In der Zukunftsfiliale von Amazon Go in Seattle (USA) müssen Kunden nicht mehr an der Kasse warten. Denn es gibt in diesem Geschäft gar keine mehr. Abgerechnet wird durch Kamera-Scan und Smartphone-App.
Am zukünftigen Einkaufen wird auch in der Schweiz geforscht. Allerdings abgeschirmt von der Öffentlichkeit im «Future Retail Center» in Regensdorf bei Zürich. Kassen braucht es auch dort keine mehr: Einfach hinausgehen, Smartphone und Einkaufskorb rechnen automatisiert ab. Vereinzelt testet Coop digitale Preisschilder in neuen Läden.
Dagegen shoppen Konsumenten in Italien schon wie in der Zukunft: Bereits vor gut einem Jahr eröffnete in Mailand der sogenannte «Supermarkt der Zukunft» von COOP (dieser hat nichts zu tun mit Coop in der Schweiz). Er wurde als Projekt an der EXPO 2015 vorgestellt – mit einem Konzept, wie so ein Lebensmittelladen künftig auch bei uns funktionieren könnte. Wobei: Einige Elemente des neuen Ladens gibt es in der Schweiz bereits, zum Beispiel digitale Preisschilder in ersten Coop-Filialen.
Neues Einkaufserlebnis bei COOP in Mailand
Immer wieder mit neuer Technik ergänzt, präsentiert sich der von COOP Italien und Accenture betriebene Supermarkt Anfang Mai 2018 in neuem Kleid: die Preisschilder sind nicht nur digital, sondern interaktiv mit Angaben zu Nährwerten der Produkte. An den Regalen prangen Informationsdisplays – sie visualisieren nicht nur die Produktangaben, sondern verknüpfen sie mit Echtzeitangaben und Social Media.
Nährwertangaben, Herkunftsländer oder Verarbeitung der Produkte, aber auch Aktionen werden auf grossen interaktiven Flächen präsentiert. Diese reagieren auf Gestensteuerung der Kunden. Möglich wird dies durch Kinect-Sensoren von Microsoft, die die Bewegungen auswerten (siehe Video).
Aus Verkäufern werden Problemlöser
Für Kunden wirds bequemer, für Angestellte unbequemer: «Unter dem Strich geht der Personalbestand zurück, weil die Automation zunimmt, mehr online eingekauft wird und die Läden kleiner werden», sagt Accenture-Detailhandelsexperte Thomas Täuber im Gespräch mit BLICK. Das Verkaufspersonal bekomme eine neue Rolle, die des Problemlösers.
Ein Beispiel? «Einige Händler werden die Daten über ihre Kunden nutzen, um ihnen beim Besuch im Laden Angebote und Verkaufsempfehlungen geben zu können.» Sei es durch das Verkaufspersonal, aber auch durch Einblendungen auf dem Smartphone.
Gefragt, wie weit die Schweiz denn sei, sagt Täuber: «Das kann man nicht so pauschal sagen. Jedes Land hat seine anderen Konzepte und Ideen.» Bei Läden ohne Personal sei Amazon Go führend, aber auch einige chinesische Convenience-Läden wie Wheely's oder Bingo Box. Andere wiederum seien bei der Frische und der Präsentation vorne dabei, zum Beispiel Spinneys in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Whole Foods in den USA.
Punkto Digitalisierung am weitesten seien wohl die USA. Aktionen aufs Handy beim Durchlaufen des Supermarkts gibt es hierzulande noch nicht von den Schweizer Grossverteilern.
Einkaufswagen rollt durch MRI
Den Einkauf in fünf bis zehn Jahren beschreibt der Experte so: Mehr und mehr Kunden holen in den Läden online bestellte Produkte ab. Die meisten Lebensmittelverkäufe finden aber immer noch im Laden statt. Frischprodukte suchen Kunden noch immer selbst aus, Standardprodukte werden von Robotern am Ende des Einkauftrips im Supermarkt bereitgestellt. Oder automatisch nach Hause geliefert, wenn diese dort ausgehen. «Der Einkaufswagen voll mit dem Wocheneinkauf muss zum Bezahlen nicht mehr aufs Band gelegt werden. MRI-ähnliche Automaten scannen alles wie von Geisterhand», so der Accenture-Experte.
In «nicht allzu weiter Zukunft» werden Supermärkte und Läden zu Orten, wo Konsumenten die Gemeinschaft pflegen können, so Täuber. Als Beispiel nennt er Live-Koch-Shows, gestreamt über Facebook und Co. Oder Konsumenten-Communitys in Läden, die für Markenhersteller neue Produkte und Trends testen und darüber Feedback geben.
Auch der Trend zu Showrooming, das heisst das Zeigen und Ausprobieren von Produkten, aber Bestellen per Internet, zieht auch vermehrt in die Supermärkte ein. Ziel: die Erhöhung der Verweildauer im Laden, so der Experte. Folglich werde auch das Ladensortiment mehr und mehr auf die Community rund um den Einkaufsladen, das Quartier oder die Nachbarschaft zugeschnitten.
Branchenfremde Firmen machen vorwärts
Während Lebensmittel-Detailhändler in der Schweiz Innovationen meist mit einer Auffrischung des Ladendesigns alle fünf bis zehn Jahre einführen, geht es bei branchenfremden Firmen meist schneller. Modefirmen probieren sich seit längerem schon am Showrooming. Anprobiert wird im Laden, geliefert wird dann aus dem Lager via Internetbestellung. So kann die Verkaufsfläche kleiner gehalten und bei der Miete gespart werden.
Neue Wege geht die Swisscom: Für die nächsten Wochen kündigt der Telekomanbieter eine Detailhandelsrevolution an, wie es in einer Medieneinladung heisst: «Swisscom eröffnet den ersten Laden der Zukunft in Basel, in welchem es nicht nur ums Beraten und Verkaufen geht, sondern wo Kunden sich treffen, reden, Neues herausfinden und Dinge entdecken.»
Weitere solche Shops sollen in den nächsten Jahren in den grössten Schweizer Städten entstehen, so die Ankündigung. Mehr lässt sich Swisscom dazu noch nicht aus der Nase ziehen. Ende Mai weiss die Öffentlichkeit dann mehr.