Der Koch gab sich gewiss Mühe, aber am Freitag schmeckte den Migros-Angestellten das Mittagessen nicht. Im auch öffentlich zugänglichen Personalrestaurant im vierten Stock des Migros-Hochhauses am Limmatplatz in Zürich war die Stimmung bedrückt, einzelne Mitarbeiter weinten.
Am Morgen hatte Fabrice Zumbrunnen (48) angekündigt, 290 von 2700 Stellen beim Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) zu streichen. 70 Kündigungen seien unvermeidlich.
Auf Twitter liess Mitarbeiter M. C.* aus Z. unter dem Hashtag «Migros» durchblicken, was das für Einzelne bedeutet: «Abteilung wird aufgelöst. In einer Stunde weiss ich, ob ich bleiben kann oder gehen muss.» Später verschaffte er seinem Ärger Luft: «Eine Mutter von drei Kindern, die seit zehn Jahren 50 Prozent arbeitet, wird rausgeschmissen, Eierköpfe bleiben, die 100 Prozent heisse Luft produzieren.»
Ein Grossteil des Gewinns kommt von der Migros Bank
Der persönlichen Betroffenheit und Wut steht die wirtschaftliche Realität gegenüber. Der Gewinn der Migros ist im Jahr 2017 um ein Viertel auf 500 Millionen Franken eingebrochen.
Das ist hart, aber in Wirklichkeit ist die Lage noch brisanter. Denn von der halben Milliarde Gewinn stammen 200 Millionen Franken allein von der Migros Bank, die nur 1500 der insgesamt 105'000 Mitarbeiter der Migros beschäftigt.
Die letzte grössere Reorganisation im MGB liegt gemäss Migros selber rund 14 Jahre zurück. In dieser langen Zeit dürften die Abläufe in der Organisation komfortabler, aber nicht unbedingt effizienter geworden sein. Kein Wunder, gab es Stimmen aus den zehn Migros-Genossenschaften, die der Zentrale zu hohe Kosten vorwarfen. Dem widmet sich der neue Chef Zumbrunnen nun mit seinem Reorganisationsprogramm «Fast Forward».
Fachmärkte kommen mit kleinen Läden in die Innenstädte
Mit der Reorganisation, so die Pressemitteilung, soll dem Wandel vom stationären zum Onlinehandel begegnet werden. Dessen Geschwindigkeit hat das Marktforschungsinstitut GfK in Zahlen gefasst: Seit dem Jahr 2010 sind 6000 Verkaufsstellen in der Schweiz verschwunden. Besonders drastisch trifft es den Fachhandel. Hier wurde seit dem Jahr 2010 fast jede dritte Verkaufsstelle geschlossen.
«Als Erste trifft es die Fachmärkte in der Peripherie von grösseren Städten, also etwa jene im aargauischen Spreitenbach oder im zürcherischen Dietlikon», erklärt Marcus Schögel, Professor für Marketing an der Universität St. Gallen. Dies, weil die Kunden nicht mehr bereit seien, so weit zu fahren. «Darum bauen die Fachmärkte kleinere Läden in den Innenstädten, wo die Kunden abholen können, was sie im Internet bestellt haben. Auch der Möbelhändler Ikea kommt vermehrt mit kleineren Läden in die Innenstädte.»
Internetplattform wird wachsen
Kein Wunder also, ist das Departement Handel gemäss Experten das Sorgenkind der Migros, das einen operativen Verlust von 83 Millionen Franken einfährt. Beim Buchhändler Ex Libris und beim Warenhaus Globus wurde der Rotstift schon angesetzt. Auf den Möbelhändler Interio und den Reiseanbieter Hotelplan dürfte noch eine Reorganisation zukommen.
Ausgebaut werden dürfte dagegen vor allem die Internet-Verkaufsplattform Digitec/Galaxus, die dieses Jahr einen Umsatz von einer Milliarde Franken anstrebt.