Hohe Zahlen, weniger Spitaleinweisungen
Die Schweiz ist ein Omikron-Sonderfall

Lange der Impfmuffel Europas, übersteht die Schweiz die Omikron-Welle bisher besser als andere Länder. Doch der Vorteil dürfte nicht ewig halten.
Publiziert: 06.01.2022 um 00:56 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2022 um 06:38 Uhr
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Warteschlage vor Testzentrum im Hauptbahnhof Zürich: Die Neuansteckungen brechen in der Schweiz alle Rekorde.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Schätti

Neuer Tag, neuer Rekord: Mehr als 31’000 Neuansteckungen meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Mittwoch, rund drei Mal so viele wie auf dem Höhepunkt der verheerenden zweiten Welle im Herbst 2020.

Noch vor kurzem hätte die Zahl für Angst und Schrecken gesorgt. Jetzt führt sie vor allem zu Ratlosigkeit: Denn die viel wichtigere Zahl der Spitaleinweisungen steigt nicht, sondern sinkt schon seit mehr als drei Wochen. Selbst seit sich die Omikron-Wand seit Weihnachten immer mächtiger aufbaut, hat sich daran nichts geändert.

Epidemiologen stehen vor einem Rätsel

Was geht hier vor? Alles nur eine Frage der Zeit? Oder hat das Virus mit der Omikron-Mutation so stark an Virulenz eingebüsst, dass selbst eine Multiplikation der Fallzahlen keine Verwüstungen mehr anrichtet?

«Bei der Einschätzung, wie gefährlich Omikron wirklich ist, tappen wir noch im Dunkeln», sagt Christian Münz (52), Professor für Immunologie an der Universität Zürich. «Die Studien kommen zu unterschiedlichen Resultaten.»

Irgendwann erreicht die Welle die Ungeimpften

Für Entwarnung ist es für ihn aber viel zu früh. Hoffnungen, dass die Zahl der schweren Fälle auf Dauer tief bleibt, hält er für verwegen. Seine Erklärung für die Verzögerung: «Mit Omikron infizieren sich auch viele der Geimpften, die gut geschützt sind vor schweren Verläufen.» Früher oder später werde das Virus aber die knapp 20 Prozent der Bevölkerung ohne Immunität erreichen. «Dann steigt das Risiko von schweren Verläufen.»

«Erwarten einen starken Anstieg der Spital-Einweisungen»
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Wegen Verbreitung von Omikron:«Erwarten einen starken Anstieg der Spital-Einweisungen»

In anderen Ländern ist dieses Szenario bereits eingetreten. In Dänemark, Grossbritannien oder den USA – alles Länder mit ebenfalls starker Omikron-Welle – nehmen die Spitaleinweisungen seit Wochen rapide zu. Selbst in Italien, das lange tiefe Fallzahlen hatte, häufen sich die schweren Fälle.

Vorteil mRNA-Technologie

Die Schweiz, lange als Impfmuffel Europas verschrien, ist also ein Omikron-Sonderfall – im positiven Sinne. Die Frage ist aber auch hier: Wie lange noch?

«Die Schweiz hat das Glück, dass sie auf die wirksamsten Impfstoffe setzte», erklärt Münz einen Teil des Phänomens. Anders als in anderen Ländern kommen bei uns ausschliesslich die mRNA-Vakzine von Moderna und Pfizer/Biontech zum Einsatz, die sich als sehr viel wirksamer erwiesen haben als Vektor- oder traditionelle Impfstoffe.

Spitalkapazitäten könnten knapp werden

Die Impfstoffe kaufen der Schweiz Zeit – eine Garantie, dass schwere Fälle auf Dauer ausbleiben, sind sie nicht. Denn wenn Omikron die Ungeimpften erfasst, wendet sich das Blatt. Ein Anstieg der schweren Fälle nach dem Muster anderer Länder wäre die Folge. «Ungeimpfte sollten vorsichtig sein», mahnt Münz. «Sie könnten Gefahr laufen, dass bei einer Hospitalisierung die optimale Versorgung nicht gewährleistet ist.»

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