Exakt zwei Wochen ist es her, seit BLICK den Bau-Skandal in Weesen SG publik machte. Für die Luxus-Überbauung Lake Shore im Kurfürstenpark liess Investor und Bauherr Josef Büeler 29 Bäume illegal abholzen – obwohl diese unter Denkmalschutz standen. Darunter prächtige 90-jährige Blutbuchen! Den Ball ins Rollen gebracht hatte Walter Baumann (60), der bis zu seinem fünften Lebensjahr in der Villa im Kurfürstenpark lebte. «Wir gaben den Bäumen sogar Namen», sagte Baumann. «Der Park wurde regelrecht zerstört.»
Die BLICK-Enthüllung schlägt Wellen, die Abholzaktion hat ein Nachspiel. Es läuft ein Verfahren gegen den Luxus-Investor. Die Gemeinde Weesen hat Büeler eine Wiederherstellungsverfügung auferlegt. Darin wird die Bauherrschaft dazu verpflichtet, eine Ersatzpflanzung vorzunehmen. Die Gemeinde droht dem Investor nun sogar mit einer Strafe, sollte die Ersatzpflanzung nicht fristgerecht geschehen.
«Was unter Strafandrohung ausgesprochen wurde, ist eine Ersatzvornahme durch die Gemeinde Weesen auf Kosten der Bauherrschaft», sagt Marcel Benz (59), Gemeindepräsident von Weesen zu BLICK. Soll heissen: Kommt Büeler seiner Pflicht bis am 31. März 2021 nicht nach, wird die Gemeinde die gerodeten Bäume im Kurfürstenpark pflanzen lassen – und zwar auf Kosten des Bauherrn. Wie hoch die angedrohte Strafe sein wird, gibt Benz nicht preis. «Da dieses Verfahren und die angesetzte Frist noch läuft, können wir darüber derzeit nichts Weiteres aussagen.»
Die neuen Eigentümer haften mit
Pikant: Kommt Luxus-Investor Büeler für die Kosten der Wiederherstellung des Parks nicht zeitgerecht auf, werden diese auf die Käufer der einzelnen Wohnungen in den beiden neuen Mehrfamilienhäusern überwälzt. Denn die Verpflichtung zur Ersatzbepflanzung wurde laut Gemeinde im Grundbuch eingetragen, sodass diese auch für die neuen Besitzer gilt.
Das, obwohl die Bewohner der Luxus-Überbauung nichts mit der Rodung der geschützten Bäume zu tun hatten. Die neuen Eigentümer wollen sich auf Anfrage von BLICK nicht zum Fall äussern. Der Ärger dürfte gross sein.
Denn es geht dabei um viel Geld: Zur Wiederherstellung des Originalzustands müssen laut dem Gemeindepräsident insgesamt 35 Bäume an fixen Standorten gepflanzt werden. Es muss sich dabei um die Baumsorten handeln, die auch gefällt wurden – darunter Blutbuche, Tulpenbäume, eine Arve, eine Silberweide, eine Winterlinde und eine Magnolie. Die Bäume müssen zudem bereits einen Stammumfang von mindestens 25 Zentimetern aufweisen. Das heisst, zwischen 3,5 und 4,5 Meter gross sein. Die Kosten dafür dürften sich im Bereich von 40'000 bis 50'000 Franken bewegen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Büeler bleibt weiterhin bei seiner Aussage, er habe den Denkmalschutz vor der Fällung der geschützten Bäume schriftlich über das Vorgehen informiert. Der Denkmalschutz widerspricht dieser Aussage vehement: «Den im aktuellen Umfang durchgeführten Fällungen hat die Denkmalpflege nicht zugestimmt», sagt Michael Niedermann, Leiter der kantonalen Denkmalpflege.
Niedermann hält fest, dass es an der Gemeinde sei, dafür zu sorgen, dass die Schutzmassnahmen umgesetzt würden. «Die Kompetenzen zum Vollzug der Baubewilligung und deren Konsequenzen liegen ausschliesslich bei der Gemeinde.» Doch diese schaute offensichtlich nicht hin, als die Übeltat geschah – obwohl die Büros der Gemeindeverwaltung gerade mal 130 Meter vom Kurfürstenpark entfernt liegen. Die Erklärung dafür: «Wir sind davon ausgegangen, dass die erfahrene Bauherrschaft unsere Auflagen der Baubewilligung einhält», so Gemeindepräsident Benz.
