Halal-Toblerone
So funktioniert halal in der Schweiz

Halal-Zertifizierer aus Rheinfelden erklären SonntagsBlick ihr Metier, über das nach der Toblerone-Kontroverse alle reden.
Publiziert: 22.12.2018 um 21:36 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2018 um 21:11 Uhr
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Farhan Tufail leitet ein Team von Halal-Experten.
Foto: zvg
Tobias Marti

Nein, Toblerone sei nicht von ihnen geprüft worden, sagt Farhan Tufail, über dessen Metier derzeit alle reden. Tufail, hier geboren und aufgewachsen, ist Geschäftsführer der Firma Halal Certification Services (HCS) in Rheinfelden AG. Sein Team überprüft und zertifiziert Produkte, ­damit sie von Muslimen bedenkenlos konsumiert werden können.

Halal, heisst das dann. Seit kurzem kann sich auch Toblerone so nennen. Die Nachricht des SonntagsBlicks, dass die Schokolade aus Bern entsprechend zertifiziert ist, ging diese Woche um die Welt. Sie wurde von deutschen Medien aufgegriffen, AfD-Chef Jörg Meuthen (57) gab sie mit Drall an seine Leute weiter, danach gingen in Deutschland die Wogen hoch. Tausende Kommentare in den sozialen Medien folgten, es kam zu Boykott-aufrufen gegen Toblerone. Ein Sturm der Entrüstung hatte sich ­zusammengebraut, Zeitungen und Newsportale berichteten weltweit.

Auch Nestlé ist Kunde von Tufail

«Unser Zweck ist, dass wir Schweizer Unternehmen helfen, sodass sie ihre Produkte weltweit ­exportieren können. Wir wollen ­ihnen keine negative Publicity bescheren», sagt Halal-Zertifizierer Tufail, der die Kontroverse um Toblerone bedauert. Weltweit, so schätzt er, gebe es um die 1000 solcher ­Zertifizierungsunternehmen. In der Schweiz seien sie aber die Einzigen, die Halal-Zertifizierungen vergeben. Es sei jedoch üblich, dass die internationale Konkurrenz auch hierzulande Unternehmen überprüfe.

Rund 200 Firmen gehören zu seinen Kunden. Die Hälfte stammt aus der Schweiz, die andere aus dem übrigen Europa. Die Unternehmen produzieren meist für den Export in den Fernen Osten, für Länder wie Malaysia oder Indonesien, wo 2014 gesetzlich verankert wurde, dass alle Waren die ins Land kommen, ab 2019 halal sein müssen. Für den einheimischen Markt zertifizieren die Rheinfelder keine Produkte. Namen von Kunden möchte Tufail ohne deren Einwilligung lieber nicht nennen. Mit einer Ausnahme: Nestlé.
Der grösste Lebensmittelhersteller der Welt ist sein wichtigster Kunde. Die Zusammenarbeit ist eng, die Firma HCS existiert dank Nestlé. In den Achtzigerjahren blockierte Saudi-Arabien eine Schiffsladung von deren Aromen im Hafen von Dschidda. Das Problem waren Alkohol und tierische Fette, aus denen Aromen manchmal hergestellt werden. HCS konnte helfen.

Kontrolleure sind Lebensmitteltechnologen, keine Imame

Halal zertifiziert kann grundsätzlich alles werden, was der Mensch konsumiert oder äusserlich anwendet. Zu 95 Prozent seien das Lebensmittel, aber auch Kosmetik und Pharmazeutik gehören dazu, erklärt Tufail: «Es sind typische Lebensmittel aus der Schweiz: Käse oder Milchprodukte.» Das kritischste aller Lebensmittel für Muslime ist Fleisch. «Wir zertifizieren aber keine Halal-Schlachtung», sagt Tufail. Weil diese in der Schweiz nicht praktiziert wird, fällt das Segment weg.

Von rund 30 Mitarbeitern gehen 25 in die Betriebe. Und hier liegt wohl das grösste Missverständnis beim Thema «Halal». «Das sind keine Imame, das sind Lebensmitteltechnologen», so Tufail. Sie überprüfen die Rohstoffe, die Zusatzstoffe, die Produktionsabläufe. «Wir schauen im Betrieb von der Lagerung der Rohstoffe bis zur Verpackung alles an.» Oberstes Kriterium sei, dass keine Kontamination mit verbotenen Rohstoffen stattgefunden habe. Etwa keine Nebenprodukte aus Schwein in den Produkten oder im Maschinenfett der Anlage vorkommen. Und dass kein Alkohol verarbeitet wird. Die Zertifikate aus Rheinfelden sind weltweit anerkannt.

Die Halal-Experten leben in der Schweiz, viele sind als wissenschaftliche Mitarbeiter an hiesigen Universitäten tätig. «Im Moment sind das alles praktizierende Muslime», so Tufail. Wenn die Person aber Kenntnis fürs Thema mitbringe, könne das jeder machen. Früher sei das mal der Fall gewesen.
In muslimischen Ländern wird der Zertifizierungs-Boom noch eine Weile weitergehen, ist er überzeugt. Bis irgendwann alles zertifiziert, der Markt ausgeschöpft sein wird. Dass Halal-Produkte künftig Teil des einheimischen Sortiments werden, glaubt er allerdings nicht. «Wenn die einheimische Bevölkerung versteht, dass halal nur eine weitere qualitative Eigenschaft ist wie Bio, vegan oder genfrei, dann vielleicht. Aber das ist ja nicht der Fall.» 

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