Helsana kündigt klammheimlich den Vertrag mit dem Spital Walenstadt
Als Erstes musste der Vater 4000 Franken auf den Tisch legen

Rico Kunz ist sauer! Als sein Sohn operiert wird, muss er 4000 Franken als Depot bezahlen. Seine Krankenkasse hat ihn nicht darüber informiert, dass sie mit dem Spital in seiner Region im Tarifstreit liegt. Und das Spital hat die Benachrichtigung der Kasse verschlampt.
Publiziert: 19.11.2019 um 00:57 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2019 um 07:05 Uhr
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Nick Kunz mit seinen Eltern Rico Kunz und Patricia Baer im Spital Walenstadt. Medizinisch ist alles gut gegangen, die Mandel sind draussen.
Foto: zvg
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Nick (5) liegt im Aufwachraum des Spitals Walenstadt. Die Mandeloperation hat er gut überstanden, doch sein Vater ist mächtig sauer. Nicht auf die Ärzte und das Pflegepersonal, die haben einen ausgezeichneten Job gemacht, wie Rico Kunz (32) aus Sargans SG, immer wieder betont.

Er ärgert sich über die Krankenkasse Helsana. Und die Spitalleitung. Die hat ihm gerade mal zwei Tage vor der Operation mitgeteilt dass Helsana den Vertrag mit dem Krankenhaus gekündigt hat. Die Zusatzversicherung greift also nicht. Kunz muss das Portemonnaie selbst öffnen. 

Zahlen trotz Zusatzversicherung

«Als Erstes musste ich am Tag der Operation 4000 Franken als Kostengarantie auf den Tisch legen. Noch bevor das Spital irgendeinen Finger krumm gemacht hätte», sagt er.

Dabei ist der kleine Nick seit seiner dramatischen Geburt privat versichert. Mutter und Kind wären damals fast gestorben. Für den Vater ist seither klar: «Für meine Familie kommt nur der beste Versicherungsschutz in Frage.»

Die OP fand Anfang November statt. Seit August steht das Spital Walenstadt bei der Helsana aber auf einer sogenannten Negativliste. Zusammen mit den anderen Spitälern aus der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland. 

Langer Streit um Tarife 

Das heisst: Die Krankenkasse bezahlt keine Zusatzkosten mehr für Patienten in der halbprivaten oder privaten Abteilung. Die freie Arzt- und Spitalwahl der Helsana-Zusatzversicherten in der Region ist eingeschränkt. 

Die Krankenkasse schreibt auf Anfrage von BLICK: «Die volle Kostendeckung für die freie Arztwahl in der Halbprivat- und Privat-Abteilung bleibt bis auf weiteres eingeschränkt, solange keine Verhandlungslösung mit diesen Spitälern gefunden ist.»

Der Einschränkung der Spitalwahl geht ein langer Streit voraus. Seit Oktober 2017 versuche die Krankenkasse, eine für alle tragbare Lösung zu finden, erklärt Helsana weiter. Ohne Erfolg. «Aus diesem Grund haben wir per 1. August 2019 Höchsttarife für diese Spitäler festgelegt.»

Für die Versicherten heisst das: Sie bleiben auf einem Teil der Kosten sitzen. Die Helsana übernimmt nicht mehr die vollen Kosten, die ihr das Spital für Zusatzversicherte in Rechnung stellt. 

Nick hat zu grosse Mandeln

Davon ahnte die Familie Kunz nichts, als sie im Sommer in Sargans den Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten aufsucht. Er hatte bereits den Vater und Grossvater des kleinen Nick behandelt hat. Die Beziehung zum Mediziner ist eng und persönlich.

«Der Arzt hat mich sofort auf meine Schnarchprobleme angesprochen», erinnert sich Kunz. Sein fünfjähriger Sohn schnarcht ebenfalls und hat dazu grosse Hörprobleme.

Die Diagnose ist schnell gestellt: Die Mandeln sind zu gross, drücken Wasser aufs Trommelfell und müssen raus. Zusätzlich zu einer normalen Mandeloperation muss der Arzt kleine Röhrchen in die Ohren einsetzen, damit diese trocknen können. Ein heikler Eingriff. Die notwendige Operation wird geplant, im September auf Anfang November angesetzt. 

Medizinisch ist alles klar, doch in der Administration passieren Fehler, konkret im sogenannten Eintrittsmanagement. Denn sobald der Operationstermin steht, schickt das Computersystem automatisch eine Meldung an die zuständige Krankenkasse – in diesem Fall wäre das die Helsana gewesen. Doch nichts ist passiert. Warum? Dazu kann das Spital aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, wie es auf Anfrage von BLICK heisst. 

