Darum gehts
Sie wollte doch nur ihr neues Buch promoten – und dann das: Zwei Journalistinnen der «NZZ» stellten der Schweizer Harvard-Professorin Iris Bohnet (59) auch Fragen zu ihrem Verwaltungsratsmandat bei der Credit Suisse. Doch die bekannte Verhaltensökonomin verweigerte die Antworten. Sechsmal antwortete sie: «Ich kann dazu nichts sagen.»
Bohnet sass zwischen 2010 und 2023 im Spitzengremium der Bank und bezog in dieser Zeit rund vier Millionen Franken. Wenn Exponentinnen und Exponenten den Kopf einziehen, sobald Fragen zu ihrer Verantwortung im höchsten Leitungsgremium der Bank aufkommen, zeigt das vor allem eins: Die Aufarbeitung des Niedergangs der einst wichtigsten Bank der Schweiz hat noch gar nicht stattgefunden.
Die gebürtige Luzernerin sass im Vergütungsausschuss und segnete die milliardenschweren Bonusprogramme der CS-Banker ab. Erstaunlich ist, dass ihr das in der akademischen Welt kaum geschadet hat. Sie ist weiterhin Professorin an einer der renommiertesten Hochschulen der Welt, schreibt Bücher, tritt an Veranstaltungen auf und sitzt in diversen Gremien des World Economic Forum.
Damit kommt sie wesentlich besser weg als etwa der frühere Raiffeisen-Präsident Johannes Rüegg-Stürm (63), der seine Lehrtätigkeit an der Universität St. Gallen wegen des Spesen-Skandals um Pierin Vincenz (68) ein Semester lang pausieren musste. Dabei hatte Raiffeisen weder je einen Verlust eingefahren, noch ging sie pleite. In die Ära Bohnet fallen hingegen der Kollaps einer Grossbank, eine Staatsrettung und der Verlust von Tausenden von Jobs.
Bohnets Naivität
Sicher, es war naiv zu glauben, dass ihr keine Fragen zu ihrer CS-Vergangenheit gestellt würden. Andere Spitzenvertreter schauen, dass es gar nicht so weit kommt. Zum Beispiel Roche-Verwaltungsratspräsident Severin Schwan (57), der von 2014 bis 2022 im Verwaltungsrat der Credit Suisse sass. Seit seinem Ausscheiden im April 2022 hat er keine Interviews mehr gegeben. Bei öffentlichen Auftritten sorgt eine Armada von PR-Beratern dafür, dass seine Rolle bei der Credit Suisse nicht thematisiert wird.
Dabei hatte Schwan als Vizepräsident und Mitglied des berüchtigten Risikoausschusses eine besonders wichtige Rolle – obschon er als Nichtbanker kaum Kenntnisse von komplexen Finanzgeschäften besass. Er war viele Jahre die rechte Hand von CS-Präsident Urs Rohner (65), der sich ebenfalls der Öffentlichkeit entzieht.
Weiterhin auf Sendung ist Axel Lehmann (66), der letzte CS-Präsident. Als sogenannter «Executive in Residence» lässt ihn die Lausanner Kaderschmiede IMD über seine Erfahrungen als Topmanager referieren. Auch Texte darf er schreiben – zuletzt über eine fehlertolerante Unternehmenskultur.
Bohnets Interview schlug hohe Wellen in den sozialen Medien. Kommunikationsberater machten sich über ihr Schweigen lustig. Mark Balsiger, ein Politikberater, zog einen Vergleich zur Kindersendung «Spielhaus» aus den 1970er-Jahren und der Figur des René «I säge nüt». Das mag amüsieren, doch die Empörung ist oft heuchlerisch: Gerade Kommunikationsprofis sind es, die im Hintergrund alles daransetzen, kritische Fragen zu vermeiden und die Makel ihrer Klienten zu überdecken, notfalls mit Klagedrohungen oder dem Abbruch von Interviews.