Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer
Eine Pille gegen das Vergessen

119'000 Menschen leben heute in der Schweiz mit der Krankheit Alzheimer. Trotz der immer höheren Anzahl an Betroffenen, gibt es immer noch kein Medikament dagegen. Doch jetzt scheint es neue Hoffnung zu geben.
Publiziert: 06.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 14:19 Uhr
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Toxische Moleküle im Hirn legen das ganze System lahm.
Foto: Getty Images
Moritz Kaufmann

Die Alzheimer-Krankheit 

Alzheimer ist ein medizinischer Albtraum. Die Krankheit sorgt für geistigen und körperlichen Zerfall. Sie kann jeden treffen, vor allem im Alter. Im Endstadium erkennen Eltern ihre Kinder nicht mehr. 119'000 Menschen leben heute in der Schweiz mit der Krankheit. Weil die Menschen älter werden, wird diese Zahl in den nächsten Jahren erheblich steigen. Bis 2030 rechnet die Schweizerische Alz­heimer-Vereinigung mit 300'000 Betroffenen.

Bis heute ist Alzheimer unheilbar. Der schleichende Zerfallsprozess ist nicht umkehrbar. Er lässt sich nicht einmal verlangsamen. Hier setzt jetzt die Forschung ein. Der Basler Pharmakonzern Novartis ist mit der Universität Zürich Wirkstoffen auf der Spur, die Hoffnung machen. Sie zielen auf die ­Ablagerungen im Gehirn, die zu Alzheimer führen. Diese wirken wie Kalk im Wasserkocher: Zu dicke Ablagerungen blockieren den Apparat.

Medikament gegen Alzheimer:  ein neuer Ansatz soll helfen

«Wir testen zwei Substanzen», sagt Ana Graf, Leiterin des Programms Neurowissenschaften bei Novartis, zu SonntagsBlick. Die erste: «Das kleine Molekül CNP520. Es wird täglich als Pille eingenommen und soll die Entstehung toxischer Moleküle im Hirn unterbrechen.» Die zweite: «Eine Art Impfung, die alle drei Monate wiederholt wird. Es soll die Menge der Moleküle, die im Gehirn Ablagerungen bilden, senken.» Die beiden Behandlungsmethoden sollen nun an freiwilligen Versuchspersonen getestet werden. Die Behörden haben grünes Licht für eine gross angelegte Studie in der Schweiz gegeben.

Neu sind nicht nur die Medikamente selber, sondern auch der Ansatz: Diese Art der Behandlung ist ein Paradigmenwechsel und wegweisend für die Zukunft. Immer häufiger wollen Mediziner Krankheiten behandeln, bevor sie ausbrechen.

Mit Alzheimer soll eine Krankheit behandelt werden, noch bevor man merkt, dass man sie überhaupt hat. Was nach Science-Fiction klingt, ist dank neuer Diagnosemethoden möglich. «Noch vor kurzem konnte man die Krankheit nur anhand des Verhaltens der Betroffenen diagnostizieren. Heute können wir dank sogenannter Biomarker die Krankheit feststellen, obwohl sie noch nicht ausgebrochen ist», erklärt Graf.

Ein Zukunftsmodell, das gerade die Alzheimer-Forschung nach Jahren zermürbender Forschung mit vielen Rückschlägen beflügelt. «Diese Studie ist die Antwort auf all die Miss­erfolge, die wir in der Vergangenheit hatten. Sie kam zum Schluss: Man hat zu spät angefangen, die Krankheit zu behandeln», sagt Reto Kressig (56), Chefarzt der Basler Memory-Clinic, der bei der Novartis-Studie mitwirkt.

Getestet werden in den kommenden fünf Jahren die neuen Medikamente an Hochrisiko-Patienten, die mit grosser Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranken. Sie machen nur ­einen Bruchteil der Personen aus, bei denen sich Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn finden. «Die Hoffnung ist gross, dass der Wirkstoff nicht nur bei Hochrisiko-Patienten wirkt», sagt Kressig. Ziel ist, Alzheimer auf breiter Front präventiv zu behandeln.

Der Krankenkassenverband ist skeptisch

Das wirft ganz neue Fragen auf: Soll man ein Medikament gegen eine Krankheit einnehmen, obwohl sie möglicherweise gar nie ausbricht? Sollen sich alle über 65-Jährigen systematisch auf Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn testen lassen? Und vor allem: Wer bezahlt das? Allein der Alzheimer-Scan kostet heute rund 5000 Franken.

Der Krankenkassenverband Santésuisse jedenfalls beobachtet die Entwicklung mit Skepsis. «Man muss sicherstellen, dass nur eine Gruppe von gefährdeten Patienten solche Medikamente bekommt», sagt Andreas Schiesser (64), Projektleiter Medikamente bei Santésuisse und warnt vor übertriebenen Erwartungen: «Die Diagnose bei Alz­heimer ist nach wie vor schwierig.»

Bevor präventive Medikamente auf den Markt kämen, müssten diese erst zuverlässiger werden. «Krankenversicherungen sind Sozialversicherungen. Wir haben gerne innovative Lösungen, doch die Kosten müssen vertretbar sein», mahnt Andreas Schiesser: «Die Pharma ist das Gegenteil der Informatik. Jede ­Innovation kostet mehr. Da sind extrem hohe Margen drauf.»

Ana Graf von Novartis wiederum betont: «Man muss immer den ganzheit­lichen Nutzen eines Medi­kaments sehen. Wenn die Tests erfolgreich sind, könnten die Pflegekosten erheblich sinken.» Heute werden die Kosten für Demenzkranke in der Schweiz auf rund sieben Milliarden Franken geschätzt. Vor allem wegen der Pflege.

Bis ein wirksames Medikament auf den Markt kommt, kann es noch ein Jahrzehnt dauern.

Alzheimer und Demenz: Schleichender Abbau

Alzheimer ist etwa für 60 Prozent aller Demenz-Erkrankungen verantwortlich. Die Krankheit tritt am häufigsten bei Personen über 65 auf. Betroffene sind immer weniger in der Lage, den Alltag selbst zu meistern. Einmal erkrankt, nimmt die Leistung des Hirns stetig ab. Das ist auch für die Angehörigen eine grosse Belastung. So schrecklich die Diagnose Alzheimer für Betroffene auch ist: Dank richtiger Behandlung und Pflege ist weiterhin eine hohe Lebensqualität möglich.

Alzheimer ist etwa für 60 Prozent aller Demenz-Erkrankungen verantwortlich. Die Krankheit tritt am häufigsten bei Personen über 65 auf. Betroffene sind immer weniger in der Lage, den Alltag selbst zu meistern. Einmal erkrankt, nimmt die Leistung des Hirns stetig ab. Das ist auch für die Angehörigen eine grosse Belastung. So schrecklich die Diagnose Alzheimer für Betroffene auch ist: Dank richtiger Behandlung und Pflege ist weiterhin eine hohe Lebensqualität möglich.

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