Fall löst parlamentarischer Vorstoss aus
Nun muss sich auch die St. Galler Regierung mit dem Fall beschäftigen. Denn die SP-Politikerin Bettina Surber (39) hat aufgrund der BLICK-Enthüllung der Regierung eine sogenannte einfache Anfrage gestellt. Man müsse klären, wie und zu welchem Zeitpunkt die kantonale Denkmalpflege in den beschriebenen Vorgang involviert wurde, schreibt sie im parlamentarischen Vorstoss an die Regierung. Es stelle sich die Frage, wie effektiv sich Denkmalschutz und die Bewahrung schützenswerter Ortsbilder gewährleisten liessen.
«Mir geht es vor allem auch um den präventiven Effekt», sagt Surber zu BLICK. «Wenn das Schaffen von Tatsachen in Umgehung des Denkmalschutzes praktisch keine Konsequenzen hat, so muss befürchtet werden, dass es immer wieder zu Verstössen kommt.»
Wann kommen die neuen Bäume?
Seit die Bäume gerodet wurden, setzt sich Walter Baumann für die Wiederherstellung des Parks ein. Sein Grossvater Hans Oskar Kurfürst (1884–1940) hatte den Park und die Villa über 13 Jahre lang trockenlegen und erbauen lassen.
Bauherr Büeler hat nun noch vier Monate Zeit, um die gerodeten Bäume wieder anzupflanzen. Bleibt zu hoffen, dass der Kurfürstenpark mit den 35 neuen Bäumen bald wieder in altem Glanz erstrahlt.
Der Kurfürstenpark hat eine bewegte Vergangenheit. Über das Leben des einstigen Erbauers Hans Oskar Kurfürst (1882–1940), bevor er in die Schweiz kam, ist kaum etwas bekannt. Kurfürst war Österreicher und wuchs laut den Nachkommen irgendwo an der Donau auf. Er studierte Medizin in München. Seine Familie muss dem Adel angehört haben und sehr vermögend gewesen sein. Woher der Reichtum kam, bleibt ein Rätsel.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kam Kurfürst in die Schweiz. Wahrscheinlich ist, dass er fliehen musste. Seine Frau stammte aus einer norditalienischen Künstlerfamilie. Nach seiner Ankunft in der Schweiz praktizierte Kurfürst in Herisau AR als Arzt. Auf seinem Grabstein stand, dass er einer der ersten Homöopathen gewesen sei.
Kurfürst liess Frau und acht Kinder zurück
Als die Familie nach Weesen SG kam, kaufte Kurfürst die Dependance des Hotels Schwert und das rund 30'000 Quadratmeter grosse Ried daneben. Über 13 Jahre lang liess der Arzt das bewachsene, moorige Gebiet mit Ochsenkarren aufschütten und die Villa im deutschen Bauhausstil erbauen.
Kurfürst starb 1940 mit 58 Jahren und liess eine Frau und acht Kinder zurück. In den letzten Kriegsjahren wurde das Vermögen der Kurfürsts, zu dem der Familie zufolge ganze Strassenzüge in München gehört hatten, zerstört, und es kam zur Enteignung. Während dieser Zeit bot Kurfürsts Witwe jüdischen Kindern aus Deutschland im Kurfürstenpark Unterkunft. Das soll in der Gemeinde Weesen für Unmut gesorgt haben.
Kastanienallee wurde enteignet
Es begann eine schwierige Zeit für die Familie. Einige Jahre nach dem Tod von Kurfürst wurde die prächtige Kastanienallee, die vom Hotel Schwert zur Kurfürstenvilla führte, enteignet. Dort verläuft nun die neue Hauptstrasse. Die Witwe verkaufte darauf den durch die Allee abgetrennten Teil des Parks der Gemeinde Weesen. Heute steht dort unter anderem das Gemeindehaus.
