Hildebrand-Affäre vor dem Zürcher Obergericht
Wieder erscheint nur Herman Lei vor Gericht

Die Aufdeckung der Devisengeschäfte von Ex-Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand sind in der zweiten Instanz vor Gericht. Alle Parteien hatten Berufung eingelegt.
Publiziert: 23.06.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:29 Uhr
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Hermann Lei vor dem Obergericht Zürich. Er hat gegen das Urteil des Bezirksgerichts Berufung eingelegt. Er will in allen Anklagepunkten einen Freispruch erreichen.
Foto: Beat Michel/Blick
Beat Michel

Seit nun mehr als fünfeinhalb Jahren beschäftigt der Fall Philipp Hildebrand die Justiz. Heute ist der Fall vor dem Obergericht in Zürich. IT-Spezialist Reto T. (45) entdeckte 2011 als Angestellter der Bank Sarasin verdächtige Devisengeschäfte vom damaligen Präsidenten der Nationalbank. Nun stehen Reto T. und sein damaliger Kollege Hermann Lei (44) wieder wegen der Verletzung des Bankgeheimnisses vor Gericht. Sie verlangen Freisprüche.

Hermann Lei macht einen erschöpften Eindruck. Dass er sich schon wieder zu dem Skandal äussern muss, belastet ihn. Er ist der einzige Betroffene des Prozesses, der am Obergericht erscheint. Der Mitbeschuldigte Reto T. lässt sich krankheitshalber wie schon vor dem Bezirksgericht entschuldigen. Ex-Notenbanker Philipp Hildebrand hat sich ohne Angabe eines Grundes entschuldigen lassen.

«Ich komme mir vor wie im falschen Film»

«Ich komme mir seit fünfeinhalb Jahren vor wie im falschen Film. Ich habe versucht, etwas Unrechtes aufzudecken, und musste jetzt jahrelang dafür büssen. Ich kämpfe für einen Freispruch», sagt Lei zu BLICK.

In der Befragung durch den Gerichtspräsidenten erzählte er noch einmal die Grundzüge des Vorfalls. Es wird schnell klar, wie sehr die beiden Beschuldigten sich nicht mehr vertragen. Ihre Aussagen gehen weit auseinander, sie beschuldigen sich gegenseitig.

Reto T. legt dar, dass sein ehemaliger Kindergartenfreund die ganze Zeit sein Anwalt und damit durch das Anwaltsgeheimnis gebunden gewesen sei. Lei widerspricht, es habe in dem Fall schlicht nie ein Mandatsverhältnis bestanden. 

Auf die Frage des Oberrichters, ob ihm denn als Anwalt nicht klar gewesen sei, dass die Veröffentlichung der Daten eine Geheimnisverletzung ist, antwortet er nicht direkt. Der Inhaber eines Anwaltsbüros und Thurgauer Kantonsrat (SVP) sagte darauf: «Das Bankgeheimnis war ja schon verletzt. Ein Tresor, der schon offen ist, muss man nicht noch einmal knacken. Primär war mir wichtig, dass etwas geschieht. Diese Geschäfte waren so etwas von jenseits. Dass wir uns strafbar machen, war nicht zentral.»

Kompletter Freispruch

In seinem gut eine Stunde langen Plädoyer verlangte Leis Anwalt Valentin Landmann einen kompletten Freispruch für seinen Mandanten. Er sei kein Bankangestellter, er könne also das Bankgeheimnis gar nicht verletzen. Zudem habe er Reto T. nie gedrängt, die Devisentransaktionen von Philipp Hildebrand zu veröffentlichen.

Es sei weder der Tatbestand der Gehilfenschaft noch der Verleitung zu einer Verletzung des Bankgeheimnisses. Sein Mandant sei ein Whistleblower. Er habe alles richtig gemacht, um auch als solchen beurteilt zu werden.

Die Staatsanwältin wollte nicht gelten lassen, dass Lei ein Whistleblower sei. «Die echte Motivation ist klar ersichtlich aus dem elektronischen Verkehr. Es gab keine Meldung an die Compliance oder seine Vorgesetzten. Der Beschuldigte wollte nur seiner politischen Karriere einen Schub geben. Es ging ihm nicht um die Aufklärung eines Missstandes.»

Die Staatsanwältin verlangt eine strengere Strafe: 150 Tagesansätze à 340 Franken auf 2 Jahre Bewährung, 1000 Franken Busse, bei Nichtbezahlung 2 Tage Freiheitsenzug.

In psychisch schlechter Verfassung

Die Anwältin von Reto T. beginnt das Plädoyer mit der persönliche Situation des ehemaligen IT-Spezialisten. Die ganze Affäre sei ihm sehr nahe gegangen, er sei seither in psychisch schlechter Verfassung. Er habe die Arbeitsstelle verloren, sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.

Ihr Mandant habe immer versucht, die Bank Sarasin aus den Untersuchungen und Vorwürfen rauszuhalten. Darum ging er nicht an die Bank eigene Compliance-Stelle. Er hatte zudem Angst, seinen Job zu verlieren.

Er versuchte sich zuerst sich im Internet selbständig zu informieren, wie er die unanständigen Devisengeschäfte des Nationalbankpräsidenten melden konnte. Darum kontaktierte er seinen Anwalt Hermann Lei.

Lei sei schliesslich hinter dem Rücken von Reto T. mit den Daten an die «Weltwoche» gelangt. Er hatte damit heikle Daten weitergeleitet, und nicht Reto T.. Die Verteidigerin stützt ihre Strategie darauf, dass zwischen T. und Lei ein Anwaltsverhältnis bestanden habe. Die Offenbarung von geheimen Daten an einen Anwalt müsse doch straffrei sein.

Druck von Anwalt Hermann Lei

Christoph Blocher und Lei hätten ihn die ganze Zeit bedrängt. Er habe die Daten nie veröffentlichen wollen. Er habe immer nur unter Druck von Anwalt Lei gehandelt. Darum müsse er straffrei bleiben.

Die Staatsanwältin liess sich nicht von dem dreistündigen Plädoyer der Verteidigerin einschüchtern. Ein Freispruch sei abzulehnen. Die Argumente, dass er nur unter Druck von Lei und Blocher gehandelt habe, wirken aufgesetzt. Als Bankangestellter weiss er genau, dass das Bankgeheimnis gewahrt werden müsse und Daten von Bankkunden nicht an Dritte weitergegeben werden dürften.

Es sei etwas anderes, verdächtige Bankbewegungen zu registrieren und intern zu melden, als diese Informationen nach aussen zu tragen. Das sei hochgradig illegal.

Print-Screens der auffälligen Devisengeschäfte

Aus reiner Neugier schaute er sich die Transaktionen von Philippe Hildebrand an. Danach erstellte er Print-Screens der auffälligen Devisengeschäfte und druckte die Seiten aus.

Die Staatsanwältin erinnerte, dass das Verfahren von Reto T. gegen Hermann Lei durch das Bundesgericht eingestellt wurde, bei dem er das Mandatsverhältnis beweisen wollte. Reto T. könne sich also nicht hinter dem Anwaltsverhältnis verstecken. Die Stellen, die die Daten erhalten haben, waren nicht die geeigneten Personen.

Die Staatsanwältin verlangt eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren, plus ein Strafe von 360 Tagessätzen à 30 Franken. 

Ein Urteil wird das Obergericht erst in den kommenden Wochen fällen.

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