Darum gehts
- Helvetia und Baloise fusionieren zur zweitgrössten Versicherungsgruppe der Schweiz
- Womit die Angestellten und die Kundschaft jetzt rechnen müssen
- Das könnten die Folgen fürs Filialnetz sein
Helvetia und Baloise wollen zur zweitgrössten Versicherungsgruppe der Schweiz fusionieren. Der Zusammenschluss zur neuen «Helvetia Baloise» soll voraussichtlich Ende Jahr vollzogen werden. Zuvor müssen noch die Aktionäre und Aktionärinnen beider Versicherungen grünes Licht geben. Auch die Wettbewerbskommission muss die Fusion zur Helvetia Baloise mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent noch bewilligen.
Doch was heisst der Zusammenschluss für die Kundschaft und die Angestellten? Blick liefert eine Übersicht.
Warum wollen Baloise und Helvetia fusionieren?
«In den wichtigsten Geschäftsfeldern Nichtleben, Leben und Unfall hinken die Baloise und die Helvetia als einzelne Unternehmen der Konkurrenz doch stark hinterher», sagt Jeffrey Hochegger (51), Anlagestratege bei Raiffeisen Schweiz. Im Nichtlebengeschäft kommt die Helvetia auf 10 Prozent Marktanteil und die Baloise auf 7 Prozent. Hierzu gehören im Wesentlichen Versicherungen im Sach- und Haftpflichtbereich. Konkurrenten wie Axa (16 Prozent) oder Mobiliar (18 Prozent) haben deutlich mehr vom Kuchen. Auch im hart umkämpften Vorsorgegeschäft ist die Konkurrenz deutlich stärker. Die fusionierte Versicherung dürfte in allen Geschäftsfeldern bessere Wachstumschancen haben.
Was bedeutet das für die Kundinnen und Kunden?
Unmittelbar wird sich für die Kundschaft nichts ändern, wie Thomas Schmuckli (61), Verwaltungsratspräsident von Helvetia, an der Medienkonferenz am Dienstagvormittag betont. Da die Baloise in die Helvetia integriert werden soll, würden die Verträge der Kundinnen und Kunden der Baloise ebenfalls zur Helvetia – neu Helvetia Baloise – übergehen.
Fusionieren zwei Versicherungen in der Schweiz, bleiben die bestehenden Verträge in der Regel unverändert – zumindest kurzfristig. In diesem Fall besteht für die Kunden auch kein ausserordentliches Kündigungsrecht. «Verträge bleiben bis zum Ablauf beziehungsweise bis zur Fälligkeit zu den vereinbarten Konditionen gültig und in Kraft», schreibt Helvetia auf Anfrage.
Wird es später Vertragsanpassungen geben?
Mittelfristig dürften die Angebote in Bereichen, in denen beide Versicherungen aktiv sind, jedoch vereinheitlicht werden. Schliesslich macht es aus Sicht der neuen Versicherung keinen Sinn, unterschiedliche Angebote für eine Hausratversicherung, Autoversicherung oder Gebäudeversicherung weiterzuführen. Es ist zu erwarten, dass das bessere Angebot fortbesteht.
Grundsätzlich gilt: Eine Versicherung kann die Vertragsbedingungen bei kleineren Änderungen einseitig anpassen, beispielsweise, wenn sich die Risiken verändert haben. Sie muss diese Änderungen den Versicherten jedoch rechtzeitig mitteilen. Bei grösseren Änderungen oder solchen, die den Versicherungsnehmer wesentlich belasten, muss der Versicherte hingegen zustimmen.
Werden die Versicherungsprämien sinken?
Mit der Fusion strebt die neue Versicherung Helvetia Baloise Effizienzsteigerungen an. «Dadurch werden Kosten mittelfristig sinken», prognostiziert Jeffrey Hochegger (51), Anlagestratege bei Raiffeisen Schweiz. Die Frage sei nur, wie viel dieser Kostenvorteile am Ende beim Kunden landen. Man hat angekündigt, dass die Aktionäre in Form von höheren Dividenden profitieren werden. «Ich rechne aber schon damit, dass zumindest ein Teil der Effizienzgewinne in Form von tieferen Versicherungsprämien an die Kundschaft weitergegeben werden», so Hochegger.
Kommt es zum Personalabbau?
Der Zusammenschluss soll jährliche Synergien von 350 Millionen Schweizer Franken vor Steuern ermöglichen. Während sich die beiden Versicherungen im Ausland gut ergänzen, gibt es gerade im Schweiz-Geschäft zahlreiche Überschneidungen. Derzeit beschäftigen die beiden Versicherer über 22'000 Angestellte. «In Ländern, in denen Überschneidungen bestehen, soll ein Stellenabbau, wann immer möglich, durch natürliche Fluktuation und Frühpensionierungen erreicht und vor 2029 umgesetzt werden», teilen die Unternehmen mit. Gerade im Bereich der Sachversicherungen und im Backoffice wird es zu grösseren Doppelspurigkeiten kommen.
Das Finanzportal «Insideparadeplatz» geht von bis zu 2000 Stellenstreichungen aus. Hochegger rechnet mit einer geringeren Zahl. «Ein Teil der Einsparungen wird sicher auf Prozessoptimierungen und Digitalisierung entfallen. Trotzdem wird es zu einem grösseren Abbau kommen.» Die Löhne sind bei Versicherungen ein grosser Kostenblock. Die geplanten Einsparungen sind also ohne Personalabbau kaum realisierbar. 2024 betrugen die Personalkosten bei Baloise knapp 1 Milliarde Franken. Bei Helvetia waren es über 1,4 Milliarden Franken.
Was geschieht mit den Arbeitsverträgen?
Bei einer Betriebsfusion – oder -übernahme kommt es häufig zu Änderungskündigungen. Dabei werden meist unterschiedliche Leistungen, beispielsweise im Bereich der Vorsorge, vereinheitlicht. Eine Änderungskündigung darf nicht missbräuchlich eingesetzt werden, sprich zu einer unangemessenen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen.
Was geschieht mit den Filialnetzen?
Die Helvetia zählt schweizweit über 100 Filialen. Zusätzlich gibt es ein Netzwerk von 120 Generalagenturen. Bei der Baloise sind es gemäss Firmenwebseite 97 Standorte. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass das fusionierte Unternehmen in vielen Gemeinden doppelt vertreten sein wird. «Bei der UBS hat man gesehen, dass die Bank nach Abschluss der CS-Integration in etwa gleich viele Filialen betreiben wird wie zuvor», sagt Anlagestratege Hochegger. Bei der UBS werden also über 90 Filialen verschwinden – genau so viele, wie die CS betrieben hat. «Eine ähnliche Konsolidierung dürfte es auch bei der fusionierten Versicherung geben», so Hochegger.