontrollinstanz» sein. Der Patron weiss: Läuft da etwas schief, geht es schnell in die Millionen.