Spital hat Fehler gemacht

Deshalb nimmt das Spital offiziell auch zum nächsten Fehler nur allgemein Stellung: Bei der Anmeldung eines Patienten wird vom Eintrittsmanagement die Information bezüglich Kostenübernahme Helsana mit den übrigen Unterlagen dem Patienten zugesandt. «Dieses Couvert ist bei uns rechtzeitig eingetroffen», bestätigt Kunz. «Alle Unterlagen waren da, bis auf den Brief, der uns über den Tarifstreit zwischen Spital und Helsana informiert hätte.» 

BLICK weiss, gegenüber dem Vater hat das Spital den Fehler eingestanden. Dieser Brief wurde nicht ins Couvert gesteckt. 

Diese Information erreicht die Familie deshalb erst zwei Tage vor der Operation, als das Spital wegen der Kostengutsprache nochmals nachhakt. Die Familie fällt aus allen Wolken, ein Spitalwechsel kommt nicht mehr in Frage. Seit Tagen schläft Nick mit dem Spitalmaskottchen, einer kleinen Maus. «Dank den einfühlsamen Gesprächen mit den Ärzten hatte mein Sohn seine Angst vor der Operation endlich überwunden.»

Mehr Transparenz bei Spitalverträgen

«Die Kunden können heute nicht mehr davon ausgehen, dass sie auch mit Zusatzversicherung in allen Spitälern in der halbprivaten oder privaten Abteilung behandelt werden», sagt Krankenkassenexperte Felix Schneuwly (59) vom Vergleichsportal Comparis. Im Gegensatz zu früher würden die Tarife in der Zusatzversicherung viel härter ausgehandelt, finden nicht mehr alle Spitäler Aufnahme in der Zusatzversicherung. Grundsätzlich sei das zu begrüssen. Denn früher waren Krankenkassen erpressbar, mussten mit jedem Spital einen Vertrag abschliessen. Das ging ins Geld. «Gescheiterte Vertragsverhandlungen auf dem Buckel der Patienten auszutragen, das geht aber nicht», so Schneuwly. Die Krankenkassen müssten gegenüber den Versicherten klar deklarieren, welche Spitäler nicht mehr durch die Zusatzversicherung abgedeckt seien. Schneuwly fordert mehr Transparenz bezüglich der Qualität der Spitäler: «Ich weiss heute nicht, ob meine Krankenkasse mit dem besten oder mit dem günstigsten Spital einen Vertrag abgeschlossen hat.» (koh)

«Die Kunden können heute nicht mehr davon ausgehen, dass sie auch mit Zusatzversicherung in allen Spitälern in der halbprivaten oder privaten Abteilung behandelt werden», sagt Krankenkassenexperte Felix Schneuwly (59) vom Vergleichsportal Comparis. Im Gegensatz zu früher würden die Tarife in der Zusatzversicherung viel härter ausgehandelt, finden nicht mehr alle Spitäler Aufnahme in der Zusatzversicherung. Grundsätzlich sei das zu begrüssen. Denn früher waren Krankenkassen erpressbar, mussten mit jedem Spital einen Vertrag abschliessen. Das ging ins Geld. «Gescheiterte Vertragsverhandlungen auf dem Buckel der Patienten auszutragen, das geht aber nicht», so Schneuwly. Die Krankenkassen müssten gegenüber den Versicherten klar deklarieren, welche Spitäler nicht mehr durch die Zusatzversicherung abgedeckt seien. Schneuwly fordert mehr Transparenz bezüglich der Qualität der Spitäler: «Ich weiss heute nicht, ob meine Krankenkasse mit dem besten oder mit dem günstigsten Spital einen Vertrag abgeschlossen hat.» (koh)

Die Wut ist zu gross

Aufgebracht meldet sich der Vater bei der Helsana, die erst jetzt von der anstehenden Operation erfährt. «Bis heute haben wir vom Spital Walenstadt oder dem behandelnden Belegarzt kein Kostengutsprachegesuch für den Aufenthalt erhalten – weder postalisch noch elektronisch», verteidigt sich die Krankenkasse. 

Sämtliche von Helsana angebotenen Optionen schlägt der Vater aus, zu gross ist seine Wut. «Mir geht es nicht ums Geld, sondern dass man miteinander redet», sagt Kunz «Warum hat uns die Krankenkasse nicht von sich aus informiert, dass nicht mehr alle Spitäler in unserer Region durch die Zusatzversicherung abgedeckt sind?» So viele Kunden könnten das ja wohl nicht sein, meint er. 

Auf diesen Vorwurf erwidert Helsana: «Wir pflegen die Praxis, nicht wahllos sämtliche Kunden mit einem generellen Schreiben zu verunsichern, sondern gezielt diejenigen Kunden individuell zu informieren und zu beraten, bei denen ein stationärer Spitalaufenthalt ansteht.» Eine Praxis, die in diesem Fall gründlich schiefgegangen ist.

Gelungen dagegen ist der Eingriff bei Nick. Nach drei Tagen darf er das Spital verlassen. Einzige Einschränkung: drei Wochen Schwimmverbot. Aber das ist im November auszuhalten. 

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