Weil es sich keiner der Nachkommen leisten konnte, die Villa und den Park zu übernehmen, wurden diese 1991 verkauft. Die Familie liess jedoch einen Überbauungsplan erarbeiten. Dieser sollte dafür sorgen, dass das Vermächtnis von Kurfürst der Nachwelt erhalten bleibt.
Anwesen gehörte zuletzt dem Schmidheiny-Clan
Ursprünglich wurde die Villa an eine EDV-Firma verkauft. Danach erwarb sie Stephan Schmidheiny (72), Spross der Ostschweizer Industriellen-Dynastie. Schmidheiny kaufte die Villa – und später auch den Park –, um eine seiner Stiftungen dort unterzubringen. Dafür stockte er die Villa mit Erlaubnis der Denkmalpflege um einen Stock auf.
Bis 2018 gehörte das Anwesen noch Schmidheinys Immobilienfirma Tanova. Dann verkaufte Tanova die Villa und das Grundstück. Dorothea Vollenweider
Der Kurfürstenpark hat eine bewegte Vergangenheit. Über das Leben des einstigen Erbauers Hans Oskar Kurfürst (1882–1940), bevor er in die Schweiz kam, ist kaum etwas bekannt. Kurfürst war Österreicher und wuchs laut den Nachkommen irgendwo an der Donau auf. Er studierte Medizin in München. Seine Familie muss dem Adel angehört haben und sehr vermögend gewesen sein. Woher der Reichtum kam, bleibt ein Rätsel.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs kam Kurfürst in die Schweiz. Wahrscheinlich ist, dass er fliehen musste. Seine Frau stammte aus einer norditalienischen Künstlerfamilie. Nach seiner Ankunft in der Schweiz praktizierte Kurfürst in Herisau AR als Arzt. Auf seinem Grabstein stand, dass er einer der ersten Homöopathen gewesen sei.
Kurfürst liess Frau und acht Kinder zurück
Als die Familie nach Weesen SG kam, kaufte Kurfürst die Dependance des Hotels Schwert und das rund 30'000 Quadratmeter grosse Ried daneben. Über 13 Jahre lang liess der Arzt das bewachsene, moorige Gebiet mit Ochsenkarren aufschütten und die Villa im deutschen Bauhausstil erbauen.
Kurfürst starb 1940 mit 58 Jahren und liess eine Frau und acht Kinder zurück. In den letzten Kriegsjahren wurde das Vermögen der Kurfürsts, zu dem der Familie zufolge ganze Strassenzüge in München gehört hatten, zerstört, und es kam zur Enteignung. Während dieser Zeit bot Kurfürsts Witwe jüdischen Kindern aus Deutschland im Kurfürstenpark Unterkunft. Das soll in der Gemeinde Weesen für Unmut gesorgt haben.
Kastanienallee wurde enteignet
Es begann eine schwierige Zeit für die Familie. Einige Jahre nach dem Tod von Kurfürst wurde die prächtige Kastanienallee, die vom Hotel Schwert zur Kurfürstenvilla führte, enteignet. Dort verläuft nun die neue Hauptstrasse. Die Witwe verkaufte darauf den durch die Allee abgetrennten Teil des Parks der Gemeinde Weesen. Heute steht dort unter anderem das Gemeindehaus.
Weil es sich keiner der Nachkommen leisten konnte, die Villa und den Park zu übernehmen, wurden diese 1991 verkauft. Die Familie liess jedoch einen Überbauungsplan erarbeiten. Dieser sollte dafür sorgen, dass das Vermächtnis von Kurfürst der Nachwelt erhalten bleibt.
Anwesen gehörte zuletzt dem Schmidheiny-Clan
Ursprünglich wurde die Villa an eine EDV-Firma verkauft. Danach erwarb sie Stephan Schmidheiny (72), Spross der Ostschweizer Industriellen-Dynastie. Schmidheiny kaufte die Villa – und später auch den Park –, um eine seiner Stiftungen dort unterzubringen. Dafür stockte er die Villa mit Erlaubnis der Denkmalpflege um einen Stock auf.
Bis 2018 gehörte das Anwesen noch Schmidheinys Immobilienfirma Tanova. Dann verkaufte Tanova die Villa und das Grundstück. Dorothea Vollenweider